7. Umibozu

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Die Luft im Laderaum fühlte sich stickig und schwül in meinem Hals an, erschwerte mir das Atmen. Die Crew wartete draußen, verließ sich unwissentlich der Forderungen des Monsters gegenüber auf mein Urteil, dass uns retten, oder alle ertränken konnte. Es lastete ebenso schwer auf meinen Schultern, wie die Luft in meinen Lungen.

Es tat mir halb leid für die Kohlköpfe, die ich für meine Aufgabe zu Boden schmeißen musste, achtlos in eine Ecke gerollt, damit Yunho sie später wieder dort aufsammeln konnte.

Es war an Tagen wie diesen, als mir bewusst wurde, weshalb Götterfänger unterschiedlicher Herkunft zusammenkamen, um ihr Gebiet gemeinsam zu verteidigen. Dass ich exakt wusste, womit wir es zu tun hatten, war ein Glücksfall. Wie viele von ihnen hatten gerade da draußen keine Ahnung, wie ihnen geschah?

Ungelenk hievte ich das nun leere Fass die Lageluke hinauf, atmete auf, als es mir von oben jemand entgegen nahm, sanft aus meinen Händen zog. Ich stieg hinauf inzwischen mit der Gewalt von einer Sintflut prasselnden Regen und meinem Kapitän, spürte seine Hand achtsam über meiner Schulter schweben, als ich auf den nassen Bohlen auszurutschen drohte.

Unruhig warf ich einen Blick auf den gigantischen Schatten hinter dem Schiff. Er hatte keine feste Silhouette, zeichnete sich nur in seiner unnatürlichen Schwärze vor dem dunklen Himmel ab. Da waren Augen. Zwei weiß glühende Löcher inmitten formloser Masse.

Ruhig, Tsukiko, du weißt, was zu tun ist.

"Bist du dir sicher?", riskierte Hongjoong es mir leise zu zu flüstern, folgte aus nicht minder hektischen Augen meinem Blick.

Ich senkte den Kopf etwas in seine Richtung, spürte das kalte Wasser, das sich in meiner Hutkrempe angesammelt hatte in einem Rinnsal über meine Schulter hinaus laufen.

"Ja. Du bist mir hiernach Erklärungen schuldig, Captain."

Hongjoong hatte den Anstand betreten zu Boden zu sehen und ich nahm das Fass wieder hoch, als er zurücktrat. Mit hoch erhobenem Kopf schritt ich würdevoll zum Heck zurück, bot mein Fass dar.

"Hier, großer Meister. Möge es Euren Wünschen treu dienen.", rief ich noch lauter zu ihm hinauf und etwas, das sehr vage als eine Hand zu entschuldigen war, streckte sich aus.

"Ohoho, habt Ihr eine Ahnung, wer ich bin, junges Fräulein?" Er nahm mir das Fass behutsam aus den Händen und tauchte es mit einem Platschen in die wütenden Wellen, erschreckte die Crew damit weiter.

"Freilich habe ich das, mein Lord! Ihr seid Umibozu, der Wächter der See!" Ich hörte mich selbst kaum noch über den Sturm, aber ich nutzte den Moment, um das verschwommene Schiff nach Seonghwa abzusuchen, ihm eilig ein Handzeichen zu geben. Der Mann nickte blass.

"Dann wisst Ihr auch, dass ich Euch mit diesem Fass hier ertränken werde, nicht? Leichtsinnige Sterbliche und ihr Größenwahn." Ein irres Kichern dröhnte mit dem Donner durch die Luft und dann riss er das Fass wieder hoch, kippte es triumphierend über dem Schiff aus.

Nichts.

Ich verbarg mein Grinsen unter meiner Maske, als mit einem Mal ein frischer Wind aufkam, eine stramme Brise, die sich in unsere Segel warf, noch während der Geist Mal ums Mal lachend das Fass über unseren Köpfen entleerte.

Wir waren bereits wieder auf Kurs und Teil der Strömungen, als Umibozu seinen Fehler bemerkte. Er verharrte, um neugierig das Fass zu untersuchen, aus leeren Augen hinein zu starren.

Hongjoongs Stiefel erklommen hinter mir die Treppe, als Umibozu noch einmal die Augen zu mir wandte und ich hob nun meinerseits lachend eine Hand zum Gruß.

Die unheilvolle Dunkelheit teilte sich, um mehreren Reihen nadelspitzer Zähne Platz zu machen. Abscheuliche Dinger von der Größe ganzer Grabsteine, aber das Lächeln war ein stolzes, jeder Irrsinn verschwunden.

Umibozu winkte mir zurück, dann wandte er sich wieder ab, um zu gehen, beließ es bei seiner Niederlage. Zum ersten Mal seit einer Weile spürte ich mein Herz wieder, konnte etwas aufatmen.

Hongjoongs Arm fand meine Schultern, zog mich in eine weiche Umarmung, die Geborgenheit und Wärme versprach. Seufzend vergrub ich den Kopf in seinem kalten  Hals, ließ zitternde Hände auf seinen schlanken Hüften zu liegen kommen.

"Ein bodenloses Fass, huh?" In seiner Stimme schwangen Stolz und Wunder mit, ließen mich für einen Moment zu einem errötenden, verlegenen Mädchen werden. Dann fing ich mich wieder und boxte grob seine Schulter, während ich mich löste.

"Denk nicht, dass du mir so davon kommst. Ich will dich und Seonghwa in fünf Minuten da drinnen haben, sonst überlege ich es mir nochmal mit unserem Freund da hinten."

Kühn stiefelte ich in seine Kajüte davon, begann sofort mich murrend aus meinen eisigen Klamotten zu schälen. Nach der ganzen Vergiftung hatte ich nur wenig Lust an einer so harmlosen Lungenentzündung zu sterben. Mal ganz davon abgesehen würde Hongjoong mich vermutlich aus dem Grab zurückholen, um mich ein zweites Mal zu meucheln, wenn ich so dämlich wäre.

Ich hatte immerhin schon meinen nassen Körper getrocknet und war in saubere Hosen geschlüpft, als die beiden Männer bebend und grummelnd eintraten. Hongjoong drehte demonstrativ einen großen Bogen um meine nassen Klamotten am Boden, während Seonghwa einfach einen Schritt darüber machte, sich für sein süffisantes Grinsen schon den nächsten Schlag vom Captain einholte.

Bemüht nicht zu lachen, beobachtete ich ihr Gezanke und japste dann auf, als mich mit einem Mal weicher Stoff im Gesicht traf, mir sämtliche Sicht versperrte.

"Bei allen Göttern des Meeres, zieh dich an, Weib. Hast du denn gar kein Schamgefühl?", murrte Hongjoong ohnehin angefressen, jetzt auch noch eifersüchtig und augenverdrehend schlüpfte ich in sein Shirt, genoss die trockene Abwechslung auf meiner Haut.

"Nichts, was er nicht schon gesehen hätte." Ich zwinkerte einem ebenfalls halb nackten Seonghwa zu, sah dessen Augenbraue herausgefordert nach oben zucken, als er es bloß erwiderte.

"Wirklich? Mit mir im Raum? Hwa, du sagst zwar immer es sei keine Absicht, aber langsam wird es verdächtig, dass du meinen Ladies immer so nahe stehst!"

Seonghwa warf seinem Kapitän nur einen sehr flachen Blick zu, brauchte gar nichts weiter zu sagen, dass Hongjoong bloß seufzend aufgab und den triefenden Hut von seinem verwuschelten Haar zog.

"Es ist das Gesicht.", flüsterte ich dem Cap im Vorbeigehen zu, gestikulierte mit einem Finger zu meinem Kopf hin. "Das Gesicht."

Ich würde Hongjoong in einer Millionen Jahre nicht für Seonghwa im Stich lassen, aber bei Diabella, er konnte sich sehen lassen. Gerne einmal hätte ich mit seiner Mutter ein Gespräch über einen derart gesegneten Sohn. Wer wollte ihn schon aus den Augen lassen?

Hongjoong bekam einen vollkommen überflüssigen Schüchternheitsanfall, als ich seinen Oberkörper instinktiv auf Verletzungen checkte, kaum hatte er sich seines Hemdes entledigt. Mit der Röte hoch in seinen Wangen verbarg er verlegen seine Haut vor mir, die Arme schützend vor der Brust gekreuzt.

Seonghwa lachte.

"Wirklich?"

"Starr mich nicht so an! Ich bin schüchtern!"

"Das sagst du, nachdem ihr quasi den ganzen Sommer über in Hosen und Röcken übers Schiff gerannt seid, die wohl kaum als anständig durchgehen? Du von allen?!"

"Wow, und sowas schimpft sich Lady. Was ist mit der süßen und verklemmten Tsukiko passiert, die wir in Afrika gefunden haben? Die niemals den Mund aufgemacht hätte?"

"Sie wurde von einer Horde Piraten verunreinigt, bade es aus wie ein Mann."

Ich fühlte mich keineswegs allmächtig, war mir meiner Schwäche im Vergleich zu den anderen oft genug zu sehr bewusst.

Aber mein Selbstbewusstsein reichte, um nicht vor Hongjoong in Angst zurück zu zucken.

Und Antworten aus ihm heraus zu bekommen.

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