Ein jähes Ende

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Das Atmen fiel ihr schwer und ihre Lungen brannten. Doch sie hatte keine Zeit, sich umzusehen oder ihren Befindlichkeiten nachzugeben. Die Riemen des Rucksacks bohrten sich tief in ihre Schultern und sie war sich sicher, dass sie so einige Striemen auf ihrer Haut entdecken würde, sobald sie die Gelegenheit haben würde, für einen kurzen Moment zu verschnaufen.

Die Erinnerungen an den Tag vor mehr als zwei Wochen durchzuckten sie plötzlich und es schmerzte wie ein Dolchstoß. In Gedanken trieb sich Tamara selbst an, weiter voranzukommen. Zu viele waren hinter ihr her. Zu viele Tote, die sich nach ihr und ihrem Fleisch verzehrten.

Am Ende der Straße konnte sie ein Haus entdecken und hoffte inständig, dass es verlassen war. Sie brauchte dringend eine Pause und ein Blick über die Schulter verriet ihr, dass sie die Horde beachtlich hinter sich gelassen hatte. Vielleicht hatte sie eine Chance und konnte sich verstecken.

Es gab jedoch nicht nur diese Zombieviecher, die ihr in letzter Zeit das Leben schwer gemacht hatten. In der vergangenen Woche war sie nur um Haaresbreite einer Gruppe Plünderer entkommen, denen sie sehr wohl angesehen hatte, was sie mit ihr angestellt hätten, wenn sie ihnen in die Falle gegangen wäre.

Tamara hatte keine Ahnung, wo sie hinkonnte. Seit Tagen rannte sie eigentlich nur davon, von einer Katastrophe in die nächste. Als ob das Schicksal es besonders schlecht mit ihr meinte, ließ es ihr nie mehr als ein paar Stunden Verschnaufpause. Sie konnte sich nicht wirklich daran erinnern, wann sie das letzte Mal geschlafen hatte.

Das Haus war nur noch wenige Meter entfernt, doch plötzlich stockte ihr der Atem, als sie ein Auto entdeckte und riss nach rechts in den Wald aus. Es wäre ja auch zu schön gewesen.

Zitternd und wachsam versteckte sie sich hinter einem Baum und beobachtete die Szenerie, die sich vor ihren Augen abspielte. Ein großer, schwarzhaariger Typ mit Locken und eine blonde Frau kamen aus der Terrassentür und unterhielten sich angeregt, sie konnte jedoch kein Wort verstehen.

Irgendwo hatte sie den Kerl schon einmal gesehen, Tamara überlegte fieberhaft, wann das gewesen sein konnte. Dann fiel es ihr wieder ein: auf dem Highway, mit einer anderen Frau, einer Brünetten und einem kleinen Jungen. Nur schwach war ihre Erinnerung daran, an den Anfang, als die ganze Scheiße begonnen hatte.

Sie wollte sich den beiden nicht zeigen, irgendetwas in ihr hielt sie strikt davon ab und zog sie von ihnen weg. So bahnte sie sich ihren Weg durch die Wälder, in der Hoffnunf, noch einen anderen, brauchbaren Unterschlupf zu finden, welcher ihr die Möglichkeit geben würde, eine Portion Schlaf zu kriegen.

Ihre Gedanken flogen immer wieder zu den beiden anderen Menschen, während sie sich wachsam und stetig umsah, damit sie keiner der Untoten überraschte und den Garaus machte. Zu ihrem Glück - eine seltene Ausnahme, wohlgemerkt – entdeckte sich hinter dem nächsten Hang einen kleinen Bach, verweilte einen Moment und checkte die Lage. Sie hielt nichts von bösen Überraschungen, weder von menschlichen, noch von Toten. Doch sie kam nicht drum herum, sie brauchte dringend Wasser, hatte nur noch ein wenig Vorrat zur Verfügung und es schien sicher zu sein. Sie konnte also endlich ihre Flaschen auffüllen, auch wenn das bedeuten würde, wieder mehr Gewicht mit sich rumzuschleppen.

Vorsichtig rutschte sie den Hang hinunter, der sich als steiler entpuppte, als zuerst angenommen und sie hatte mehr als einmal Probleme, sich abzufangen und nicht einfach wie ein Sack zu fallen. Immer wachsam, ständig auf der Hut.

Sie konnte weit und breit keine Menschenseele entdecke, was nicht bedeutete, dass nicht jede Sekunde jemand aus den Büschen springen und über sie herfallen wollen könnte.

Am Fuß des Hanges angekommen, beeilte sich Tamara und lies sich auf ihren Knien am Ufer des Baches nieder, der doch nicht so klein, wie sie es von oben herab vermutet hatte. Eilig setzte sie den Rucksack ab und fischte drei Flaschen hervor, zwei kleine und eine größere, und schraubte sie schnell auf, lies den Inhalt mit klarem, kühlen Wasser vollaufen und verstaute sie sicher wieder. Dann gönnte sie sich den Moment, wusch sich das Gesicht und lies das kühle Nass ihren Nacken runterlaufen.

Eine Auszeit, die sie gebraucht hatte.

Von ihrer Position aus hatte sie einen guten Überblick über das Terrain und kramte eine Dose Thunfisch raus, öffnete sie leise und verzog das Gesicht. Der Geruch hatte sie schon immer gestört, auch wenn sie wirklich gerne Fisch gegessen hatte. Aber eingemachter Thunfisch war etwas, um das sie immer einen großen Bogen gemachte hatte. Egal, wie gut er in Salaten oder auf einem herzhaften Baguette geschmeckt hatte, die Zubereitung war schon beinahe eine Qual für sie.

Gedankenverloren kratzte sie die letzten Reste aus der Aludose und freute sich über das Rascheln der Baumkronen in der leichten Sommerbrise. Ein bisschen Entspannung in einer furchtbar angespannten Zeit.

Doch mit der Ruhe war es jäh vorbei, als sie ein lautes Knacken links von sich vernahm und verschreckt herumfuhr. Sie hätte sich selbst ohrfeigen können, dass sie so achtlos und unvorsichtig dagesessen hatte. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Und nun stand er da, starrte sie dunkel an und verzog keine Miene.

Ein Typ, sie konnte auch über die kurze Distanz hinweg erkennen, dass er mindestens einen Kopf größer als sie war, dreckig und mit einer Armbrust bewaffnet. Um seinen Hals hing eine Kette mit abgetrennten Ohren und Tamara musste ein Würgen unterdrücken. Wer war denn so krank drauf?"

„Ok, hör zu, ich verschwinde!" Langsam erhob sie sich, der Mann folgte ihrer Bewegung mit seinem Blick, erwiderte nichts und sie wurde nicht daraus schlau. Sie schulterte ihren Rucksack und zog die Riemen wieder etwas fester, hob beschwichtigend die Hand und trat einen Schritt zurück.

Und plötzlich zog er die Armbrust hervor und zielte auf sie, direkt auf ihren Kopf. „H--hey, alles gut, ich bin gleich weg, ich will niemandem was tun!" Ihre Stimme hatte einen leicht schrillen Ton angenommen, was ihn offensichtlich ärgerte, denn seine Augenbrauen zogen sich zusammen und er zischte: „Halt's Maul!"

‚Ok, das war's, Tamara! Du hast verkackt!'

Noch bevor sie die Augen richtig geschlossen hatte, schoss der Armbrust-Mann auf sie.

From the BeginningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt