Kapitel 1: Blut ist dicker als Wasser

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Lübeck,
März

Es war immer noch frisch auf den
Straßen von Lübeck. Er hatte kein bestimmtes Ziel, streifte umher, versuchte
einen klaren Kopf zu bekommen. Sie würde bald eine Entscheidung verlangen...
Seine Eltern hatten ihm ja nie etwas gesagt, wie also hätte er so etwwtas ahnen sollen?
Gerade war er 18 geworden, da stand plötzlich dieseeine ältere Frau vor der Tür seiner
Maisonette-Wohnung und behauptet sie wäre seine Großtante. Dass, was sie ihm dannach
erzählt hatte war noch zu wirr in seinem Kopf um einen Gedanken darüber zu
fassen. Er hatte keine Großtante, nur seinen Großvater väterlicherseits hatte
er noch gehabt. Er war sein Vormund, bis er im Januar ebenfalls verstarb. Von
dem was seine Eltern hinterlassen hatten konnte er gut leben, bald wollte er
anfangen zu studieren. Das was diese Fremde ihm da plötzlich dargelegt hatte
konnte er nun wirklich nicht gebrauchen.

Es war der Morgen seines
Geburtstages, vor drei Tagen, gewesen. Er hatte nicht vorgehabt ihn zu feiern,
zu nah war noch der Tod seines Großvaters. Um 9 Uhr hatte es dann plötzlich
geklingelt, verwundert hatte er sich zu Tür begeben. Als er öffnete sah er in
das Gesicht einer vermutlich Anfang 60jährigen. Sie hatte graue Augen und
weißes Haar, außerdem Fältchen an den Augen und um den Mund, aber weniger
Falten als man es bei einer Frau ihres Alters erwarten würde, weiterhinaußerdem trug sie teure Klamotten und ein Perlencollier.
Er fühlrte
sich von ihrer Gegenwart eingeschüchtert und ihr tadelloses Erscheinungsbild
verunsicherte ihn. In  grauen Jeans und schwarzem Pulli, nur auf Socken
und die braunen Haare noch zersaustzerzaust, machte er vermutlich nicht viel her. "Hallo
Theo." Alleine, dass sie seinen Namen kannte, obwohl er sie noch nie
gesehen hatte, ließ in ihm den Reflex aufflackern die Tür wieder zu schließen,
doch als er abwägteabwog das zu tun registrierte er, dass sie einen ihrer eleganten
Stiefel bereits geschickt in der Tür platziert hatte. "Ich bin Herzogin
Beátrice Dorothéa de la Pallée, aber du kannst mich einfach Großtante
Beátrice nennen." Er war verwirrt. "Entschuldigung Madame, müsste ich
sie kennen?", fragte er daher vorsichtig. Sie antworte zunächst mit einem
nasalen Lachen ehe sie sagte: "Nein, wie solltest du auch. Aber ich weiß
einiges über dich und ich habe dir einiges zu erzählen was du noch nicht über
dich weißt. Und: Ich würde es sehr begrüßen wenn wir dieses Gespräch drinnen
führen könnten." Dem letzten Satz unterstrich sie mit einem leicht
schmalen, aber bestimmten Lächeln. "Entschuldigen sieSie Madame aber meine
gesamte Verwandtschaft ist tot und da ich sie nicht kenne, habe ich nicht die
Absicht sie herein zu bitten." Langsam hatte er genug von dieser Frau!. Doch alles was sie
dagegen hielt war ein weiterer Lacher "Tja mit so etwas
hatte ich gerechnet, den Starrsinn hast du von deiner Mutter." Mit diesen
Worten zog sie ein Blatt Papier aus ihrer  Handtasche. "Schau, dies ist eine Kopie des Familienstammbaumes."
Er kannte dieses Dokument, hatte es schon oft gesehen: Als Erstes fiel sein
Blick auf das Porträt seiner Mutter. Von ihr ging eine Linie nach oben zu
seiner Großmutter die mit ihrem Mann verbunden war und von seiner Mutter ging
auch ein Strich nach links zu ihrem Mann, seinem Vater. In der Mitte dieser
Linie spaltete sich eine weitere Linie ab die zu ihm führte. Bis dahin war
alles wie gewohnt, doch damit hörten die Ähnlichkeiten auch schon auf. Statt
des Familiennamens seiner Mutter, nämlich Anderson, stand unter ihrem Porträt
und dem Porträt seiner Großmutter "de la Pallée" genauso wie unter
einem weiteren Bild das an einer Linie von seiner Großmutter
nach rechts hing, also BlutsverwandschaftBlutsverwandtschaft, und das er
wage mit der Frau vor ihm in Verbindung brachte. "Fälschung", war
alles was er rausbrachte, "Das ist eine Fälschung. Ich
kenne das Original, habe es beim Notar eingesehen. Das ist nicht das echte
Dokument." Jetzt bildete sich eine tiefe Falte zwischen den Augenbrauen
der Dame "Falsch, dies ist das Original, ein Ausschnitt eines von uns
angefertigten Stammbaumes. Was du gesehen hast ist eine geänderte Version, die
deine Mutter zu m unserem Schutz beim Standesamt eingereicht hat als sie deinen Vater
heiratete." Seine Kopf würde jeden Moment explodieren, er war mit der
Einschätzung dieser Situation dermaßen überfordert, dass er sich nicht einmal
wehrte als sich diese "Herzogin" an ihm vorbei in seine Wohnung schob
und auf einem Sessel in seinem Wohnbereich Platz nahm.

