Prolog: Zur Resignation gehört Charakter

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Diese Geschichte widme ich Jessica Koch, weil sie mit ihrem unglaublichen Roman ,,Dem Abgrund so nah", mein Leben verändert und mir gezeigt hat, dass man das Leben überleben kann.

,,Ich vermisse mich. Mein altes Ich. Das glückliche Ich, das strahlende Ich, das lächelnde Ich. Das Ich, welches schon vor langer Zeit gegangen ist und nie wieder zu mir zurückkommen wird."

Ich starrte, wie eine Wahnsinnige, das kleine Stück Papier in meinen zierlichen Händen an und auf einen Schlag, tauchte diese eine Frage in meinen Kopf auf, die mich von innen heraus zu zerfressen schien und mich manchmal tagelang wach hielt, nur um auch in den wenigen Stunden Schlaf ihre Unruhe zu treiben. Würden die Menschen überhaupt noch mit mir reden, wenn sie wüssten wie krank ich wirklich im Kopf bin? Und ohne Kontrolle über die entstehende Wut, die meinen Körper förmlich zu besetzen schien, waren die Worte, die ich gerade noch geschrieben hatte, in einem winzigen Papierball gefangen, in der Hoffnung, dass ich sie irgendwie an mich ranlassen würde. 

Meine Mutter dagegen bezeichnete all das, was gerade wie ein Hurrikan durch meinen Körper raste, als eine kleine Phase des Jugendlichen Daseins. Doch bemerkte sie gar nicht, in ihrer perfekten Welt, wie es wirklich in mir aussah. Sie wollte immer, dass wir die wohlhabende und makellose Nachbarsfamilie sind, von der keine Gefahr aus ging, dass sie den Ruf der anderen Familien zerstören würde, aber letztendlich war meine Wenigkeit der Grund, warum wir aus den "so tollen" Hamptons gezogen sind und selbst dann, wollte sie nicht die schreckliche Wahrheit vor ihren Augen sehen. Es war als würde sie versuche, blind durch die Welt zu laufen, in der Hoffnung, dass sie nicht in das Gesicht ihrer Tochter schauen müsste, nur um ein was aus meinen Augen herauszulesen. 

Leere. 

Und das war auch das Einzige woran ich dachte, wenn ich an meine Mutter oder meinen Vater dachte und selbst meine angeblichen Freunde ließen kein anderes Gefühl in mir erwachen, als die ständige Leere, die keiner von ihnen auch nur ansatzweise wegschieben konnte. Jedes Mal, wenn ein neuer Schnitt meine Haut zierte, war nichts weiter da, als genau das. Leere. Und sie war der Einziger, der in dieser schwierigen Zeit bei mir bleiben wollte. Denn als ich jemanden gebraucht hätte, der mich vielleicht noch aus diesem Loch der ständigen Dunkelheit herausgezogen hätte, war keiner mehr für mich da und das war der Grund für den ersten Schnitt, der ab diesem Moment, auf ewig meine Haut zierte, als wäre es ein Accessoire, bloß mit dem einzigen Unterschied, dass man es bis zum Tod trägt und nie ablegen kann. 

Ab diesem Moment gab es wenige Dinge, die mich noch am Leben hielten, es waren Dinge die mich zerstört haben, die mich immer weiter in den Abgrund gerissen haben, es waren Dingen die mich hätten töten können und vielleicht klingt es schon so, als wäre ich im Kreis der Dunkelheit gefangen, aber genau solche Dinge hielten mich am Leben. Ich war noch nicht bereit den riskanten und aller letzten Schnitt zu machen und das war wahrscheinlich der einzige Grund, warum ich noch am Leben war. Ich war zu feige, aber es gab Moment in denen ich kurz davorstand genau dies zu tun. Meinem Leben die Luft zum Atmen zu nehmen, nur um dann wenige Sekunden später tot auf dem Asphalt zu liegen. 

Der wohl größte Grund waren meine angeblichen Freunde, die angefangen haben über mich zu lachen, als wäre ich gar nicht mehr Existenz für sie, als würde ich nicht genau neben ihnen stehen und ich glaube bis heute haben sie nie den Ernst der Lage wahrgenommen oder auch nur einen Gedanken an mich verschwendet. Ich fühlte mich genau wie dieses Stück Papier, welches ich vor ein paar Minuten in den Müll geworfen hatte, ohne Nutzen und innerhalb von ein paar Sekunde weggeworfen.

Ich habe so viel in die falschen Menschen investiert, dass ich daran letztendlich zerbrochen bin und das wahrhaftig traurige daran ist, dass meine eigene Familie dazugehört. Die Einzige, die mich verstand war meine Schwester, aber diese hat vor Ewigkeiten das Weite gesucht und ist diesem Höllenloch von Familie entflohen. In ihrem letzten Brief schrieb sie, dass sie sich für ein paar tausend Dollar ein kleines Landhaus fernab der Zivilisation gekauft hat und die Minuten, wo ich darüber nachdachte, wie gut es ihr in diesem Moment erging, wurde ich wieder wütend. Wütend darauf, dass sie mich nicht mit in die Freiheit gezogen hat, raus aus der "perfekten" Welt meiner Mutter und deren Willen, meiner angeblichen Phase ein Ende zu setzen und wieder einmal wurde die angehende Wut durch die Leere ersetzt, die jeden Faser meines Körpers durchzuckte.

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