Kirschgerüchte

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Die Stunde geht ziemlich schnell vorbei. Heute haben wir nur eine Stunde Biologie, weshalb ich die permanenten "Hä" und "Mr. Styles, ich kapier das nicht!" von Sophie nicht allzu lange über mich ergehen lassen muss. Ich frage mich, weshalb sie überhaupt auf diese Schule geht, wenn sie sowieso nichts kann. Und mit nichts meine ich nichts. Ihre Noten sind genauso schrecklich wie ihr Kleidungsgeschmack, und das einzige, das sie in den letzten sechs Jahren gelernt hat, ist, dass man mehr Beachtung kriegt je tiefer der Ausschnitt ist. Mich wundert nur, dass die Schulleitung nichts dagegen sagt. Normalerweise kriegen wir Ärger, wenn wir zu viel Haut zeigen.

"Und genau so funktionert also die gesamte Zelle.", beendet Mr. Styles seinen Vortrag und es schellt zur nächsten Stunde. Eilig packe ich alles ein, denn ich will nicht schon wieder die letzte sein, die bei Mr. Styles aus dem Raum geht. Leider habe ich die Rechnung ohne besagten Lehrer gemacht, denn dieser ruft mich zu sich, gerade als ich über die Schwelle treten will. "Milena, kannst du bitte kurz zu mir kommen?" Ich bleibe abrupt stehen und drehe mich langsam um. "Was gibt's denn?", frage ich unsicher und laufe zurück zum Pult.

Der Raum leert sich, und letzten Endes bin ich ein weiteres mal die letzte verbliebene Schülerin. Mr. Styles mustert mich mit gerunzelter Stirn. "Was wollten Sie mir sagen?", wiederhole ich mich, als er mich weiterhin nur anschaut und nichts sagt. Er blickt auf, direkt in meine Augen, und schüttelt den Kopf, als wolle er seine Gedanken loswerden. "Du bist die Klassensprecherin, oder?", will er dann endlich wissen und ich nicke bestätigend. Abwartend schaue ich ihn an, doch er sagt nichts, sondern starrt nur gedankenverloren auf meine Stirn. "Mr. Styles?", frage ich verunsichert, und abermals schüttelt er den Kopf. "Tut mir leid.", lächelt er. "Ich war gerade nur in Gedanken. Du kannst ruhig gehen, ich wollte nur wissen wer Klassensprecher ist, damit ich weiß, an wen ich mich wenden muss im Notfall." Zögernd hebe ich meinen Kopf und forme mit meinem Mund ein lautloses "Ah ja". Anschließend drehe ich mich um und begebe mich zur Tür, da die Fünf-Minuten Pause gleich vorbei ist und ich immer noch zum Raum gehen muss, in dem ich jetzt Sowi habe.

"Übrigens", ruft Mr. Styles mir noch zu. "ich find meine Haare auch wundervoll."

Ehm, ja. Das klang jetzt ein wenig selbstverliebt.

Ich frage mich, wie er darauf kommt, als mir das Zettelchen aus der Deutschstunde einfällt. Meine Wangen fangen an zu Glühen und ich gehe nicht auf ihn ein, sondern verlasse den Raum schnellstmöglich.

"Da bist du ja! Das hat aber lange gedauert. Was wollte der Styles denn von dir?", überfällt mich Hannah auch sofort, die auf der Fensterbank im Flur auf mich gewartet hat. Ich schüttele nur den Kopf und gebe ihr zu verstehen, dass es nichts wichtiges war. Gemeinsam laufen wir ein Stockwerk hoch und sind noch rechtzeitig im Raum.

Die Stunde Sowi vergeht wie im Flug. Wir reden zur Zeit über die Tragödie der Allmende, ein Thema, das ich ausnahmsweise mal kann. Als nach fünfundvierzig Minuten die Glocke ertönt räumen wir alles zusammen und Hannah und ich gehen auf den Pausenhof. Wir laufen zu unserem Stammplatz, einer kleinen Bank unter einer alten Eiche.

"Endlich frische Luft!", seufzt Hannah und lehnt sie zurück. Übertrieben laut saugt sie die Luft in sich auf und ich muss lachen. "Du siehst so bescheuert aus.", grinse ich und sie schaut mich gespielt empört an. "Danke, das habe ich jetzt auch verstanden.", schmollt sie und rückt ein Stück von mir weg. "Aber keine Sorge, so bescheuert wie Sophie siehst du nicht aus. So bescheuert wie die kann niemand aussehen.", beruhige ich sie. Sie setzt an, um etwas zu erwidern, doch genau in dem Moment kommt Daniel und setzt sich zwischen uns.

Ich blinzele leicht verwirrt. Daniel? Gut, das ist neu, normalerweise steht er bei seinen Jungs oder wird mitten auf dem Hof von Sophie befummelt, aber das ist ja jetzt Gott sei Dank Vergangenheit. "Hey Leute, was geht?", fragt er und schaut von Hannah zu mir. Mann, diese Augen! Er hat so wunderschöne Augen.

Meine große Liebe - Nur mein Lehrer?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt