27.

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"Zwei schlechte Neuigkeiten für dich", meldete er sich leicht ermattet und besiegelte das, womit ich gerechnet hatte. "Sie ist schwanger..."

"Ja, ist sie", bestätigte mein Freund, "Eindeutiger geht es nicht, sie ist schon in der zehnten Woche und mich wundert es eher, dass sie bisher noch keine Schmerzen gehabt hat! Denn stell dir vor-!" Eine dramatische Pause folgte, ich wartete irritiert. "Es werden Zwillinge! Der Sechser im Lotto!"

"Ach du Schande...", murmelte ich und musste mich setzen. Doppelter Bauchumfang wie ich, doppelte Tritte, Essen für Drei; Und das alles, nachdem ihr erklärt worden war, sie wäre unfruchtbar... Was für ein Zufall konnte das bitte sein? "Ist sie... geht es ihr gut?"

"Sie ist in Freudentränen ausgebrochen, als ich ihr die beiden Köpfchen auf dem Ultraschall gezeigt habe. Und Hagen sah aus, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Aber... das heißt, wir können ihr nicht auch noch unser Baby anvertrauen, sie wird sicher schon mit zwei Kindern leicht überfordert sein."

Wie ich es mir gedacht hatte. Der Deal war einfach zu gut gewesen, um reibungslos zu funktionieren. "M-hm. Luke, kannst du dann bitte so schnell wie möglich Johanna kontaktieren?"

"Niki, ich-"

"Und mit ihr ein Treffen ausmachen, wenn sie zusagt!"

"Warte kurz, können w-"

"Und wenn nicht, d-dann geben wir Marie und Tom nochmal eine Chance! Sie hatten bestimmt nur einen schlechten Tag gehabt, vielleicht eignen sie sich ja doch als Eltern und-"

"Niki!!" Ich stoppte mich und realisierte erst da, dass Luke bereits zweimal versucht hatte, mir etwas wichtiges zu sagen. "Ja?", fragte ich also zaghaft.

"Beruhige dich bitte. Denk an das Baby. Wenn du gestresst bist, dann fühlt es das und wird auch gestresst. Wir schaffen das schon, wir finden rechtzeitig eine wunderbare Familie und alles wird gut, vertrau mir! Ich muss gleich weiter arbeiten, wir sehen uns heute Abend. Mach nichts dummes, okay?"

"Mach ich sowieso nicht", wollte ich zurück witzeln, aber es klang einfach nur deprimiert, bevor ich auflegte und begann, an die Wohnzimmerdecke zu starren. Kathrin und Hagen, die besten Eltern die ich mir für das Baby hätte wünschen können, waren plötzlich von der Liste entfallen und kamen nicht mehr in Frage. Alle Ordnung in meinem Kopf war aus den Fugen geraten. Es hatte so schön gepasst und nun konnten wir mit unserer Suche quasi von vorne anfangen... Passend, wie so oft schon in meinem Leben.

Aber ohne Luke konnte ich jetzt eh nichts machen. Ich hatte zwar noch die ungefähren Fahrten zu Johanna und Marie im Kopf, doch selber Auto fahren traute ich mir in meinem aktuellen Zustand nicht mehr sicher zu. Und die Handynummern hatte halt nur mein Freund, er würde sie anrufen müssen. Ich war zum Nichtstun verdammt und zum ersten Mal seit ich hierher gezogen war, störte mich die lange Zeit alleine ungemein.

Wie aufs Stichwort klingelte plötzlich mein Handy, aber als ich aufs Display schaute, verschlechterte sich meine Laune automatisch. Marco. Schon wieder. Was wollte der Scheißkerl jetzt? Ach, eigentlich interessierte es mich gar nicht, bestimmt würde es die selbe Show wie vor ein paar Monaten werden. Und die negative Energie von ihm war das letzte, was ich heute noch gebrauchen konnte! Ohne abzuheben drückte ich auf den roten Hörer und lächelte grimmig. Tja, tschau Marco. Du hast es dir mehr als nur vergeigt mit mir! Zweimal versuchte er es noch in der nächsten Stunde, zweimal drückte ich ihn zunehmend genervter weg und überlegte mir bereits, ihn beim nächsten Anruf anzubrüllen, dass er ich mal konnte, aber danach blieb es still von seiner Seite. Er hatte die Nachricht wohl verstanden und es endlich aufgegeben. Hmpf, konnte mir nur Recht sein! Was hatte ich bloß vier Jahre lang an ihm gefunden? Seit unserer Trennung schien bereits eine Ewigkeit zu liegen, die diesen Mann in das komplette Gegenteil seines früheren Selbst verwandelte. Er war tatsächlich mal nett gewesen, ruhig und verständnisvoll, jemand auf den ich mich blind verlassen hatte, aber wenn er auch so anders werden konnte wie jetzt, was war daran jemals echt gewesen? Nicht viel, schätzte ich.

Einige Minuten später entschloss ich mich, Tizia anzurufen und ihr von allem zu erzählen, was die letzten Tage passiert war. Ich hatte ihr bisher jeden Monat mindestens einmal Bericht erstattet, aber der heutige Tag war bereits zu viel gewesen und ich brauchte jemanden, der mir zuhörte und sagte, was ich nun tun sollte.

"Hey", meldete sie sich mit einem kurzen Lachen, "du hast Glück Niki! Meine Vorlesung ist ausgefallen, ansonsten hätte ich nicht rangehen können." Ups... Stimmt, jetzt wäre normalerweise ihre letzte Vorlesung für heute. Peinlich gerührt struppelte ich mir durch meine mittlerweile viel zu langen Haare. "Hehe, hab ich ganz vergessen... Uhm, hast gerade Zeit und Nerven für mich? Mir gehts nicht so gut."

Sie hatte Zeit und hörte mir geduldig zu, während ich von allem erzählte. Oder fast allem, die vergeblichen Anrufe von Marco ließ ich raus, das war nicht so wichtig. Ab und zu machte Tizia leise Geräusche als Zeichen, dass sie verstanden hatte und am Ende schwieg sie kurz. "Weißt du was? Ich finde, Luke hat Recht, auch wenn du das bestimmt nicht gerne hörst. Du hast noch über zwei Monate bis das Baby kommt, und auch danach könnt ihr noch die richtige Familie suchen. Es rennt euch ja nichts davon und, naja, vielleicht solltet ihr wirklich warten, bis das Kind da ist!"

"Warum das?", fragte ich verwundert.

"Was wenn ihr es doch behalten wollt?"

"Wollen wir nicht", erwiderte ich ein wenig zu schnell und zu hastig, "Deswegen suchen wir ja nach Ersatzeltern!"

"Bist du dir da ganz sicher?" Tizias Stimme klang traurig. "Was wenn es ein super niedliches Baby wird?"

"Dann ist es immer noch von Marco..."

"Und wenn es gar nicht nach Marco kommt?"

"Auch dann nicht", brummte ich und stützte mein Kinn auf meine Hand auf. Diese Frage wurde langsam aber sicher belastend für mich. Schien nur niemand zu verstehen, dass der Schaden bereits angerichtet war und - egal was noch kam - der Vater unverändert der gleiche blieb? "Okay...", räusperte sich Tizia und versuchte, wieder ein wenig positiver zu wirken, "Dann frag Luke heute Abend nochmal, ob er den anderen Leuten Bescheid sagt. Er macht das schon ordentlich, da bin ich mir sicher. Und du suchst dir irgendetwas, womit du dich ablenken kannst, ja? Du klingst nämlich ziemlich fertig, Brüderchen."

Ich fühlte mich auch erschöpft, irgendwie nahmen mich solche Sachen zurzeit sehr viel leichter mit als früher noch. Auch so eine Sache, die ich auf die Schwangerschaft schob. "Okay, mach ich. Danke Tizia. Ich schreib dir später nochmal", verabschiedete ich mich von ihr. Aber wirklich schlauer als vor dem Anruf war ich danach immer noch nicht.

Der Deal (mPreg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt