Ehrlichkeit

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~Cam
Ich wusste nicht warum ich das tat. Ich war im Begriff meiner Lehrerin etwas unheimlich persönliches zu erzählen, ihr einen Einblick in meine Seele zu gewähren!

Natürlich hatte ich schlechtes Gewissen, weil ich mich ihr gegenüber so assozial verhalten hatte und ich wollte es wieder gut machen.

Mir war auf der einen Seite wichtig, dass genau sie mich hasste, aber... andererseits wusste ich nicht von ihr. Ich kannte weder ihren Namen, noch ihre Charakterzüge. Ich wusste nicht, ob sie verschwiegen war, oder eher eine Plaudertasche und ihre Reaktion auf das, was ich ihr im Begriff war zu sagen, konnte ich am allerwenigsten abschätzen.

"Du weißt, du musst mir überhaupt nichts erzählen, was du nicht willst, Camille.", meinte die Lehrerin sanft und obwohl es dunkel war, konnte ich ihren Blick auf mir spüren.

Ob sie mich wohl so liebevoll ansah  wie im Krankenzimmer? Ob ihre braunen Augen wohl auch in diesem Moment so funkelten, wie ein wunderschöner Diamant im Sonnenlicht?

Ich schüttelte den Kopf über meine eigenen Gedanken und konzentrierte mich dann wieder auf das Wesentliche. "Ich weiß..", meinte ich leise und presste meine Lippen aufeinander.

Weitere Tränen brannten in meinen Augen, aber obwohl sie mich nicht sehen konnte, war es mir irgendwie peinlich vor ihr zu weinen. Ich holte tief Luft und begann erneut zu sprechen. Ich hatte mich für die halbe Wahrheit entschieden und ein paar zu persönliche Details wegzulassen - und das obwohl ich reden wollte. Ich wollte die ganzen Worte herauslassen die sich über die Zeit in mir angestaut hatten.

"Es gibt da jemanden", begann ich mit zittriger Stimme, die so gar nicht zu mir passen wollte. "Der mir sehr nahe stand. Sehr sehr nahe sogar. Als ich noch an meiner alten Schule war. Und dieser jemand hat mich, naja... mehr oder weniger... adoptiert. Also nicht wirklich, ich meine, dieser jemand hat sich sehr um mich gekümmert, weil es halt ihr Job war und ich ganz alleine und... und...!"

Ich spürte wie ich den Kampf gegen die Tränen verlor und weitere kleine Sturzbäche meine Wangen hinunterströmten. Und obwohl ich mich bemühte, keinen Mucks von mir zu geben, hörte ich an ihrem leisen Seufzen, dass sie nein Wimmern sehr wohl gehört hatte.

Den Geräuschen nach zu urteilen, rutschte sie ein Stück näher zu mir, bis ich auf einmal merkte, wie ihre Schulter meine steife.

Und da saß ich nun. Seite an Seite mit meiner Lehrerin, die ich erst seit heute kannte, in einem stockfinsteren Lagerraum und genoss das Gefühl ihrer Körperwärme neben mir.

Das Ganze kam mir so surreal vor, dass ich rau auflachte, aber gleich darauf hin wieder verstummte. Es gab nichts zu lachen. Das was ich hier machte war einfach nur bescheuert und ich musste auf der Stelle aus diesem Raum verschwinden, bevor ich ihr doch noch Dinge erzählen würde, die ich später bereuen würde.

"Tut mir leid, ich... ich muss hier raus, Misses äh...", brachte ich hervor und quetschte mich hastig an ihr vorbei.

Die Wärme ihres Körpers war für einen kurzen Moment so präsent, dass ich sie fast vermisste, als ich es dann endlich geschafft hatte aufzustehen und an der Wand nach der Türklinke tastete.

"Ms Fletch", meinte die Lehrerin verwirrt und ich hörte nun, wie sie nun ebenfalls aufstand. "Es tut mir leid wenn ich dich verwirrt oder bedrängt habe, ich...!", begann sie, aber ich ließ sie nicht zu Wort kommen.

"Gar nichts ist los!", rief ich schon fast hysterisch und tastete wild um mich.

Der Raum schien auf einmal immer kleiner um mich herum zu werden und so viele verdrängte Emotionen stürzten gleichzeitig auf mich ein. Emotionen, die Ms Fletch mit diesen verdammten braunen Augen in mir ausgelöst hatte.

Obwohl es komplett dunkel war, sah ich immernoch das Bild von ihrem Gesicht vor meinem inneren Auge und es versetzte mir einen so gewaltigen Stich, dass ich erneut aufschluchzen musste.

Auf einmal spürte ich, wie jemand meine Handgelenke packte und mich herumriss.

"Verdammt nochmal, beruhige dich, Camille!" Nun schlossen sich auch die Finger ihren anderen Hand um meinen Unterarm und hielten mich fest. Ich konnte nicht weglaufen. ich war gefangen.

Erneut brach eine Flutwelle von Bildern auf mich ein und ich schnappte panisch nach Luft. Was tut sie? Warum schafft sie es nach so langer Zeit das alles wieder aufzuwühlen?

"Alles ist gut, ich bin bei dir.", meinte sie sanft und zog mich ein Stück an sich heran. Erneut spürte ich die Wärme ihres Körpers, die mich irgendwie beruhigte, aber auf der anderen Seite nur noch tiefer in meine Erinnerungen zurück katapultierte.

"Ich muss hier raus", wimmerte ich leise und spürte, wie sich ihr Griff um meine Handgelenke lockerte. Mit einer Hand ließ sie mich ganz los und tastete im Dunkeln hinter mir nach der Tür.

Die Stelle, an der sie mich berührt hatte, fühlte sich eigenartig warm an und obwohl ich mich innerlich für diesen Gedanken ohrfeigte, wünschte ich mir, dass sie ihre Hand dorthin zurücklegen würde.

Du darfst das nicht fühlen. Du darfst dir keine Hoffnungen machen! Niemand wird dich lieben, wenn nicht einmal sie es getan hat - und diese Lehrerin darf nicht die Nächste werden, die mit deinem Herz spielt und deine Schwachstellen ausnützt.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 10, 2019 ⏰

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