Museum der Gedanken

Sucht

Als sie ihre Handtasche neben dem Spiegel abstellte und ihre Instrumente herausholte, fühlte sie die Leere wieder. Ihr blick in den Spiegel verrät, wie sehr sie ihn vermisste. Sie wusste, dass sie von ihm emotional abhängig ist. Die Spritze, die Kanüle, der Löffel, das Feuerzeug und der Stoff - alles war parat. Schon fast mit Vorfreude reinigte sie die Spritze und dachte daran, wie er es ihr immer gezeigt hatte. "Ja, genauso machst du es am besten. Der Wasserstrahl darf nicht zu stark sein, denn sonst wird die Spritze nicht sauber genug. Und Krankheiten können wir nun wirklich nicht gebrauchen." Seine Lache hallte noch Minuten später in ihren Ohren, als ob er neben ihr stehen würde. Mithilfe des Feuerzeugs, das sie erst ein paar Stunden vorher beim Kiosk hatte mitgehen lassen, fing sich der Löffel mit dem Heroin langsam an zu erhitzen und der Stoff wurde langsam flüssiger und nahm eine joghurtähnliche Konsistenz an. Für einen Moment meinte sie, ihn im Spiegel zu erkennen. "Irgendwann werden wir aufhören. Irgendwann werden wir frei sein, uns ein ordentliches Leben aufbauen und von vorne anfangen. Raus aus Berlin und wir ziehen in den Westen. Wir fangen beide an zu arbeiten und uns jeden Abend sagen, wie stolz wir doch auf uns sind. " Ihre glühenden Wangen erwärmten die Träne, die von ihrem unteren Wimpernkranz bis in die Mundwinkel floss, fast so sehr wie das Heroin auf dem Löffel. Die noch nicht völlig getrocknete Spritze zog das mittlerweile flüssige Gift auf und sie rammte es sich in ihre Vene, wobei ihr ganzer Arm schon verkrustet war von den anderen paar Einstichen in den letzten paar Tagen. "Du sollst doch immer vorsichtig sein und deinen Arm desinfizieren! Ich habs dir doch sogar extra gezeigt, wie wir es im Studium gelernt haben, aber du hörst natürlich nicht auf mich." Während die Wärme durch ihren Körper strömte und sie sich eigentlich besser fühlen sollte, schrie sie sich mit letzter Kraft im Spiegel an. Dass sie ein schlechter Mensch sei und ihn niemals verdient hätte. Zum Abschluss folgte noch eine Ohrfeige. Da er nun nicht mehr da war, musste es doch jemand anderes tun. 

Welches Gift ist nun toxischer? Heroin oder Liebe?