Ein Knall.
Plötzlich verschwand der Druck an Kazuhas Hinterkopf und sie hörte, wie der Kerl hinter ihn zusammen sackte. Verwirrt blinzelte Kazuha ein paar Mal und wagte es erst dann, sich umzudrehen.
Tatsächlich. Ihr Entführer lag ausgestreckt am Boden, die Haare an seinem Scheitel hatten sich rot verfärbt. Aber wie?
Von dem Schock, der immer noch tief in ihren Knochen steckte, ganz benommen, löste sie den Blick von dem Mann und sah sich um. Augenblicklich weiteten sich ihre Augen.
"Hei-Heiji!", sie konnte es nicht fassen und kurz glaubte sie, dass ihr Gehirn ihr bloß einen Streich spielte. Er war doch... "Du lebst!" , brachte sie unter Freudentränen heraus. "Heiji du lebst!"
Sie wollte aufstehen, auf ihn zugehen und ihn umarmen. Ihn endlich wieder halten und ihn fragen wie es dazu kam, dass er nun hier stand, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht. Sie versuchte es nochmal, doch sie fühlten sich an wie aus Wackelpudding und es war ihr unmöglich auf diesen zu stehen.
Sie versuchte es also auf andere Weise.
"Heiji, wie-..." , erneut geriet sie ins Stocken. Heiji hatte bisher kein Wort von sich gegeben und sah auch nicht besonders gut aus. Natürlich nicht. Immerhin hatte ihn Kazuha bis vor kurzem noch fast für Tod gehalten! "Heiji geht's dir gut?" Sie sah besorgt in sein blasses Gesicht. Er atmet schwer und sein Blick schien wie erstarrt.
"Heiji-"
Dieser schüttelte auf einmal gequält den Kopf. Er zitterte und schließlich drang doch etwas aus seinem Mund: "Ha- Hab ich...?"
Nun fiel es Kazuha wie Schuppen von den Augen. Sie hatte es bisher übersehen, aber Heijis Blick haftete die ganze Zeit über auf dem leblosen Körper am Boden, während seine Hände verkrampft um ein silbernes Stück Rohr lagen. Ein silbernes Stück Rohr, von dessen Ende nun Blut tropfte.
Schnell wandte sich Kazuha zu dem Mann und legte ihm zwei Finger an die Halsschlagader, dann atmete sie beruhigt aus. "Er lebt."
In Heijis Augen zeichnete sich die Erleichterung deutlich ab, als er Kazuhas Worte vernahm. Langsam sanke er Richtung Boden, während das Rohr laut scheppernd auf diesem aufkam und bis an den Rand eines Regals kullerte.
Bei diesem Anblick schaffte es Kazuha nun endlich gerade zu stehen und wenige Sekunden später kniete sie neben ihm und versuchte ihn so gut es ging zu stützen. "Heiji, wir müssen hier raus.", flüsterte sie leise und vorsichtig. Er reagierte nicht. "Bitte, Heiji." Erneut drohten die Tränen in ihren Augen aufzusteigen, aber sie unterdrückte sie mit aller macht. Sie durfte jetzt nicht weinen, jetzt musste einmal sie stark sein.
Schon wieder hatte er sie gerettet, dabei war er vermutlich gerade erst aus seinem komaartigen Zustand aufgewacht und musste sich innerhalb kürzester Zeit orientieren. Es wäre unfair die restliche Last nun auch noch auf ihm abzuladen, auch wenn sie ihn gerade brauchte.
Die langen Tage, durch die sie sich in der Kiste gequält hatte, waren nämlich auch nicht spurenlos an ihr vorbeigegangen. Nicht nur seelisch. Jetzt, wo die unmitellbare Gefahr abewandt war, fing sie langsam an Schmerzen in all ihren Gliedern zu spüren. Die Zusammengekrümmte Haltung war nicht die Optimalste für so einen langen Zeitraum gewesen. Auch brummte ihr der Schädel von dem Wassermangel und wer weiß noch was für Dingen, die ihr fehlten. Hunger war sicherlich nicht das Schlimmste davon.
Wie gerne hätte sie sich jetzt also einfach nur zurück gelegt und darauf gewartet, dass sie jemand rettet, oder sich von selbst ein Weg nach Draußen auftat. Aber sie war nicht dumm, dass würde es nicht und Heiji, dem sicherlich etwas eingefallen wäre, war derzeit nicht ansprechbar. Verübeln konnte sie es ihm nicht, denn trotz dem, was sie durchgemacht hatte, konnte sie sich wohl auch nur im Entferntestesn vorstellen, wie es ihm ergangen war, dem es um einiges schlechter erwischt hatte. Im Licht betrachtet, wirkte seine Wunde am Kopf noch viel bedrohlicher.
"Heiji, komm mit." Vorsichtig packte sie ihn an den Armen und versuchte ihn aufzurichten, was sich angesichts ihrer eigenen kraftlosen Beine, als ziemlich schwierig herausstellte. Zumindest schienen aber ihre Versuche langsam zu ihm durchzudringen und er erhob sich von selbst, was Kazuha mit einem dankbaren Blick quittierte. Seine Augen schienen immer noch vernebelt und er verzog bei jedem Schritt den Mund, als würde er ein Erdebeben in seinem Kopf auslösen. Vermutlich war dem auch so, aber sie konnte jetzt keine Rücksicht darauf nehmen. Sie mussten schleunigst aus diesem Gebäude entkommen, oder es sah noch schlechter für sie aus, als zuvor. Eine Vorstellung, die sie zu Höchstleistungen antrieb.
Sie schaffte Heiji bis zur anderen Seite des Raumes und lehnte ihn dort vorsichtig mit dem Rücken gegen ein Regal. Hier würde man ihn zumindest nicht so schnell entdecken, sollte doch noch jemand beschließen hier einmal nach dem Rechten zu sehen. Nachdem sie sich auch vergewissert hatte, dass er dort gerade sitzen bleiben würde und nicht in nächster Zeit zusammenklappte, begann sie die Halle zu erkunden.
Wie sich herausstellte, gab es drei Türen, die von diesem Raum ausgingen. Die eine rechts von ihr, hatte sie ja bereits ausprobiert. Die ihr Gegenüberliegende auf der Linken Seite, stellte sich zu ihrer Enttäuschung ebenfalls als abgesperrt da. Nun blieb nur noch zu hoffen, dass es mit der letzten Tür nicht dasselbe war. Dann wären sie nämlich kein Stückchen weiter als zuvor, nur der Käfig, in dem sie gefangen gehalten wurden, hätte sich vergrößert.
Mit zitterndern Hand und bebenden Lippen umfasste sie den Türgriff, der über ihr weiteres Schicksal entscheiden würde.
Ein überraschter Aufschrei entfuhr ihr, als sich dieser Tatsächlich nach unten drücken ließ. Ihr Herzschlag hatte sich um einiges beschleunigt und sie wollte gerade vor Freude und Erleichterung jubeln, als die Tür ganz aufsprang und alles in ihr zusammensackte.
Nein..., dass durfte nicht sein. Nicht so..., nicht nachdem sie sich mit so viel Mühe freigekäpft hatten...
Mit leerem Blick sah sie in die Abstellkammer vor sich.
Das war nicht fair.
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Käfig: Tage in der Dunkelheit
FanfictionWie soll man fliehen, wenn man nicht einmal mehr weiß, wie viel Zeit vergangen ist? Wenn Dunkelheit das einzige ist, dass man zu Gesicht bekommt. Wenn die Hoffnung längst verloren ist...