Damit kenne ich mich aus, glaub mir.
Aber ich will mich jetzt nicht der allbekannten und allgegenwärtigen Frage "Charakter oder Aussehen" widmen, denn diese Antwort sollte wohl klar sein.
Vielleicht beschäftige ich mich in einem späteren Kapitel damit, aber jetzt geht es erst einmal um die Frage "Wer bin ich?".Früher habe ich oft versucht, jemand anderes zu sein. Ich hatte eine Phase, in der ich gleichzeitig Fußball, Handball und Yoga gemacht habe (nichts davon ist geblieben), eine Phase, in der ich mich als Fotografin probiert habe (sämtliche Bilder sind verwackelt oder man sieht einen großen, tatschigen Finger im Vordergrund) und eine Phase, in der ich mich als Autorin verwirklicht habe (nicht 'bloß' auf Wattpad, sondern richtig cool mit einer richtigen Idee und richtigen, komplexen Plänen für meine Charaktere. Im Moment ist die Geschichte damit beschäftigt, in einer meiner Schubladen zu verstauben.)
Ich habe versucht, mich anzupassen. In der sechsten Klasse war ich absolut überdreht. Ein Jahr später abweisend und gemein. Noch ein Jahr danach wurde ich sozialer und opferte mich für jeden auf. Und plötzlich wurde ich still und schüchtern. Zurückhaltend.
Und jedes Mal dachte ich, ich hätte mein wahres Ich gefunden. Das Ding ist, dass genau das nicht so einfach ist.
Ich kann meinen Charakter nicht auf einige, wenige Eigenschaften festlegen. Wenn ich jetzt einfühlsam und sanft bin, kann ich im nächsten Moment wütend aufbrausen.
Aber ich glaube, ich habe den wichtigsten Schritt schon getan, indem ich genau das erkannt habe. Es ist okay, Gefühlsausbrüche zu haben. Ich muss mich nicht auf einen 'Style' festlegen. Ich muss nicht in jedem Freundeskreis die Stille sein. Und genausowenig muss ich überall die Herzliche, Aufgedrehte sein.
Ich, und sicherlich auch viele andere Menschen da draußen, stecke gerade mitten in der Entwicklung. Persönlichkeiten verändern sich.
Aber dabei kann ich es nicht belassen. Klar, es ist toll, man selbst zu sein. Aber was genau macht Dich zu Dir selbst?
Ich glaube nicht, dass die Persönlichkeit eines Menschen schon von Geburt an festgelegt ist. Sie wird durch seine Umwelt und Erfahrungen geformt.
Wenn Du oft enttäuscht wirst, wird es schwerer für Dich, zu vertrauen.
Wenn Deine Eltern viel Ironie in ihre Worte legen, übernimmst Du diese Art.
Wenn Du die richtigen Freunde hast, blühst Du regelrecht auf.
Du entfaltest Deinen Charakter. Aber was ist der wahre Charakter eines Menschen?Zeit für ein kurzes Gedankenexperiment.
Stell Dir vor:
Du bist aufgewachsen bei Deinen Eltern und hattest eine tolle Kindheit. Du hattest die besten Chancen auf beruflichen Erfolg, und den hast du jetzt auch.
Du erfindest eine Zeitmaschine.Du gehst zurück in die Vergangenheit und tauschst Dich selbst gegen irgendein anderes Baby aus. Jetzt wächst dieses Baby bei deinen Eltern auf und hat alle Möglichkeiten, die Du auch hattest.
Hat es denselben Charakter wie Du? Hat es auch den Ehrgeiz, die Zeitmaschine zu entwickeln, und tauscht sich vielleicht auch selbst aus?
Bist Du das Baby?
Theoretisch wärt ihr beide nun gleich, wenn jeder Mensch am Anfang quasi nur eine ungeschliffene, formbare Masse ist.
Nun aber zu der eigentlichen Frage, dem wahren Charakter eines jeden Menschen. Dazu möchte ich kurz ein Sprichwort in den Raum werfen, dessen Ursprung mir leider entfallen ist: "Der Mensch ist sich selbst am nächsten."
Der Mensch ist ein Egoist. Das ist ein ähnliches Ding wie mit der Aufmerksamkeit.
Der Mensch will am Ende seine Gene durchsetzen.
Ausnahmslos jeder ist ein Egoist. Bei manchen Menschen ist das ganz offensichtlich, zu denen muss ich nichts sagen.Der interessante Part sind die selbstlosen Menschen. Oder zumindest die, die man selbstlos nennt. Denn auch die Beweggründe der alten Oma, die sich ehrenamtlich in der Suppenküche betätigt, sind eigennützig.
Dazu eine (etwas komplizierte) Erklärung meinerseits:
Bleiben wir beim Beispiel mit der Oma. Sie kann den Gedanken an die armen Leidenden nicht ertragen, die nichts zu essen oder zu trinken haben, hungern und darben müssen - richtig?
FALSCH.
Sie kann
a) die Schuldgefühle nicht ertragen, die sie hat, weil sie in ihrer Kindheit Ähnliches erlebt hat und den Menschen jetzt helfen möchte (hier sind wir wieder bei der Frage "Wie formt sich ein Charakter") oder
b) nicht allein zuhause herumsitzen, weil ihr Ehemann schon vor langer Zeit gestorben ist.In Fall b) sind die Motive klar, sie will einfach nicht allein sein und das Gefühl haben, gebraucht zu werden, wie man es von Omas kennt. Fall a) ist eigentlich genauso offensichtlich. Sie will ihr Herz nicht mit Schuldgefühlen belasten.
Vielleicht denkt sie, sie würde das alles aus Nächstenliebe tun, was sie (hier sind wir wieder beim Sprichwort) in gewissem Sinne auch tut.
Nur eben denkt sie bewusst an Andere, während ihr Unterbewusstsein nur an sich selbst denkt.Ich will nicht, dass jetzt irgendwer denkt, ich hätte etwas gegen Omas. Diese reizende alte Lady musste nur mal eben als Beispiel herhalten. Ich hoffe, ich konnte Dir meinen Gedankengang näherbringen.
... Und von gespaltenen Persönlichkeiten haben wir noch gar nicht angefangen. Dieses Thema ist unglaublich umfangreich und kaum in ein Buch zu fassen.
In diesem Sinne, viel Spaß in einer Welt voller aufmerksamkeitsgeiler, egoistischer Schuldgefühlomas.
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Denk Mal Drüber Nach
Ficção GeralDer Titel klingt langweilig, ja, ich weiß. Egal. Kurz gesagt - Ich gucke mir einige Themen aus dem Alltag an und gebe meine unwichtige sowie unprofessionelle Meinung dazu ab. Will jeder Aufmerksamkeit? Was haben wir davon? Tja, hoffentlich wirst D...