5. Kapitel

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Wie gelähmt stand Ranea da. Ihr Kopf wurde schwer und vernebelt. Sie konnte nicht fassen, dass das hier real war. Stolpernd kam sie näher und gab schließlich alle Hoffnung auf, es könnte nicht das sein, wonach es aussah. ,,Aria'', flüsterte sie mit rauer Stimme. Vor ihrer Schwester fiel sie nieder auf die Knie. Da lag sie, so klein, so zart. Von den Flammen verzehrt. Geschunden. Und tot. In ihre Trauer mischte sich eine wahnsinnige Wut. ,,Aria!'', schrie sie erneut, dieses mal verzweifelt und wütend. Die Nortonen hatten ihre Schwester getötet! Sie blickte gen Himmel, in der wilden Hoffnung, irgendetwas würde besser sein, wenn sie den verkohlten Körper Arias nicht mehr sehen würde, nicht mehr in die glasigen Augen blicken müsste, nicht mehr das zarte Gesicht studieren könnte, das immer so voller glücklicher und lebensfroher Züge gewesen war. Doch es wurde nicht besser. Nichts wurde besser. Aria war tot. Und mit ihr ein Teil Raneas Herzens. Die Nortonen hatten ein Feuer gezündet, das den lebensfrohsten Menschen aus ganz Brillia vernichtet hatte. In ihrem Inneren bäumte sich etwas auf. Sie musste sich rächen! Für ihre Schwester und alles, was die zweite Phantasie ihnen weggenommen hatte. Nichts hielt sie nun mehr in Brillia. Sie würde losziehen und die Nortonen aufspüren. Sie würde sich einschleichen. Sie würde den Anführer umbringen, so wie er Aria umgebracht hatte. Sie würde... In ihrer Wut bemerkte sie zuerst nicht, wie Lias sich neben sie setzte. Erst, als er sie leicht anstupste, wurde Ranea aufmerksam. ,,Sie war deine Schwester, nicht wahr?'' ,,Mein ein und alles. Meine Mutter war schon immer ziemlich für sich. Ich und Aria, wir waren immer beieinander. Dass sie jetzt weg ist, das ist...'' Sie brach ab und starrte ins Nichts. Mitfühlend legte Lias seinen Arm um sie und zog sie zu sich. Dankbar lehnte das Mädchen sich an. ,,Ich werde sie rächen'', begann es leise. ,,Ich werde den Krieg stoppen, damit niemand mehr jemanden verlieren kann, den er so geliebt hat, wie ich meine Schwester geliebt habe.'' Wieder fing ihre Stimme an zu zittern. ,,Der Schmerz ist unbeschreiblich.'' Lias sah sie freundlich an. ,,Wenn du wirklich gehst, gehe ich mit dir.'' Unbeirrt von ihren großen Augen sprach er weiter. ,,Du hast hier niemanden mehr, und ich auch nicht. Meine Eltern sind gestorben, bevor ich sie kannte, ich bin ein Einzelkind, meine Ziehfamilie war mir nie nahe. Sie waren da und haben mich aufgezogen und ernährt, dafür bin ich ihnen auch wirklich dankbar, aber mehr ist da nicht. Niemand vermisst uns, wenn wir fortziehen. Niemand!'' In seinen Augen glänzte Abenteuerlust und Ranea bemerkte, dass sie diese etwas wiederspiegelte.

Lange saßen sie da und betrachteten Aria, bevor sie irgendwann damit begannen, in den Trümmern nach weiteren Verbliebenen. Sie versuchte, sich nicht davon beeinflussen zu lassen, doch Lias beeindruckte Ranea zutiefst. Er hatte ihre Familie und sie zuvor nie gekannt, und doch arbeitete er hart und kümmerte sich um sie. Bald kamen auch ein paar weitere Bewohner der Stadt, um beim Aufräumen zu helfen und zu trauern. Sie war ihnen zutiefst dankbar, und doch wünschte sich das Mädchen sehnlichst, sie würden einfach verschwinden. Sie vergessen lassen, dass ihre Schwester gestorben war. Sie einfach alleine lassen. Alleine. Zum Glück ging das Aufräumen durch sie schneller und bald zogen sie wieder ab. Erleichtert ließ sich Ranea auf einem großen Balken nieder, der früher ihr Dach gestützt hatte. Nun waren endlich wieder nur noch Lias und sie hier. Der Kummer schloss sich erneut um ihr Herz, eine Taubheit nahm wie schwarzer Nebel ihre Gedanken ein. Sie wollte sich wehren, sich wieder zu ihrer Schwester knien, ihr wieder gedenken. Doch der schwarze Nebel erfüllte ihren ganzen Körper, sie wurde schwach und ihr Blickfeld verschwamm. Kurz darauf sank sie sanft zu Boden und die Welt wurde schwarz.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 22, 2020 ⏰

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Ranea im Reich der PhantasienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt