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Ich sehe ihn an. "Glaub mir, ich werde dich für immer hassen." "Glaub mir, das wird sich ändern." "Du willst mich in den Wahnsinn treiben, oder?", frage ich genervt. Er geht gar nicht auf meine Frage ein. "Komm. Wir gehen zu mir." Ich erstarre. "Was?!" "Ich meine es ernst, Elly. Du kannst mich gar nicht hasse. Ich weiß, dass du mich eigentlich magst. Komm jetzt.", meint er nur. "Das machst Witze. Ich gehe nirgendwohin mit dir, schon gar nicht zu dir. Keine 10 Elefanten bringen mich dahin." Ich werfe ihm einen entgeisterten Blick zu. "Sei nicht so dickköpfig." Man, der will mich verarschen. Der will es einfach nicht verstehen. Was, wenn er ein Pedo ist? Ein Mörder, Vergewaltiger? Ich habe da solche Sachen gehört... Er ist ein verdammtes Arschloch!

***

"Das werde ich dir niemals verzeihen, Julian, glaub mir. Niemals!", sage ich wütend und suche mein Kleingeld zusammen um mir ein Ticket zu kaufen. Er lacht nur kurz. Ich werfe die Münzen in den Automaten und drücke auf den Knopf. Schnell nehme ich mein Ticket und warte mit dem Idioten neben mir auf die Bahn. "Sag mal, hattest du mal einen Freund?", fragt er mich plötzlich. "Was?", frage ich. Habe ich mich verhört oder hat der mich gerade wirklich gefragt, ob ich mal einen Freund hatte? "Warum fragst du?" Ich sehe ihn verwirrt an. "Nur so." Ich überlege. Ob ich ihm das sagen soll? Ich meine, was wenn er mich ausgelacht, wenn ich sage, dass ich noch nie einen hatte? Ich hatte noch nie etwas mit Liebe zu tun gehabt und ich weiß nicht, warum sich das ändern sollte. Soll ich oder nicht? "Sagen wir mal, ich hatte einen, wäre das schlimm?", frage ich dann. "Nein, aber..." Er beendet seinen Satz nicht. Bricht einfach mitten im Satz ab. "Aber, was?", bohre ich. "Egal, also, du hast sie noch nicht beantwortet." "Wäre es schlimm, wenn ich sagen würde, dass ich noch nie einen hatte?" "Nein, eigentlich nicht." Eine kurze Pause entsteht. "Jetzt beantworte meine Frage.", sagt er ungeduldig. Warum will er das unbedingt wissen? "Nein.", sage ich leise. Er antwortet nicht. "Und warum wolltest du das jetzt unbedingt wissen?" "Die Bahn kommt.", sagt er und ich drehe mich um. Sie kommt tatsächlich. Als sie endlich haltet und die Türe sich öffnen, steigen wir ein und die Bahn setzt sich ein wenig später wieder in Bewegung. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust. Warum will er, dass ich jetzt mit ihm nach Hause gehe? Ich habe kein gutes Gefühl im Magen. 

Nach einer gefühlten Stunde meint Julian, dass wir noch eine Station fahren müssten. Wird ja auch mal Zeit. "Und was wollen wir jetzt bei dir?", frage ich genervt. "Spaß haben und dir zeigen, dass du mich magst." Dieses 'Spaß haben' klingt irgendwie zweideutig. "Dein 'Spaß haben' klingt zweideutig. Wir konnten auch einfach im Park bleiben.", meine ich und sehe ihn verwirrt an, doch er antwortet nicht. Diese Ungewissheit bringt mich noch um. 

"Ok, wir sind da.", sagt er, nimmt mich an der Hand und zieht mich hinter sich her, so als wär ich ein kleines Kind, das mit dem großen Bruder unterwegs wäre. Doch dann schüttele ich den Gedanken weg. Wer will schon einen Bruder wie Julian? Ich würde von zu Hause abhauen. "Kannst du bitte meine Hand los lassen?", frage ich angeekelt und er lässt sie los. Sobald ich zu Hause bin, werde ich meine Hand mit Desinfektionsmitteln waschen. 

Wir laufen ein paar Straßen entlang und dann geht es plötzlich bergab. "Alter, wie weit denn noch?", frage ich. "Meine Füße sterben." "Wir sind gleich da!" "Hast du vor 5 Minuten auch gesagt.", mecker ich, doch er antwortet mal wieder nicht. "So, wir sind da!" "Oh, mein Gott! Ein Wunder!", rufe ich und werfe meine Arme in die Luft. Er sucht seinen Schlüssel und schließt die Tür auf. Wir gehen rein und sein Bruder Tom kommt auf uns zu. "Wer ist das?", fragt er und zeigt auf mich. "Das ist Elly." Ehm, ok?! "Hi!", sage ich nervös. "Komm mit!" Ich folge Julian. Wir gehen eine Treppe hoch und dann in die erste Tür rechts. Sein Zimmer war einigermaßen ordentlich. Hätte ich nicht erwartet. "Setz dich." Ich setzte mich auf sein Bett und schaue mich im Raum um. Der Raum ist nicht klein, aber auch nicht zu groß, so im Mittelbereich. Die Wände sind in blau gestrichen. Er hat eine große CD Sammlung und einen Fernseher im Raum. "Wie findest du mein Zimmer?", fragt er nach einer Weile. "Nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe.", antworte ich. "Wie hast du es dir denn vorgestellt?" "Unordentlich." Er lacht. "Was gibts da zu lachen?", frage ich und lächele. "Nichts.", meint er nur und lächelt. Dieses Lächeln... Stop! Wehe, ich denke weiter! "Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein schönes Lächeln hast?", fragt er. "Ne, eigentlich nicht.", sage ich. "Gut, dann bin ich der erste. Du hast ein schönes Lächeln." Was geht hier ab? "Ehh, danke." Irgendwas läuft hier schief! "Und... was machen wir jetzt?", frage ich langsam. "Wir spielen jetzt Fifa 15!"

***

"Das ist jetzt nicht dein ernst!" Ich kreische los. Ich habe das noch nie gespielt und gewinne die ganze Zeit. "Haha, du kleines ultra Opfer, du." Ich fange an zu lachen. Ich versuche mich zu beruhigen und sehe zu Julian. Er sitzt da zurück gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Schmollend. "Du wolltest spielen.", sage ich. "Kein bock mehr." Er steht auf und macht die Konsole zu. "Willst du noch was machen?" "Nee." "Wollen wir raus?" "Gute Idee!"

***

"Das glaube ich nicht! Als ob!", ruft Julian geschockt. "Doch, wirklich. Und ich habe ihn geliebt!" "Du hast deinem Kindergartenschwarm eine Schere ins Auge gestochen oder verstehe ich das falsch?", fragt er immer noch geschockt. "Jo. Obwohl ich habe irgendwie nicht ins Auge, sondern darunter getroffen." "Du machst Witze!" "Nein, das ist wirklich passiert. Und ich hatte noch einen anderen Kindergartenschwarm. Also, zwei. Gleichzeitig!" Er fängt an zu lachen. Ich stimme mit ein. 

Wir laufen in ein Park und setzen uns auf eine Bank. Es ist angenehm windig. "Weißt du, du bist manchmal vielleicht ein Arschloch, aber du hast auch gute Seiten.", sage ich und sehe ihn dabei an. "Magst du mich jetzt?" "Nein!" Er lacht. Ich lächele nur. "Ich werde es schaffen!", meint er und sieht mir dabei in die Augen. Plötzlich entsteht eine Stille. Er sieht in meine, ich in seine Augen. Ich merke, wie er sich ein wenig nähert.

Scheiße! Will der mich küssen oder was?

Nur noch ein paar Zentimeter trennen unsere Gesichter und ich spüre seinen Atem. 

"Kann sein, dass du mich noch nicht magst, aber ich mag dich."

Hoffnungsloser FallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt