Ranea im Reich der Phantasien

1. Kapitel

,,Ach Liebchen, du hast ja Kreuzrute mitgebracht!'' Glücklich musterte die alte Dame die neugewonnenen Kräuter. Ranea lächelte. Auch wenn sie es hasste, von Lin 'Liebchen' genannt zu werden, so hatte sie auch große Achtung vor der kräuterkundigen Heilerin. ,,Im Wald gibt es Mengen von ihr! Ich hole gerne neue, aber zuerst muss ich noch jagen, für Garh.''                        Garh war der Metzger in Brillia, und er nahm es sehr genau, wann er neues Fleisch bekam. Ranea musste zurzeit helfen, wo sie konnte, sonst hatte ihre Familie nicht genug Geld. Die meisten im Dorf schätzten ihre Arbeit, und wenn Ranea einmal zufällig in der Nähe des Wirtshauses war, bekam sie oft auch ohne Arbeit einen Extralohn. Sie mochte dieses Geld nicht, doch solange es ihrer Familie half, nahm sie es an. Lin sortierte die Kräuter in Fächer, Schachteln und Dosen ein und meinte: ,,Natürlich! Du hilfst aber auch überall!'' Sie lachte, und Ranea lachte mit. ,,Tut mir leid, ich muss nach Hause, meine kleine Schwester braucht Abendessen!'' ,,Du kannst doch nicht gehen! Was ist mit deinem Lohn?'' Dankbar nahm das Mädchen das Geld an, verabschiedete sich und lief nach Hause. Brillia war auch zur Abendzeit wunderschön. Die vielen kleinen Häuser hatten etwas ruhiges, nettes an sich. Doch Ranea durfte nicht zu lange herumgehen. Seitdem die Nortonen den Krieg begonnen hatten, war es unsicher auf den Straßen geworden. Sie hatten sich eine Liste mit Familien aufgestellt, auf der jeder aufgelistet war, der ihnen ihre ungerechten Steuern verweigerte. Raneas Familie stand mit vielen anderen darauf. Sie mussten sich nun hüten, denn ein Überfall auf sie war nicht unwahrscheinlich.                           Erschöpft kam sie letztendlich zuhause an. Schnell machte sie ihrer kleinen Schwester Aria ihr Abendessen - das hieß, Ranea gab ihr zwei Brotscheiben mit Butter. Butter war selten geworden, und um so mehr freute sich das fünfjährige Mädchen über das gute Essen. Nur dank Ranea konnte die Familie es sich leisten, solche Raritäten zu kaufen und ihr jüngstes Kind vernünftig und wohlgenährt aufzuziehen. Nach dem Aria aufgegessen hatte, brachte ihre Schwester die Kleine ins Bett und legte sich selber schlafen. Doch es klappte nicht recht. Draußen hörte man laute Stimmen. Sie seufzte. Schon wieder eine Streiterei. Das gab es häufig in Brillia seit den Nortonen. Ranea lauschte. Es ging wie so oft um Steuern, die nicht gezahlt werden wollten. Aber es lief immer auf das Selbe hinaus. Jemand beschwert sich, die Nortonen sind in der Überzahl, er wird abgeführt. Mitleidig sah das Mädchen dem Mann aus dem Fenster nach, der schreiend von den anderen weggetragen wurde. Sie hörte, wie er flehte, bei seinen Kindern bleiben zu dürfen. In ihr kochte Wut auf. Wie können sie es wagen, ihn von seine Kindern zu trennen? Vielleicht sterben sie deswegen, es sorgt ja keiner für sie. Sie setzte sich auf. Jemand musste etwas unternehmen! Als der Lärm verklungen war, schlich sie sich aus dem Haus und klopfte an der Tür des Mannes. Ängstlich öffnete ein kleines Mädchen die Tür. ,,Willst du uns auch festnehmen?'', fragte sie mit erstaunlich fester Stimme. Freundlich erwiderte Ranea: ,,Nein, sicher nicht. Wohnt eure Mutter bei euch?'' Die Stimme der Kleinen wurde ganz leise. ,,Sie ist vor zwei Jahren gestorben.'' Voller Mitleid sah Ranea das Mädchen an. ,,Komm, ich bringe dich erstmal zu mir. Ich weiß nicht, wie lange du bei uns bleiben kannst, aber vorerst können wir für dich sorgen.'' ,,Darf ich meinen Bruder holen?'' ,,Sicher doch. Für ihn finden wir auch Platz.''

Gemeinsam mit den Kindern schlich sie sich zurück. Leise holten sie sich Decken und Ranea bot ihnen Platz auf dem flauschigen Teppich in ihrem Zimmer, etwas besseres hatte sie vorerst nicht. Erst war es schwierig, mit ihnen im Zimmer zu sein, da sie sehr unruhig waren, doch irgendwann siegte die Müdigkeit und Ranea schlief ein.

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So, das war das erste Kapitel. Ich hoffe, euch gefällt es. Viel Spaß beim Weiterlesen!