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Mares

Es war surreal. So schier surreal. Nun saßen wir hier. Schweigend. Seit genau sieben Minuten und achtundvierzig Sekunden. Woher ich das wusste? Ich konnte den Blick nicht von der nun interessanten Uhr wenden. Und nicht wollte. War sie wirklich hier?

Direkt auf meinem Bett? Kurz schossen mir Bilder durch den Kopf, wo wir uns da geliebt hatten. Jedes Mal. Es war unbeschreiblich. Jedoch saß sie heute versteift auf dem blauen Bezug. Ob sie dasselbe dachte?
Keine Ahnung. Ich hatte den Überblick verloren. Über mich, über sie. Obwohl...hatte ich Ruby jemals gekannt? Ich zweifelte daran.

„Ich-Mares. Sag' doch bitte etwas", unterbrach ihre dünne Stimme die eklige Stille. Ich wollte nichts sagen. Ich konnte nichts sagen. Ich habe es noch nicht mal geschafft, in ihre braunen Augen zu sehen. Wie sollte ich dieses Gespräch denn nur führen? Ich wusste, wir sollten es wenigstens klären, aber das fand ich absurd. Wir hatten nichts mehr zu bereden. Sie hat mich für einen anderen sitzen gelassen! Ich sollte der Mensch sein, der wenigstens etwas Mitleid bekäme! Nicht sie!

„Was verlangst du von mir, Ruby? Es ist aus, seitdem du deinen Chase vor meinen Augen geküsst hast und du nicht mehr Zeit für mich hattest. Also, was machst du hier?" Früher als gedacht hatte ich meine Stimme angehoben und ließ darin all meinen Schmerz und meine Verachtung sinken. Sie sollte wissen, dass ich keine Lust mehr auf sie hatte. Dass ich keine Kraft mehr habe.

„Ich...Scheiße! Es tut mir leid, ja? Das ist einfach nur widerlich, wie ich dich behandelt habe. Aber verstehe doch, es lief nicht meh-" Ich unterbrach sie harsch, „Ach? Dann dachtest du: ,Ich renne mal zum anderen Kerl und lasse mich ficken.' Verdammt, ich habe meinen besten Freund verloren! Ich hätte jede Stütze benötigt, und deine war mir am wichtigsten. Doch du hast dich verkrochen und halfst mir nicht. Kein. Bisschen."

Wieder baute sich die eisige Stille um uns aus. Wieder wollte ich meine Augen nicht von der Uhr nehmen. Und wieder wollte ich sie rausschmeißen. Aber ich ließ es. Es oder das Etwas, was sie dachte, dass es noch zwischen uns existierte, musste nun endgültig zerstört werden. Es musste so sein.

„Weißt du Ruby, ich habe versucht dir zu verzeihen. Lange- habe sogar mir Vorwürfe gemacht. Doch dann wurde mir einiges klar. Es würde zwischen uns nie passen, wird es auch nicht. Also lassen wir das hier und du gehst deinen Weg mit Chase." Waren die Worte verständlich? Ich hoffte, dass sie nun verstand, dass sie hier unerwünscht war.

„Ich habe direkt schlussgemacht mit Chase. Bitte...Mares, ich liebe nur dich!", rief sie schon fast hysterisch herein. Gut, dies überstrapazierte meine Nerven. Meine Augen wanderten zu ihr.

„Es ist mir egal, Ruby." Dann stockte ich. Meine Ex-Freundin sah ziemlich müde und kaputt aus. Rote Wangen, knotiges Haar und Bleiche Haut. Und plötzlich gefiel mir das, was ich sah. Ruby litt anscheinend so wie ich es tat. Und irgendwie befriedigte es mich. Das Karma schien wirklich immer jeden zu beglücken.

„Ich möchte, dass du jetzt gehst", ohne weitere Emotionen zu zeigen, öffnete ich meine Zimmertür und ging gemächlich die Stufen nach unten. Ruby kannte sich hier besser denn je aus. Also sorgte ich mich nicht weiter um sie.

Selbstverständlich liebte ich sie noch.

Selbstverständlich wollte ich sie in meinen Armen halten.

Aber manchmal musste man loslassen können und das war eines der schönsten, fremdesten oder schmerzhaftesten Gefühle aller Zeiten.

Es war, als würde man sein Zimmer neu gestalten, eine neue Playstation gegen die alte austauschen.

Es tat mir gut.

Ruby erlangte mich unten und sah mich noch einmal flehend an. Ich tat es wahrscheinlich auch. Dann öffnete ich die Haustür. Es war, als würde ich sie gehen lassen. Als würde ich einen neuen Lebensabschnitt eingehen.

„Ich hoffe, du bist jetzt zufrieden, Ruby."

-•-

The End

Satisfied | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt