10 • Bauchgefühl

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Joleen Cuervo

München

Ich ging zurück in mein Zimmer. Nur um später festzustellen, dass ich nicht schlafen konnte. Diese Erinnerungen an meinen Traum hielten mich wach. Ebenso die Gedanken an Raphael.

Der spukte in meinem Kopf herum wie ein Geist in einem Schloss.

Dabei hatte ich ihn wieder stehen lassen. Das dritte Mal wenn man es genau nahm. Ich tat es sicherlich nicht gern.

Vielleicht hätte ich mit Raf reden sollen. Über meine Albträume. Es hieß ja das es einem helfen soll, mit Außenstehenden über Dinge zu sprechen die einen Belasten.

Und vielleicht hätte ich ihn nicht wieder stehen lassen sollen sondern mal auf mein Herz hören sollen. So wie es Ladina meinte. Die Prinzipien über Board werfen. Wenn das nur so einfach wäre.

Müde schwang ich meine Beine vom Bett und stand auf. Noch immer trug ich den großen Hoodie über meinen Schlafsachen.

Ich trat kurz an das Fenster meines Zimmers. Das Hotel war mitten in der Stadt. So waren die Straßen nicht wirklich leer. Es waren trotzdem noch viele Autos unterwegs. Es erinnerte mich an Berlin. Eine Stadt die auch niemals wirklich zur Ruhe kam. Ich vermisste es nachts mit meinem Bruder auf seinem Motorrad durch die Nächte zufahren. Im Sommer war es schön wenn der lauwarme Nachtwind durch die Haare blies. Allerdings waren diese Zeiten vorbei.

Schon über sieben Jahre. Sieben Jahre die mir mein großer Bruder Diego schon fehlte. Sieben Jahre die unglaublich hart waren.
Seine Anwesenheit und seine Ratschläge fehlten mir besonders. Wir pflegten immer ein unglaublich gutes Verhältnis zueinander. Er war immer einer der Beschützer und trotzdem tat er alles für mich. Half mir immer wenn ich mal Hilfe brauchte. Oft war er einfach wie ein bester Freund für mich. Jemand der mir immer Halt gab. Egal wann.

Oft gab er mir auch Ratschläge. Diego war fünf Jahre älter und hatte tatsächlich immer einen Rat für mich übrig. Ich erinnerte mich noch genau daran wie wir in meinem Zimmer saßen und ich mich entscheiden musste ob ich studieren wollte oder nicht.

"Du bist ein totaler Kopfmensch. Du denkst zu viel nach. Hör einfach mal auf dein Bauchgefühl. Hör darauf was dein Herz dir sagt, kleine Schwester. Dann machst du alles richtig."

Das waren seine Worte zu mir. Sie kamen mir jetzt wieder in den Sinn.

Natürlich hatte mein Bruder recht. Ich dachte schon immer viel zu viel nach. Hinterfragte vieles. Vielleicht sollte ich das jetzt wieder so machen und auf mein Bauchgefühl gegenüber Raf hören und es einfach geschehen lassen. Ohne jegliche Gedanken.

Somit drehte ich mich um und ging zur Tür. Meine Zimmerkarte nahm ich mit und verließ das Zimmer. Auf dem Weg zu dem von Raphael.

Ich wusste nicht was ich mir dabei dachte, als ich nun vor seiner Zimmertür stand, einmal kurz durchatmete und dann einfach gegen die Tür klopfte.

War es richtig hier anzuklopfen und warum tat ich das überhaupt?

Warum auch immer war ich etwas nervös als sich die Tür öffnete und Raf in meinem Blickfeld erschien. Schnell verwarf ich meine Gedanken.

"Joleen? Was machst du hier?", fragend schaute er mich mit seinen dunklen Augen an.

Mutig ging ich die zwei Schritte auf Raphael zu, die uns trennten, streckte mich etwas und legte meine Hände in seinen Nacken. Ehe ich ihn ein Stück zu mir runterzog und meine Lippen auf die seine drückte. Ich küsste ihn.

Erst spannte sich Raf ein wenig an. Ich meine, ich küsste ihn gerade. Vor nicht mal einer Stunde hatte ich ihn wieder stehen lassen und jetzt das. Aber dann legte er seine Hände an meine Taille und zog mich nah an sich, sodass wir in dem kleinen Flur von seinem Zimmer standen und die Zimmertür ins Schloss fiel. Als Raf anfing seine Lippen zu bewegen, hatte ich die letzten Zweifel endgültig über Board geworfen.

Innocent | Raf CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt