Kapitel 2

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Am nächsten Morgen weckt mich ein schrilles Piepen. „Sky mach den Wecker aus! Ich habe dir doch gesagt, du sollst den Klingelton ändern.", kommt es aus der anderen Ecke des Zimmers. Ava hatte wohl nicht so eine lange Nacht. „Ich kann leider nichts dafür, dass du jeden Morgen um sieben Uhr aufstehen musst.", seufzt Sky. Sie sitzt schon angezogen auf ihrem Bett und liest. Ich schaue Lin, die gerade auf dem Weg zum Bad ist, fragend an. „Wie kann man so früh morgens schon so motiviert sein?", frage ich stöhnend und zeige dabei auf Sky. „Ich hab keine Ahnung.", antwortet sie, was von einem langen Gähnen gefolgt ist. Ich lache nur, während ich mich aus meinem Bett wälze. Nachdem ich mich angezogen habe, mache ich mich mit Sky auf den Weg zur Cafeteria, um zu frühstücken.
„Wo warst du eigentlich gestern Abend?", frage ich sie. „Da wo ich immer bin. In der Bibliothek.", antwortet sie grinsend.
Skylar ist verrückt nach Büchern. Außerdem ist sie die Bodenständigste unserer Gruppe. Sie befindet sich eigentlich 24/7 in der Bibliothek und hält sich bei Konflikten immer raus oder muss am Ende Streit schlichten. Als ich sie damals in der Bib angesprochen habe, hätte ich nie gedacht, dass daraus mal so eine gute Freundschaft wird.
Als ich neu auf die Westfield Boarding School kam, war ich ziemlich einsam und ging durch eine schwere Zeit, sodass ich sehr froh war, Sky kennenzulernen.

Lin habe ich in meinem Englischkurs kennengelernt. Wir hatten eine ziemlich hitzige Diskussion und haben uns am Anfang gehasst. Aber irgendwann wurde dann Freundschaft daraus, da wir unsere gemeinsame Leidenschaft für Fremdsprachen gefunden haben. Irgendwann ist sie dann zu mir und Sky ins Zimmer gezogen. Ava ist in der 9. Klasse an unsere Boarding School gekommen und wurde vom Direktor einfach in unser Zimmer gesteckt, da wir noch ein Bett frei hatten. Anfangs hat sie uns das Leben etwas schwer gemacht, da sie überhaupt keine Lust auf das Internat oder Schule generell hatte. Außerdem war sie total anders, als alle von uns und wollte zuerst nichts mit uns zu tun haben. Aber mit den Jahren ist eine sehr enge Freundschaft zwischen uns allen entstanden.

Ein Junge rempelt mich an und reißt mich somit aus meinen Gedanken. Er dreht sich um und mustert mich. Einen Moment bleibt er an meinem Gesicht hängen und wir sehen uns direkt in die Augen. Dann löst er seinen Blick von mir und dreht sich zum Gehen um, wobei er noch kurz „sorry" murmelt. Dann erst bemerke ich, dass das der andere Zwilling gewesen sein muss. Seine Augen haben die gleiche Mischung aus Blau und Grün wie die von Kyle. Ich sehe ihm nach, wie er in der Menge verschwindet.

Als ich plötzlich Skys Stimme hinter mir höre, die meinen Namen sagt, löse ich mich von meiner Starre wieder. „Willst du heute auch noch was essen?", sie schaut mich belustigt an und ich nehme mir daraufhin ein Tablett vom Stapel und stelle mich hinter sie in die Schlange.

Die ersten beiden Stunden habe ich heute Mathe, was ich gar nicht leiden kann. Zudem habe ich den Kurs auch noch alleine. Missmutig schlendere ich zum Raum. Doch als ich ins Klassenzimmer komme sehe ich Kyle gleich in der ersten Reihe sitzen, wodurch sich meine Stimmung aufhellt. Ich lasse mich auf den Stuhl neben ihn nieder und er schaut von seinen Unterlagen hoch. „Hey! Wie war die erste Nacht?" Er schenkt mir ein breites Lächeln: „Hi! Meine Nacht war überraschend gut, bis auf Reeds Rückkehr nach der Party, als er meinte er muss das große Licht anmachen, um mich aufzuwecken." Ich schaue ihn mitleidig an. Bevor ich antworten kann, kommt unsere Lehrerin in den Raum und begrüßt uns. Während der Stunde bemerke ich, dass Kyle total der Matheprofi ist, was ich mir sicherlich zugute machen kann, da ich es selten verstehe. Am Ende der Doppelstunde, gibt er mir seine Nummer, damit wir uns für nach dem Unterricht verabreden können.

Als Nächstes habe ich Französisch, was eigentlich eins meiner Lieblingsfächer wäre, würde unser Lehrer nicht so schlecht Französisch reden. Den Kurs habe ich zusammen mit Sky belegt und wir treffen uns vor dem Raum. Der Unterricht hat bereits angefangen, als plötzlich die Tür aufgeht und ein Schüler herein geschlendert kommt. Anstatt sich zu entschuldigen, geht er direkt in die letzte Reihe und schmeißt sich auf den Stuhl. Ohne sich um den verständnislosen Blick von Mr. Leep zu kümmern, holt er seine Sachen aus dem Rucksack. Schließlich räuspert sich Mr. Leep: „Mister...Hall, richtig?" Als er aufblickt und seine Beanie-Mütze absetzt, erkenne ich ihn. Seine dunklen Haare, die markanten Gesichtszüge und die blau-grünen Augen. Außerdem erkenne ich zum Ersten Mal die kleine Narbe neben seinem Auge. „Nach der Stunde zu mir!", kündigt unser Lehrer dann an. Reed scheint es nicht sonderlich zu stören, da er immer noch den gleichen neutralen Gesichtsausdruck aufgesetzt hat, wie als er reingekommen ist. Von seinem Verhalten könnte man gar nicht denken, dass er und Kyle Brüder sind. Aber vom Aussehen sind sie fast nicht zu unterscheiden.

Die Französischstunde scheint nicht zu vergehen, so langsam, wie die Zeit voran kriecht. Und immer, wenn ich mich umdrehe, habe ich das Gefühl, dass Reed mich anstarrt. Ich versuche den wirren Gedanken zu verwerfen, indem ich mich mit Sky über das schlechte Französisch unseres Lehrers aufrege. Sobald der Gong endlich erklingt, packe ich schnell mein Zeug ein und mache mich mit Sky auf den Weg zum nächsten Kursraum. Nachdem wir auch die letzten vier Stunden überstanden habe, begeben wir uns in die riesige Bibliothek auf unserem Campus. Wir bereiten uns für anstehende Tests vor und fragen und gegenseitig ab. Als wir fertig sind knurrt mein Magen schon, weswegen ich Kyle schreibe, ob wir uns zum Essen treffen wollen. Schließlich verabschiede ich mich von Sky, die noch liest, um bei Kyles Zimmer vorbeizugehen, da er nicht geantwortet hatte.

Schon von Weitem, sehe ich Kyle und seinen Zwillingsbruder vor dem Eingang von ihrem Wohnheim stehen. Als ich näherkomme, bemerke ich, dass sie in einer Diskussion verwickelt sind. Ich bin unsicher, ob ich einfach wieder umdrehen soll. Doch in dem Augenblick hat mich Reed schon entdeckt: „Hey, suchst du was?" Ich drehe mich ertappt um und sehe Kyles Bruder direkt an. Seine Augen funkeln in der Dämmerung und ich wende den Blick ab. „Hi, Eliana!", bemerkt Kyle mich. Sein Zwillingsbruder schaut verwundert zwischen uns her. „Ihr kennt euch?" Wir nicken beide nur und für einen Moment herrscht eine unangenehme Stille. „Ich wollte gerade essen gehen. Kommst du mit?", frage ich Kyle schließlich. „Gerne." Er verabschiedet sich kurz von seinem Bruder, bevor wir auf den Weg zur Cafeteria machen.
„Das war übrigens mein Zwillingsbruder Reed.", erklärt mir Kyle. „Das ist nicht zu übersehen." Er lacht. „Findest du?" „Natürlich. Ihr seht euch total ähnlich." Er zuckt mit den Schultern. „Das ist allerdings das Einzige, in dem wir uns ähnlich sind." Ich erinnere mich an den Französischunterricht heute morgen und nicke. „Versteht ihr euch wenigstens gut?" „Das wäre die Übertreibung das Jahrhunderts." Als er meinen fragenden Blick sieht, fügt er hinzu: „Wir kommen miteinander aus. Aber wir vermeiden uns eigentlich so gut es geht." „Das tut mir leid." Bevor ich nachhaken kann, wechselt er das Thema: „Wie war dein Schultag heute?" „Lang.", stöhne ich, woraufhin er lacht. Anschließend erzählt er mir von seinem ersten Schultag und wie mehrere Mädchen ihn für seinen Bruder gehalten haben. Ich kriege mich vor Lachen gar nicht mehr ein, während Kyle die flirtenden Mädchen zu imitieren. 

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