Was nun folgte war derart absurd und
unwahrscheinlich, dass er Beátrice einfach reden ließ. Sie erzählte ihm, dass er
zu einer uralten Adelsfamilie gehöre, deren Blutslinie sich einmal quer durch
die royalen Häuser Europas erstrecke und die angeblich in den letzten 2000
Jahren im Hintergrund maßgeblich an der Leitung und Gestaltung der Welt
beteiligt war. Außerdem erzählte sie von weiteren Adelshäusern die mit dem
ihren und mit einander um die Vorherrschaft auf der Welt kämpften. Sie gab ihm
Beispiele wie diese Leute angeblich agierten: Beeinflussung von Politikern,
massive Streuung von Gerüchten die so mächtig waren, dass sie Teil der
Geschichte wurden, Förderung von Talenten und Errungenschaften, Drahtzieherei
in Konflikten. Natürlich alles im Hintergrund, im Verborgenen. Als sie ihre
Ausführungen beendet hatte ließ sie ihm einige Dokumente da, die ihre Aussagen
bekräftigten und "belegten". Sie bot ihm an Teil dieser Familie zu
werden, mächtig, einflussreich und versprach seine Eltern hätten etwas für ihn
hinterlassen das einiges erklären würde- oder aber zu verzichten und
nie wieder von ihr behelligt zu werden. Sie sagte er habe drei Tage sich bei
ihr zu melden und hinterließ ihre Karte.

Nun waren drei Tage um und Herzogin Beátrice
Dorothéa de la Pallée würde heute seine Entscheidung erwarten, nur hatte er
keine Ahnung wie diese aussehen würde...

Am Morgen
des vierten Tages klopfte es abermals an Theos Tür. Er öffnete, diesmal ein
bisschen ordentlicher angezogen –wenn man ein lockeres weißes Hemd über einer
blauen Jeans als ordentlich bezeichnen konnte, wenigstens hatte er sich die
Haare gekämmt- und mit wachen grünen Augen, die Tür. Vor ihm stand wie erwartet
Madame de Pallée, in einem wetterfesten beigen Cape, das an jeder anderen
wahrscheinlich einfach nur zweckmäßig ausgesehen hätte, bei ihr allerdings
einen gewissen Stil hatte, und lächelte ihn an. „Kommen sie doch rein.“,
empfing Theo sie wenig herzlich. Er schaffte es nicht ganz die Skepsis in
seiner Stimme zu unterdrücken. Beátrice ging mit bestimmten Schritten in seine
Wohnung und blieb mitten im offenen Wohnbereich stehen: „Also? Wie lautet deine
Entscheidung?“ Puh,
sie redet nicht um den heißen Brei herum, dachte Theo. „Woher weiß ich, dass sie mich nicht auf den Arm
nehmen? Sie spazieren hier rein, halten mir ein Blatt Papier unter die Nase und
dann soll ich mich irgendeinem Geheimclub anschließen?“, platzte er heraus.
Beátrice wirkte verbissen, sie ging ein paar Schritte auf und ab bevor sie ihm
antwortete: „Kein Geheimclub, ich biete dir die einmalige Möglichkeit in die
Aktivitäten unserer Familie einzusteigen, der du nebenbei bemerkt bereits
angehörst. Aber bitte, wenn du einen Beweis brauchst, komm mit.“ Und damit
machte sie auf dem Absatz kehrt und schritt aus seiner Wohnung hinaus. Noch ein bisschen mehr
Melodramatik bitte, ärgerte er
sich in Gedanken über diese dreiste Frau. Doch dann nahm er seinen Mantel und
folgte ihr ins Treppenhaus.

Vor dem
Gebäude hatte bereits ein Wagen auf sie gewartet, der sie eine Weile durch
Lübeck fuhr, Gott allein wusste wohin. Beátrice sagte die ganze Fahrt über kein
Wort, und in seinen Gedanken versunken bemerkte Theo erst viel zu spät wohin
sie mit ihm wollte, und im dem Moment in dem im dieser Gedanke kam fuhren sie
auf einen Parkplatz vor einem dreistöckigen Backsteinhaus in der Speicherstadt.
Wie in Trance folgte er Beátrice in das Gebäude. Er musste nicht nachdenken,
wusste instinktiv wo er lang musste: Durch den Eingangsbereich, in den Aufzug,
3.Stock. Als die Fahrstuhltüren auseinander glitten blickte er auf den so
vertrauten Empfang mit der großen gravierten Messingplatte hinter dem Tresen „Mattis Weiss & Partner
– Anwaltskanzlei und Notariat“. Die
Kanzlei seines Onkels. Sein Vater hatte nie ein besonders gutes Verhältnis zu
Mattis gehabt, aber er hatte dessen Kanzlei sein Testament aufsetzen lassen.
Theo hatte Mattis zum ersten Mal bei der Testamentsvollstreckung gesehen

De La Pallée - reich, mächtig, unberechenbarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt