Ich wirbelte herum. Anabel Scott stand in all ihrer Pracht vor mir und lächelte amüsiert.
„Tretet ein", sagte Sherlock und trat zu Seite, um mir Platz zu machen.
„Was?! Wieso denn keine?", fragte ich verwirrt.
„Meine Liebe Liv. Du hast nicht mal über die Information nach gedacht, die dir diese Holmes-Kopie aufgetischt hat."
Ich starrte sie immer noch entgeistert an.„Ein Schiff schwimmt immer auf dem Meer und steigt dem entsprechend mit der Flut mit. Das war eine Fangfrage, das hättest du auch mit etwas mehr Geduld und Verstand gewusst", lachte sie, mit ihrem spöttischem Lachen.
Anabel machte Anstalt ihren Weg fortzufahren.
„Danke", murmelte ich nach kurzem zögern.
Unsere Beziehung war in den letzten Monaten von Feind zu Gesellen geschritten, sodass wir eine Art Waffenstillstand ausgemacht haben. Auch Henry und Grayson hatten sich geeinigt.
Anabel verschwand mit einem geheimnisvollen Lächeln in den dunklen Gängen des Korridors. Einen Moment verharrte ich und guckte ihr nach. Schließlich bewegte ich mich durch die Tür und betrat Mia's Traum.„Stellt dir vor was Jasper mir gestern gesagt hat!", begrüßte mich Percephone bei meinem Spind.
Gestern im Traum meiner kleinen Schwester war nichts ungewöhnliches geschehen, sodass ich beschloss wieder in meinen Traum zu verschwinden. Auf dem Rückweg machte ich noch einen kleinen Abstecher zu Henry's Tür, die sich mittlerweile etwas weiter weg befand als vorher und probierte mein Glück mit dem Schlüssel, den Henry mir damals geschenkt hatte. Doch resigniert musste ich feststellen, dass sie verschlossen war. Ob er wohl bei was auch immer nicht gestört werden möchte?Ich musste ihr nicht antworten, denn sie redete direkt aufgeregt weiter.
„Jasper möchte einen Hund adoptieren und ihn zusammen mit mir großziehen! Ist das nicht romantisch?", sagte sie und seufzte tief.
„Das ist... toll", sagte ich und schloss meinen Spind. Seit Percephone mit Jasper sowas wie in einer Beziehung war, redete sie nur noch mehr über Jasper. Jasper hier, Jasper dort. Ob ich auch so war als das mit Henry noch frisch war? Schnell schüttelte ich den Gedanken aus meinem Kopf und ging mit ihr in den Unterricht. Heute sollte ein neuer Schüler aus Frankreich zu uns kommen. Percephone und ich hatten schon viel spekuliert, wie er seien können: groß, klein, braunhaarig, blond, Sommersprossen, Zahnspange...?
Hoffentlich war er nett, denn Mrs Fatsourakis hatte eine Gruppenarbeit angekündigt und uns schon voraussichtlich eingeteilt. Percephone und ich bildeten zusammen eine Gruppe. Wir hatten alles schon durchgeplant und sogar schon ein mögliches Werk gefunden.Kaum betraten wir den Klassenraum, ertönte die Schulglocke. Schnell huschten wir auf unseren Platz in die letzte Reihe und lauschten Mrs Fatsourakis. Neben ihr stand ein Junge, der höchstwahrscheinlich Franzose zu seien schien.
„Kinder hört mal her. Das ist Raphaël. Er begleitet uns dieses Schuljahr, aber mehr zu ihm könnt ihr von ihm selbst hören", sie machte eine verdeutlichende Bewegung zu ihm und nahm platz.
Er räusperte sich und sofort wurde es still.
„Hi, ich bin Raphaël, 18 Jahre alt und komme aus Montpellier. Ich spiele Rugby gelegentlich auch Fußball. Ich freue mich auf das Jahr in London und die neuen Erfahrungen, die mich erwarten"Raphaël nahm in der Reihe vor Percephone und mir platz und packte seine Sachen aus. Sofort begann Mrs Fatsourakis mit dem Unterricht.
„Wie schon bereits angekündigt arbeitet ihr in den folgenden Wochen an einer Präsentation eines Gedichts eurer Wahl. Ihr habt freie Auswahl, der Dichter sollte nur gebürtiger Franzose sein, beziehungsweise das Gedicht sollte auf französisch geschrieben stehen. Vergisst nicht, euch eine passende Szene auszudenken, die die Gefühle des Gedichts widerspiegeln soll. Also hier sind eure schauspielerischen Leistungen gefragt!"
Bei den Worten kicherte sie leise und blickte lächelnd durch die Klasse.„Findet euch nun in den Gruppen zusammen. Ich projiziere zur Erinnerung nochmal die Zweierteams hier vorne an die Leinwand. Es gab einpaar kleine Änderungen der Gruppen, da wir nun einen Schüler mehr haben. Ich hoffe das macht euch nichts aus, ihr seid ja alle hoffentlich aus dem Alter heraus gewachsen um ein Drama daraus zu machen...", sagte sie und kicherte wieder.
Mir ahnte schon übles, als ich angestrengt meinen Namen in der Liste suchte. Als ich ihn fand breitete sich Enttäuschung in mir aus, denn mein Partner war nicht wie geplant Percephone, sondern niemand geringeres als Raphaël.
Gemurmel ist ausgebrochen und jeder diskutierte über seinen Partner.
Ich drehte mich zu Percephone um, die gerade mit Lippenstift Nachziehen beschäftigt war.
„Wir sind keine Gruppe", platzte es aus mir heraus.
Ihr Lippenstift verirrte sich augenblicklich auf ihre Wange.„Was? Das kann doch nicht sein?!", sagte sie und suchte ebenfalls ihren Namen. Neben Persephone Porter-Peregrin stand Maisie Brown. Maisie war eine der wenigen 12 Klässler, die nochmal die Klasse wiederholen mussten. Sie war nicht gerade beliebt in unserer Stufe, denn sie hatte viel über und gelästert als sie noch eine Stufe über uns war. Tja und jetzt hat sie das Karma eingeholt. Maisie Brown wurde der neue Hazel Pritchard. Secrecy fiel geradezu immer über sie her und schrieb teilweise sogar gemeinere Sachen über Maisie als über Hazel, die ärmste...
„Du hast es gut, du kannst mit Raphaël zusammen arbeiten. Ich muss mit Maisie Kotzbrocken das Projekt bearbeiten...", murmelte Percephone und glotzte wütend in ihre Richtung.
„Das wird schon. Vielleicht ist sie ja ganz nett!", sagte ich optimistisch und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
„Dann tausch bitte mit mir", sagte sie flehend. In dem Moment erhob sich die Stimme von Mrs Fatsourakis und stellte noch einmal klar, dass niemand tauschen dürfte, denn das Leben sei kein Ponyhof.Ich machte mich mit meinen Sachen auf dem Weg zu Raphaël's Platz.
„Hey, ich bin Liv", sagte ich und streckte ihm meine Hand entgegen. Er schien erfreut und schüttelte sie.
„Ich bin Raphaël. Nett dich kennenzulernen", sagte er und grinste warm.
Seine Stimme war tief, tiefer als Henry's und sein Englisch war nahezu akzentfrei. Er hatte braune, dunkle Locken, die ihm in die Stirn fielen. Seine gift-grünen Augen waren mir sogar schon bei seiner kurzen Vorstellungsrunde in der letzten Reihe aufgefallen. Er schien ein sympathischer Kerl zu sein!
Ich setzte mich zu ihm an den Tisch und wir begannen uns innig zu unterhalten.
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Silber ~ Das vierte Buch der Träume: Dream a little Dream
FantasyLiv Silber und Henry Harper waren immer unzertrennlich. Doch nach Henry's Abschluss an der Frognal Academy und seinem Umzug auf die andere Seite der Welt, wird alles plötzlich schrecklich kompliziert. Zum Glück gibt es noch den Korridor, der es ihne...