Erschöpft kam Ranea spät am Abend endlich in Brillia an. Ihre Schultern waren schwer von der zu tragenden Last, erleichtert sah sie die Lichter und bald schon kam die Metzgerei das Metzgers Garh am Rand der Stadt in Sicht.
Nach kurzer Zeit stand sie vor der Tür und trat ein. ,,Mal Klopfen oder so'', brummte der leicht untersetzte Metzger. Das Mädchen musste sich bemühen, nicht die Augen zu verdrehen. ,,'schuldigung'', murmelte sie leise. Dann hievte sie das Reh auf die Theke und sagte wie gewohnt: ,,Hundert Lirren dafür.'' Garh sah sie an, als ob sie gesagt hätte, sie wäre eine Mischung aus Einhorn und Taure. ,,Wo denkst du hin? Fünzig!'' Fassungslos starrte Ranea ihn an. ,,Was? Aber es waren immer hundert Lirren für ein Reh! Meine Familie ist davon abhängig!'' Das Gesicht des Erwachsenen wurde knallrot. ,,Du kannst dich nicht einfach denken, ich könnte mit Geld um mich schmeißen! Deine Familie? Tja, dein Pech! Fünfzig Lirren, nicht mehr!'' Fast schon verzweifelt überlegte sie, wie sie den Metzger doch noch dazu bewegen konnte, ihr das ganze Geld zu geben, als sie einen scharfen Geruch bemerkte. War das etwa... Rauch? Auch Garh schien ihn zu riechen. Misstrauisch hielt er inne, um sicher zu gehen. Dann rief er energisch: ,,Schnell! Hier raus! Feuer! Es ist Feuer in der Stadt!''
Entsetzt stürmte Ranea aus der Metzgerei und stand vor riesigen Flammen, die ein Haus nach dem anderen gierig verzehrten. So schnell es ging, rannte sie durch das Feuer zum Brunnen, an dem die Wassereimer standen, die das Dorf für den Fall eines Brandes bereit hatte. Hektisch liefen Bewohner hin und her, um vielleicht irgendetwas zu retten. Das Mädchen hörte Fetzen wie: ,,Diese verdammten Nortonen'' oder ,,Brandstifter'' aus dem Trubel heraus. Die Nortonen also hatten das alles auf dem Gewissen. Wenn sie überhaupt eines hatten. Immer wieder versuchte Ranea, das Feuer einzudämmen, doch es wurde nur größer. ,,Mist, mist, mist!'', fluchte sie wütend und verzweifelt. So viele Leute verloren langsam aber sicher ihr Zuhause, ihre Angehörigkeiten, vielleicht sogar Teile ihrer Familie. Sie stellte ihren Eimer ab, rannte zu einem Jungen in etwa ihrem Alter und fragte: ,,Geht es dir gut? Du wirkst so erschöpft.'' Das klang roh und grob, aber er antwortete schwach lächelnd: ,,Sind wir das nicht alle? Ich bin in Ordnung, habe nur zu viel Rauch eingeatmet. Sorge dich lieber um dein eigenes Zuhause, das ist wichtiger als ich.'' Jetzt erst fiel dem Mädchen ihre Schwester wieder ein. ,,Aria!'', entfuhr es ihr. Keuchend sah sie in die Richtung, in der ihr Haus lag, doch die Sicht wurde ihr von Flammen versperrt. Der Junge legte nur den Kopf schief, sagte aber nichts und packte auch einen Eimer mit Wasser. Ranea überlegte panisch. Die Menschen brauchten sie hier. Aber Aria bestimmt auch! Um nicht noch länger sinnlos im Weg zu stehen, schnappte sie sich zuerst noch einen Wassereimer und löschte weiter. Vor Angst um ihre Schwester zitterte sie die ganze Zeit. Aber ich muss hier helfen, danach gehe ich nach Hause! Die Ungeduld machte sie fast blind. Zu ihrer Erleichterung bemerkte sie, dass die Flammen langsam kleiner wurden. Es würde noch lange dauern, bis sie vollends gelöscht waren, doch wenigstens erschien es nicht mehr komplett end- und sinnlos. Mit neuem Elan füllte und leerte Ranea ihren Eimer immer und immer wieder. Und immer kleiner wurden auch die Flammen, die mittlerweile eher kläglich an den Häusern züngelten. Zum Schluss war nur noch ein Haus in Brand, und sie vergewisserte sich, dass nun alles ohne sie funktionieren würde. Sie raste über den Sand und die Asche durch die Rauchschwaden, die noch nicht abgezogen waren, sah die Häuser an sich vorbeiziehen und merkte, wie sie langsam die Kontrolle über ihre Beine verlor. Rennen. Immer weiter rennen. Ohne Pause. Ihr Zuhause retten, wenn es noch etwas zu retten gab. Nach einer Weile bemerkte sie, dass Lias sie eingeholt hatte. Erst jetzt erkannte die Muskeln, die unter seiner verkohlten, zerschlissenen Kleidung hervorsahen. Obwohl ihn sicher nicht ihre Familie und ihr Haus trieben, die ja nicht einmal kannte, konnte er leicht mit ihr mithalten. Nur warum? ,,Was machst du hier?'', keuchte Ranea, bemüht, nicht das Tempo zu verlangsamen. Der Junge blickte ihr in die Augen. ,,Kannst bestimmt Hilfe gebrauchen.'' Sie versuchte, ihm dankbar zuzunicken, was sich während dem Laufen als sehr schwierig erwies. Als sie wieder nach vorne sah, kam endlich das Haus am Ende der Stadt in Sicht. Nach kurzer Erleichterung folgte allerdings das Entsetzen, denn darüber stiegen riesige schwarze Rauchfahnen auf. Was wohl alles zerstört war? Wenigstens brannte anscheinend nichts mehr. Beim Näherkommen erkannte sie etwas seltsames, schwarzverkohltes in der Asche auf dem Boden liegen. Sie verlangsamte ihr Tempo. Plötzlich kam ihr eine schreckliche Ahnung, was das dort war.
Ein unbeschreiblicher Schmerz bohrte sich in ihr Herz.
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Ranea im Reich der Phantasien
FantasyIm Reich der Phantasien herrscht Krieg. Die 15-jährige Ranea zieht los, um ihn zu stoppen. Wird sie im Kampf gegen die Nortonen gewinnen? Das wunderbare Cover ist von WolfoneWolfi. Dankeschön! [Angehalten wegen unüberwindbarer Schreibblockade]