Kapitel 10 - Auf einen Schlag

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Ungefähr sechseinhalb Jahre später.

Peter hatte das hier nie tun wollen. Niemals hatte er als Voldemorts Handlanger und Spion arbeiten und seine Freunde verraten wollen. Doch trotzdem hatte er es getan. Seit Severus vor dreieinhalb Jahren ein Todesser geworden war, hatte Peter immer wieder zu ihnen Kontakt gehabt. Am liebsten hätte er einfach mit Severus Schluss gemacht, das wäre wohl das einfachste gewesen, wo doch sowieso niemand von ihrer Beziehung wusste. Doch er konnte sich einfach nicht von ihm losreißen, dafür liebte er ihn mittlerweile viel zu sehr. Ihre Liebe war so groß geworden, so unkaputtbar und vollkommen, dass Peter weder Kraft noch Macht dazu hatte, sie zu zerstören. Und deshalb war er nun zu einem Anhänger Voldemorts geworden, hatte seine Freunde ausspioniert und die Informationen an Voldemort weitergegeben. Und nun auch diese eine, wichtige Information: Lilys und James' Adresse. Er war der Geheimniswahrer und er hatte das Geheimnis verraten, verraten an den Mann, der seine Freunde umbringen wollte. In dieser Sekunde tötete er vielleicht zwei der wichtigsten Menschen in Peters Leben, mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Peter konnte es sich lebhaft vorstellen. Wie der dunkle Lord am regungslosen Leichnam James' vorbei schritt und seinen Zauberstab hob, grausam lachend und die rubinroten Augen voller Wahnsinn, wie er ihn auf die schreiende Lily richtete und ein grüner Blitz aus ihm geschossen kam, während seine dünnen Lippen die Worte 'Avada Kedavra' formten. Wie Peters beste Freundin zu Boden fiel, nichts weiter als ein lebloses Häufchen Elend, und Voldemort sich Harry zuwandte, der brüllte und weinte vor Angst...

Und plötzlich wachte Peter auf. Er wachte auf aus seiner Welt voller Beschönigungen und Rechtfertigungen und erkannte, was er getan hatte. Wenn James, Lily und Harry in dieser Nacht sterben würden, dann wäre es seine Schuld. Seine ganz allein, er war ein Verräter, ja sogar ein Mörder. Von dieser Erkenntnis erschüttert sprang Peter auf. Er befand sich in seiner kleinen, heruntergekommenen Wohnung, der einzige Ort, an dem er sich in letzter Zeit wirklich willkommen gefühlt hatte. Ohne nachzudenken nahm Peter das erste Paar Schuhe, das er zu fassen bekam, warf sich eine Jacke über und rannte aus dem Haus, ohne die Tür zu schließen oder gar einen Schlüssel mitzunehmen. Er musste die Potters retten, es zumindest versuchen, auch wenn er nicht den Hauch einer Chance hatte gegen die Personifizierung des Bösen. Es ging um Leben und Tod, Leben und... Tod.

Peter apparierte zum Haus seiner Freunde... Oder dem, was davon übrig war. Der Tod hatte Einkehr gefunden. Nicht das Leben, sondern der Tod. Peter war zu spät. So schnell es ging eilte er in das, was einmal ein Zuhause gewesen war. Überall lagen Schutt und Asche, die Luft roch nach Rauch und alles schrie nur so nach Zerstörung. Schon im Hausflur bemerkte Peter die Katze der Potters, schmutzig, doch allem Anschein nach unverletzt, die ihm mit vorwurfsvollen bernsteinfarbenen Augen anblickte.

Peter riss seine Augen los von dem Tier und sah nach links, nach rechts, nach vorn, nach hinten, nach oben und nach unten, um irgendwo ein Lebenszeichen seiner Freunde zu entdecken.

Doch stattdessen fand er nur den Leichnam eines jungen Mannes um die zwanzig, mit schwarzem, zu allen Seiten abstehendem Haar, neben ihm eine rechteckige Brille. James. Als Peter genauer hinsah, erkannte er, dass seine Augen glasig waren, seine Arme und Beine schlaff, und seine Haut blass. Sein Körper wirkte wie aus Wachs, wie eine lebensgroße, äußerst realistische Puppe. Kraftlos brach Peter zusammen. Sein bester Freund war tot, und er allein war dafür verantwortlich. Peter Pettigrew war ein Mörder.

Tränen tropften von Peters Wangen und hinterließen dunkle Spuren auf James' weißem Hemd. Er wusste nicht, wie lange er dort lag, doch als er draußen das Geräusch eines Motors hörte, rappelte er sich auf. Er kannte dieses Knattern und Brummen, es war Sirius' Motorrad. Sirius, der ganz genau wusste, dass Peter der Geheimniswahrer gewesen war. Er musste hier weg, oder er würde sein restliches Leben in Askaban verbringen.

Unwissend, was mit Lily oder Harry passiert war, apparierte Peter zurück in seine eigenen vier Wände, jegliche Schutzzauber der Potters waren komplett gebrochen worden. Dort angekommen verwandelte er sich in seine Rattengestalt und begann zu rennen, aus dem Haus hinaus und weit, weit weg. Weg in ein neues Leben, weg von Sirius und Remus, weg von den Auroren, weg vor seiner Vergangenheit... Und weg von Severus.

Auf einen Schlag war Peters gesamtes Leben wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Fortan würde er es als Ratte weiterführen, als kleine, dreckige, armselige Ratte. Früher hatte er sich immer gefragt, warum er genau diese Animagusgestalt angenommen hatte... Er hatte sie noch nie passender gefunden als heute.

Don't Kiss Me, I Love You. | Peverus (NESC-Holiday-Special)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt