POSITIV

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Ich finde, dass es oft die kürzesten Geschichten sind, die einen mitnehmen. Die einen berühren. In diesem Sinne hoffe ich euch gefällt dieser Text
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„Was ist los mit dir?"
„Ich wünschte, ich wüsste es...", ängstlich drücke ich mich tiefer in die Ecke, in der ich stehe. Möchte mit der Wand verschmelzen. Möchte, dass irgendetwas geschieht, was ihn davon abbringt mich zu schlagen.
Ich zittere, doch augenscheinlich ist ihm das egal. Er steht vor mir, mit verschränkten Armen. Überragt mich ein großes Stück. In seinem Blick ist keine Regung erkennbar. Nichts deutet darauf hin, dass er vor nicht einmal 24 Stunden noch „Ich liebe dich" zu mir gesagt hat. Dass wir zusammen auf der Couch gesessen, gekuschelt und fern gesehen haben. Dass ich in seinen Armen eingeschlafen bin. Dass wir zusammen sind. Eigentlich. Denn in diesem Moment glaube ich nicht, ihn überhaupt zu kennen.

Etwas berührt mich am Kinn. Ich hebe den Kopf. Er nimmt seine Hand weg.
„Verarsch mich nicht!", sagt er zähneknirschend.
„Ich...ich weiß es wirklich nicht.", stammele ich. Das ist gelogen. Ich weiß ganz genau, was los ist. Weiß es, so wahr ich weiß, dass ich es ihm unter keinen Umständen sagen kann. Er würde mich verlassen. Er würde mich hassen.

„Gestern Abend war doch noch alles in Ordnung.", bringt er hervor.
Nein, dass war es ganz und gar nicht. Nur wusste ich es da noch nicht.
„Und heute morgen, als du aus dem Bad gekommen bist, hast du geheult, als gäbe es kein Morgen mehr. Du hast mich behandelt, wie ein gottverdammtes Stück Scheisse. Ganz so, als wäre ich wertlos. Was habe ich dir nur getan? Denkst du, dass mich das kalt lässt?", wirft er mir vor.
Am liebsten würde ich brüllen: „Ja, du hast mir was getan!", aber ich lasse es bleiben.

Seit Wochen sind meine Tage ausgeblieben. An diesem Morgen habe ich einen Schwangerschaftstest gemacht. Positiv.
Nachdem ich das Ergebnis gesehen hatte, war für mich eine Welt zusammen gebrochen. Ich habe den Test in den Mülleimer geworfen und bin neben der Badewanne zusammengesunken. Weinend und zuckend, die Beine an die Brust gezogen, kauerte ich da. Ich hasste mein Leben.
„Positiv?", stieß ich unter Schluchzern hervor.
„Sie sollten SO NEGATIV, DASS IHR LEBEN KEINEN SINN MEHR MACHT drauf schreiben, wenn man schwanger ist."

Er starrt mich an. Sein Blick ruht auf mir. Schwer und bedrohlich. Sein Nasenflügel zuckt, so wie er es immer tut, wenn er wütend ist.
„Hast du vergessen, was wir für eine tolle Zeit hatten? Hast du vergessen, was für wundervollen Sex wir hatten? Hast du vergessen, was ich dir alles geschenkt habe?", fragt er und das Wort „hatte" in seinem ersten Satz brennt sich in mein Herz.
„Ich habe dir so viel gegeben. So viel geschenkt.", er blickt zu Boden.
Ja er hat mir viel geschenkt. Vor allem ein Kind. Ich bin 15. Und er verheiratet.

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