Kapitel Eins - Bittersüßer Kaffee

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„Scheiße, der Kaffee ist alle." Voller Trauer sah ich die leere Kaffeekanne an, welche jetzt nur eine leere Plastikhülle ihrer selbst war. „Wo ist unser Praktikant?", fragte ich meine Kollegin, die allerdings nur ahnungslos mit den Schultern zuckte. Sollte ich etwa die Kaffeekanne auffüllen?
Erneut sah ich das Gefäß an. Nein, besser nicht. Einerseits wollte ich den Kaffee, andererseits war mein Dienstgrad doch zu hoch, um die braune Brühe zu holen. Für so etwas hatte man einfach Praktikanten. Leise seufzte ich auf, trottete also wieder zurück zu meinem Arbeitsplatz und nahm einen Schluck von der Sojamilch, die ich immer dabeihatte. Beinahe schon gelangweilt sah ich mich in dem Büro um. Wie teilnahmslos und leer manche auf die Bildschirme ihrer Computer sahen. Nun, ich konnte es irgendwie nachvollziehen. Immerhin zog diese Arbeit einfach in einen tiefen Abgrund, wenn man nicht aufpasste. Jedoch hatte ich einen äußerst angenehmen Partner in diesem Job.

„Phil!", grüßte ich grinsend, als mein Kollege schließlich vor mir stand. Mit Mühe sah ich zu ihm hoch, war ebenfalls ein Hüne, sowie gefühlt alle meiner männlichen Kollegen. Nun, alles hatte so seine Vor- und Nachteile. Immerhin konnte ich mich leichter durch Lüftungsschächte, oder auch mal für jemand Jüngeres bei einem Undercover-Einsatz ausgeben.

Mit seiner Hand strich sich Phil durch das rötliche Haar, welches schon teilweise helle Stellen aufwies. Der Jüngste war er nicht mehr, aber einer der Besten hier. „Na, Anthony? Bist du den Ärzten solange auf den Sack gegangen, bis sie dich gehen lassen haben?", fragte er grinsend, bevor er mir durch die Haare wuschelte.

Unter seiner Berührung zuckte ich kaum merklich zusammen und mit einem Mal bemerkte ich, wie mir schlecht wurde. Als ob man mir in den Magen getreten hat. Ich wollte mich an den Vorfall nicht erinnern, weswegen ich seine Aussage einfach mit einem breiten Grinsen kommentierte und noch ein „sozusagen" dazu murmelte.

„Aber wie ich sehe, scheint alles gleich geblieben zu sein. Immerhin sind scheinbar noch alle ziemlich frustriert von dem Job zu sein. Verständlich irgendwie." Erneut sah ich mir die Kollegen, sowie Kolleginnen an. Die meisten verzogen keine Miene, während sie entweder mit irgendwelchen Akten oder ihren Computern beschäftigt waren. Dunkle Augenringe schmückten ihre Gesichter ...

„Sollten Sie nicht noch in der Reha sein?", erklang eine Stimme, welche mir nur allzu bekannt vorkam. Langsam drehte ich mich um, sah in die nussbraunen Augen meiner Vorgesetzten.
Sofort stellten sich sämtliche Nackenhaare bei mir auf, als sich ihr scharfer Blick regelrecht durch meine Haut bohrte. „Die habe ich frühzeitig beendet, Chef", erklärte ich, bemerkte, wie sich mein Herzschlag beschleunigte. Normalerweise hatte ich kein Problem mit ihr, aber wenn sie wütend war, glich sie einer Mischung aus einer Furie und dem Hulk. „Aber ich habe schon ein psychologisches, sowie ärztliches Gutachten auf Ihren Schreibtisch gelegt", fügte ich hinzu, um wenigstens zu versuchen, die Lage noch zu beruhigen, bevor ein Feuer ausbrechen würde. Immerhin wollte sich niemand mit ihr anlegen, auch wenn sie eigentlich eine nette Frau war.

Ihre Gesichtszüge wurden etwas weicher. „Ich werde sie mal untersuchen. Aber erstmal werden Sie das Büro nicht verlassen, verstanden?" Ihr strenger Ton machte mir deutlich, dass sie keine Widerworte dulden würde. Fürs erste zumindest.
Leise seufzte ich auf, aber nickte schließlich geschlagen. Wie widerlich. Büroarbeit war einfach das schlimmste, was man jemandem antun konnte. „Ja Boss", murmelte ich, ließ mir Zeit, als ich mich langsam wieder nieder auf den Stuhl setzte.

„Zu Schade. Ich wäre gerne mit dir wieder auf Streife gegangen und hätze dieses ekelhafte Junkfood mit dir gegessen", meinte Phillip mit einem leisen Seufzen. Seine grünlichen Augen sahen mich bedauernd, sowie irgendwie mitleidig an, weswegen ich die Augen verdrehte.
Mich kotzte es einfach an, wenn jemand Mitleid mir gegenüber zeigte. Vielleicht wollte ich auch deshalb so schnell wie möglich aus der Reha raus und habe mir einfach paar Rezepte für Physiotherapie verschreiben lassen. Ein Vorteil, wenn man Privatpatient war: Man bekam so gut wie jeden Wunsch von den Lippen abgelesen.

Mann gegen Mann | till lindemannWo Geschichten leben. Entdecke jetzt