Kapitel 3

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Da Kyle und sein Zwillingsbruder mitten im Schuljahr gekommen sind und daher viel Stoff an unserer Schule verpasst haben, helfe ich Kyle in der restlichen Woche seine Defizite aufzuholen. Wir verbringen viel Zeit zusammen und obwohl ich ihn erst so kurze Zeit kenne, wird er zu einem meiner besten Freunde. Ich kann mit ihm Spaß haben, aber auch ernste Gespräche führen. Und wir wissen beide, dass wir nur Freunde sind und nicht mehr. Sein Zwillingsbruder Reed ist das komplette Gegenteil von ihm. Er geht nachts feiern, reißt jede Nacht ein neues Mädchen auf und kommt immer zu spät zum Unterricht. Außerdem erfahre ich, dass ihre Mutter vor einigen Jahren gestorben ist, was der Grund für den Stress zwischen den beiden ist.

Es ist Donnerstagmittag und ich habe Englisch zusammen mit Kyle, der neben mir sitzt und Reed vor uns. „Hast du nach der Schule schon was vor?", fragt Kyle mich. Ich schüttle den Kopf. „Ich muss nochmal in die Stadt, um was zu besorgen. Willst du mitkommen?" Ich nicke, doch bevor ich antworten kann, dreht sich Reed um und sieht uns spöttisch an: „Kondome kaufen, oder was?" Er sieht zwinkernd zu mir rüber. Sein Nachbar Josh dreht sich schließlich auch noch zu uns um: „Doppelte Entjungferung!" Reeds Lachen verstummt plötzlich und sein Gesichtsausdruck versteinert sich. Ich schaue zu Kyle, dessen Gesichtsausdruck noch ernster ist. Als Josh die Anspannung bemerkt, fügt er mit einem nervösen Lachen dazu: „Hey, war doch nur ein Spaß!" Obwohl ich ihn nicht leiden kann schaue ich ihn fragend an, doch er zuckt nur leicht mit den Schultern. Reed räuspert sich schließlich und dreht sich wieder nach vorne. Ich drehe mich zu Kyle. „Alles gut?" „Ja.", antwortet er trocken. Es ist offensichtlich, dass es er lügt, aber ich traue mich nicht noch einmal nachzuhaken, weswegen ich mich wieder auf mein Blatt konzentriere. Den Rest der Stunde herrscht zwischen uns eine unangenehme Stunde und ich merke, wie er meine Blicke meidet. Auch Reed sitzt viel verspannter auf seinem Stuhl. Als Kyle dann nach dem gong nur mit einer kurzen Verabschiedung verschwindet, lässt er mich verwirrt zurück. Kyle und ich verstehen uns sehr gut nach dieser kurzen Zeit, die wir uns kennen. Wir können miteinander über alles reden und er kommt mir gegenüber so offen vor. Doch sobald es um seinen Bruder geht, blockt er alles ab und ist wie verwandelt. Er hatte zwar erwähnt, dass die beiden nicht so gut miteinander zurechtkommen, doch mittlerweile glaube ich, dass das nicht alles ist.

Ich packe meine Sachen ein und folge dem Strom der Schüler in die Cafeteria.
Plötzlich höre ich eine bekannte Stimme hinter mir und meine Nackenhärchen richten sich auf. Ich versuche so unauffällig wie möglich in den Schülermengen zu verschwinden, doch da greift mich schon eine Hand an der Schulter und ich seufze. „Eliana, lange nicht mehr gesehen! Wie geht's? Ich habe gehört du datest neuerdings Reeds Bruder." Daraufhin kichert sie los. Ich drehe mich um und blicke in Averys makelloses Gesicht. Neben ihr geht Reed, der mich ausdruckslos mustert.
Eigentlich war ich immer total unscheinbar und bin nicht sonderlich aufgefallen. Doch seit letztem Sommer bin ich die Erzfeindin von Avery. Sie ist die Schülersprecherin und die Beliebteste der Wetsfield Boarding School. Alle Jungs stehen auf sie und viele Mädchen himmeln sie an.
Ihre Clique besteht noch aus Amanda, ihrer besten Freundin, und Josh. Und nun auch noch aus Reed.
Seit dem letzten Sommer hassen sie mich allerdings, da Averys Exfreund sich an mich rangemacht hat und mich vor ihren Augen geküsst hat, um sie zu provozieren. Er hieß Elijah. Ich hatte kein Interesse an ihm und hab es ihm auch oft und deutlich gesagt, aber das war ihm egal. Nach dem ganzen Drama mit Avery hat er dann die Schule gewechselt. Doch seitdem bin ich nicht mehr unsichtbar für sie.
Avery reißt mich aus meinen Gedanken: „Und, ist er auch so gut im Bett, wie sein Bruder?" Sie streicht Reed über die Schulter und mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Ich brauche einen Moment, um mich wieder zu sammeln. Ich habe es satt immer von ihr an der Nase rumgeführt zu werden, weswegen die Worte aus meinem Mund sprudeln, bevor ich darüber nachdenken kann: „Ja, fantastisch. Wir können uns ja mal treffen und vergleichen. Vielleicht geben sie ja sogar die gleichen Geräusche von sich." Avery bleibt der Mund offenstehen, da sie definitiv nicht mit dieser Antwort gerechnet hat. Auch Reed scheint zuerst überrascht, bevor er anfängt zu grinsen. Ich schaue ihn verwirrt an. Warum muss der Idiot jetzt so blöd grinsen? Ich sehe mich um und bemerke, dass viele andere Schüler ebenfalls zugehört haben, was mich nervös macht. Ich schenke Avery mein süßestes Lächeln, bevor ich mich umdrehe und weiter in Richtung Cafeteria laufe.
Dort angekommen sehe ich mich nach Lin um, mit der ich mich zum Essen verabredet habe. Ich entdecke sie ganz hinten im Raum an einem Tisch und eile zu ihr.

Nach dem Mittagessen habe ich noch zwei weitere Unterrichtsstunden, die wie in Zeitlupe vergehen, weil ich ständig das Gefühl habe von allen angestarrt zu werden. Anscheinend hat sich mein Zusammenstoß mit Avery schneller verbreitet. Ich versuche alle neugierigen Blicke zu ignorieren, was eher schwer fällt.

Als ich abends erschöpft ins Wohnheim komme, sitzen Lin und Ava an ihren Schreibtischen. Lin schaut direkt auf. „Was ist heute mit Avery passiert?" „Hat es sich wirklich so schnell verbreitet?", seufze ich. „Du kennst doch unsere Schule. Alle lieben Gossip", antwortet Ava. „Wir wüssten nur gerne noch die Details.", fordert Lin grinsend. Sie setzt sich auf ihr Bett und klopft neben sich. Ich muss anfangen zu lachen, setze mich dann aber neben sie. Nachdem ich den beiden alles genau erzählt habe, hält Lin ihr Hand hoch und ich schlage schmunzelnd ein. Es war zwar leichtsinnig, sowas in der Öffentlichkeit zu sagen, da nun die ganze Schule glauben wird, dass Kyle und ich zusammen sind, aber dafür hat es sich verdammt gut angefühlt, Ava sprachlos stehen zu lassen. Und das ist die Hauptsache für mich, nachdem sie mich im vergangen Jahr schon so oft fertig gemacht hat.

Schließlich gehe ich mich duschen, um meine Gedanken etwas zu entwirren und meine Muskeln zu entspannen. Als ich aus der Dusche komme und mich angezogen habe, sehe ich, dass Kyle mich angerufen hat. Ich schlüpfe in meine Jacke und gehe vor die Tür unseres Wohnheimes, um ihn zurückzurufen. Er geht sofort nach dem ersten Klingeln dran. „Hi Eliana! Ich habe von deinem Zusammentreffen mit Avery gehört." Er hört sich immer noch verspannt an.. „Ich hoffe du bist mir nicht böse, wegen dem was ich gesagt habe. Ich denke manchmal nicht, bevor ich rede.", antworte ich lachend. „Sei einfach vorsichtig, was du rumerzählst!" „Was meinst du damit?", frage ich verwirrt. „Dass du vorsichtig sein sollst, was du in Reeds Gegenwart sagst." „Was hat das denn jetzt mit Reed zu tun?" Plötzlich höre ich ein lautes Knallen auf der anderen Leitung. „Ich muss gehen. Bis morgen!" Bevor ich noch irgendwas sagen kann, hat Kyle schon aufgelegt. Verwirrt schaue ich mein Handy an. Warum ist Kyle so genervt gewesen? Und was hat das Ganze mit Reed zu tun?

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