Die erste Deutschstunde

418 14 1
                                    

Mr. Styles Augen funkeln belustigt, während er mich wartend anschaut. Mann, diese Augen, denke ich mir. Wie kann ein Mensch nur solche reinen, grünen Augen besitzen?

"Also, mein Name ist Milena Lunetti, nicht Kirschlady.", beginne ich damit, mich vorzustellen, und muss automatisch grinsen, während ich meinen neugewonnenen Spitznamen ausspreche. "Obwohl ich ja eigentlich schon einen Faible für Kirschen habe. Ich bin letzten Monat Sechzehn geworden und habe auch noch eine kleine Schwester names Sarah. Sie geht auch hier auf diese Schule, in die Fünfte." Ich überlege, ob ich noch irgendetwas hinzufügen will, doch mir fällt nichts ein, was Mr. Styles jetzt noch brennend interessieren würde.

Obwohl, ihm würde es bestimmt schon gefallen zu hören, dass ich ihn hübsch finde, doch das laut zu sagen wäre eine einzige Blamage, selbst wenn ich mit Sicherheit nicht das einzige Mädchen bin, das so denkt.

Ich stütze mein Gesicht auf meine Hände und beobachte Hannah, während sie sich vorstellt. Sie erzählt, dass sie mit vollem Namen Hannah Irena Dorothea Wellington heißt, ebenfalls sechzehn Jahre alt ist, drei große Brüder hat, die allesamt schon am studieren sind, und noch vieles mehr. Eine unvergleichliche Begeisterung spiegelt sich in ihrem Gesicht wieder, während sie der gesamten Klasse ihre Biographie aufschwatzt. Ich grinse leicht. Das sieht Hannah ähnlich: Kaum soll sie sich jemanden vorstellen, schon redet sie ohne Punkt und Komma in atemberaubender Geschwindigkeit. Dabei ist sie normalerweise nicht so aufgekratzt.

Gerade ist sie dabei, Mr. Styles von ihrem verstorbenen Hund Klecks zu erzählen, als dieser nach mehreren Versuchen endlich ein Wort dazwischen kriegt. "Danke für diese... ausführliche Selbstdarstellung. Aber ich finde, wir sollten die anderen auch Mal dranlassen, sonst ist gleich die Doppelstunde rum und nur ihr zwei habt euch vorgestellt.", meint er und man merkt, dass ihn Hannahs Monolog sichtlich gelangweilt hat. So, wie eigentlich jeden im Kurs, schließlich kommt es schon häufiger vor, dass wir uns bei neuen Lehrern vorstellen müssen.

Die Vorstellrunde geht weiter, doch ich höre nicht mehr zu. Stattdessen wende ich mich Hannah zu, die gedankenverloren in die Gegend blickt und mit ihren blonden Locken spielt. Ich muss ihr immer noch von dem Vorfall auf der Eingangstreppe erzählen! Leider wurde ich bis jetzt ja immer von Mr. Styles unterbrochen...

"Hannah, ich muss dir was sagen.", flüstere ich ihr zu und sie dreht sich zu mir. Auf ihren Lippen liegt ein leichtes Grinsen. "Hat es etwas mit Kirschlabello zu tun?", fragt sie und ich nicke prompt. "Genau! Ich hab doch vorhin damit angefangen, dir zu erzählen, dass ich wegen so einem Typen zu spät gekommen bin, mit dem ich zusammengestoßen bin. Also, ich bin halt in diesen Mann gelaufen und der gesamte Inhalt meiner Tasche hat sich auf dem Boden verstreut! Ziemlich unangenehm, deshalb habe ich versucht alles so schnell wie möglich zusammenzukratzen und dann zu verschwinden, jedoch wurde ich von dem Typen aufgehalten. Er hatte nämlich..."

Weiter kam ich nicht, denn die laute Stimme unseres Lehrers schnitt mir das Wort ab. Innerlich stöhnte ich, da ich ihr schon wieder nicht mitteilen konnte, was es mit dem Kirschlabello auf sich hat. "Darf ich euch zwei bitten, die Gespräche einzustellen? Solange es nicht den Unterricht betrifft, sind sie hier nämlich fehl am Platz, und da wir uns momentan jeder einzeln vorstellen, bezweifele ich, dass es etwas mit dem Unterricht zu tun hat!" Leicht entsetzt schaue ich in sein Gesicht, welches markellos ist, obwohl er seine Augenbrauen missbilligend zusammengezogen hat und uns einen eiskalten Killerblick zuwirft. Jetzt bemerkt man, dass er Lehrer sein muss, denn nur Lehrer beherrschen diesen bestimmten Gesichtsaudruck, der einem sofort zum Schweigen bringt.

Hannah und ich steigen kurzerhand auf Zettelchen um. Ich reiße ein Blatt aus meinem Collegeblock raus und kritzel möglichst unauffällig meine Nachricht darauf. Im normalen Unterricht hätte ich sagen können, dass ich Notizen mache, doch da alle nur über sich reden, würde mir das niemand abkaufen.

Meine große Liebe - Nur mein Lehrer?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt