11. Streithähne

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"Warum dauert das so lange?"

"Shh, gib ihr Zeit. Unsere Geduld ist das wenigste, das wir ihr für dieses Opfer schenken können."

Schutzsuchend schmiegte ich mich enger in Yunhos kuschelig weiche Umarmung, seine Gestalt groß genug an meiner, um mich beinahe vollständig zu umschließen. Jongho und Seonghwa standen etwas entschlossener mit verschränkten Armen an unserer Seite und starrten müde geradeaus. Ihre Schultern und Hüften waren unauffällig nach Wärme suchend aneinander gepresst. Sehr tough.

Es konnten nicht mehr als zehn Minuten vergangen sein, seit Hel den Raum verlassen hatte und dennoch atmeten wir alle erleichtert auf, als sich endlich etwas in den Schatten tat.

Ein distantes Galoppieren näherte sich hallend durch den stockfinsteren Schacht, doch es klang außer Takt, wie als würde die Hufabfolge nicht regelmäßig erfolgen.

Wir warteten mit angehaltenem Atem und als dann endlich ein weißer Schatten aus dem Dunkeln sprang, so handelte es sich um ein weißes Pferd mit dem blanken Schädel als Kopf auf einem gesunden Körper.

Dem Tier fehlte außerdem ein Voderbein und unsere Gruppe wich in Respekt vor ihm zurück, als es schnaubend eine Runde durch die Halle drehte. Es war beritten von zwei Gestalten in schwarzen Kapuzenmänteln, aber die Ringe an den entblößten Fingern des Vorderen waren unverkennlich.

"Hongjoong!"

Helhest tat uns den Gefallen anzuhalten, seine wertvolle Cargo sicher zu Boden rutschen zu lasssen. Mein Herz raste wie ein Fisch im Wasser, als die beiden dem Pferd mit sanften Klopfern an dessen Flanke dankten, bevor es auch schon wieder in die Finsternis davon galoppierte.

Hongjoong bekam es sofort mit Seonghwa zu tun, der ihm abrupt die Kapuze vom Kopf riss, begann ihn auszuschimpfen, was er sich eigentlich erlaubte und wie er uns so erschrecken konnte.

Ich hingegen stand noch mit zitternden Händen und Lippen an Yunhos Seite, die Augen unablässlich auf dem zweiten Mann, dessen Kapuze ihm vom Kopf gerutscht war, als er vom Pferd geglitten war.

Ich bemerkte die Tränen auf meinen Wangen erst, als die Kälte ihre feuchten Spuren küsste, brach mit einem plötzlichen Schluchzen mitten im Atemzug ab. Erschrocken schlug ich mir beide Händen vor den Mund.

Aus verschwommenen Augen bemerkte ich noch, wie Hongjoong besorgt den Kopf zu mir wandte, Seonghwa ebenfalls bereit schien an meine Seite zu eilen.

Beschämt wandte ich mich ab, wollte den glücklichen Moment nicht mit meinen Tränen ruinieren und schluckte um den Kloß in meinem Hals.

Weiche Schritte folgten und ich hielt den Atem an.

Als mich Arme fanden, waren sie vertraut, Arme, die ich überall wiedererkennen würde, ganz egal wie lange ich sie nicht gespürt hatte, einfach weil ich sie so vermisst hatte. Sie zogen mich mit einer unendlichen Sanftheit gegen eine stabile Brust, so fürsorglich und zeitgleich so intensiv.

Mir war, als würde mein Herz ein weiteres Mal in Tausend Fetzen gerissen werden.

Es war eine so süße Pein, vollkommen fehl am Platz in diesem Moment und ich ließ meine Tränen frei laufen, ließ mich von ihm halten, ohne dass ein Wort zwischen uns gesprochen wurde.

Es mochte lange Minuten mehr in der Kälte bedeuten, bis meine Tränen endlich wieder versiegten, aber keiner nahm Anstoß daran. Sobald ich mich wieder weit genug hatte, um mich umzudrehen und die Umarmung zu erwidern, so taten es die anderen auch, selbst Jongho.

"Sorry, Leute. Ich war nur so froh ihn zu sehen.", murmelte Hongjoong leise von seiner Seite aus und Yunho griff mit glänzenden Augen über uns hinweg, um ihn eine strafende Kopfnuss zu geben. Hongjoong kicherte erstickt und das war das.

Wir standen eine Weile so, die Brust unter meiner Stirn sich regelmäßig auf und ab senkend, wenn auch sein Herz aufgeregt pochte. Leben.

Es war Jongho, der uns irgendwann unterbrach.

"Uhh, Leute, ich bin a wirklich froh, dass das alles hier so super läuft und so, aber könnten wir das auf einen anderen Ort verschieben? Vielleicht nicht Island und optimal auch nicht die Tiefen der Hölle?", kam es trocken von seiner Seite aus und Hongjoong kicherte leise, während er sich löste, den armen Jongho mit einem Schulterklopfen entlohnte.

"Klar doch, lasst uns gehen. Ich glaube die Crew wäre ganz froh uns wiederzusehen und wohlauf zu wissen."

Sie traten zurück, um kurz die Lage zu besprechen, aber ständig wanderten ihre Blicke verwundert und liebevoll zu dem Mann in meinen Armen, sie konnten es ebenso wenig glauben, wie ich.

Ich löste mich ebenfalls mit einem Schniefen, ließ seine Seiten noch nicht los, um ihn anzusehen, tatsächlich einmal zu sehen.

Seine Haare waren länger geworden, hingen fast bis zu seinen Schultern und er hatte die obere Hälfte in einen kunstvoll chaotischen mini-Pferdeschwanz gebunden. Ich freute mich sein Gesicht gesund zu sehen, die Wangenknochen nicht stärker hervortretend als sonst.

Eine weitere Sache, die sich an ihm verändert hatte, waren die Male in seiner Haut. In seinem Kragen waren Schlieren schwarzer Farbe zu erahnen, die sich bis zu seinen Handrücken zogen, vermutlich zumindest seine gesamten Schultern und Arme zeichnete.

San hob langsam eine Hand, um mir das weiße Haar hinter das Ohr zu stecken, wir trugen es beinahe gleichlang und als ich überrascht blinzelte, breitete sich ein glückliches Lächeln mit voller Wucht auf seinem Gesicht aus.

Da waren sie. Die Gübchen.

Mein Herz wurde warm, erhitzte mich von innen heraus, als es sich selbst wieder zusammenflickte, schier begann zu singen in Anbetracht seiner gerümpften Nase und den verschwindenden Augen.

Ich musste mich abwenden.

"Oh Herrin, lasst uns gehen, bevor ich etwas tue, das ich bereue.", bat ich die anderen eilig und begann voran zu gehen, hörte Sans hohes und glückliches Kichern vermutlich bis in Hels Schlafzimmer hallen.

"Moment mal, was soll das denn heißen?", entrüstete sich Hogjoong sofort, rannte mir hinterher, während der Rest San in ihre Mitte nahm.

"Du hast nicht vor mir fremd zu gehen, richtig? Schon gar nicht mit San!" Hongjoong schloss zu mir auf und zögerte nicht meine Hand zu greifen, mich mit den besten Welpenaugen anzusehen, als ich mich ungläubig zu ihm umsah.

Mein Herz hüpfte erneut, machte heute zu viel durch.

"Also bitte, ich habe jeden Grund dazu. Mir betest du vor zu leben und selbst versuchst du in jeder freien Sekunde dein Leben zu opfern? Wird Zeit zu jemandem zu wechseln, der vielleicht länger bleibt, nicht?"

Hinter uns nahm San das Gespräch auf und einfach seine weiche und schüchterne Stimme mit den anderen diskutieren zu hören, schien sämtliche Last von meinen Schultern zu heben.

"Ist ja auch nicht so, als würdest du bei diesen Dingen Rücksicht auf mich nehmen, oder wenigstens so tun, als täte es dir leid.", gab ich mich trotzig, wenn ich auch unendlich froh war, dass wir ihn wieder hatten, aber wir hatten beide! Beide! San war wieder da.

Dank Hongjoongs waghalsigen Ideen.

In einem plötzlichen Anfall von Reue drückte ich seine Hand fester, senkte langsam den Kopf gen Boden.

"Ich weiß, was sie dir bedeuten.", sprach ich, bevor Hongjoong den Mund auf bekam. "Und ich bin dir unendlich dankbar für deine Fähigkeit sie zu schützen und immer wieder einen Weg zu finden zu uns zurück zu kommen. Ich hatte Angst um dich."

Hongjoong kam herüber, schritt näher an meiner Seite, um unsere verschränkten Hände schnaubend in seine Manteltasche stecken zu können. Sein Seufzen klang zufrieden.

"Wenn du weißt, dass ich immer wieder zurückkommen werde, ist alles gut. Ich hege keinerlei Wunsch mich von egal wem von euch zu trennen. Nicht, solange ich noch etwas tun kann."

Ich war unendlich froh ihn an meiner Seite zu haben.

KaizokuouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt