Kapitel 3: Jennifer

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Ich muss es. Ich muss es einfach. Damit klarkommen, mich damit abfinden. Aber es ist nur so unglaublich schwer all diese Gefühle zu verdrängen, all das was ich fühle einfach zu vergessen. Das ist doch gar nicht möglich oder?!

Der Tag, der Tag an dem sie starb. Ich hätte da sein können. Ich hätte ihr helfen können, sie beschützen. Stattdessen muss diese verdammte Zeit mich schonwieder einholen, mich aus der Bahn reißen und mir alles liebste wegnehmen! Ich habe doch eh schon nichts ausser mich selbst  und dann endlich habe ich jemanden gefunden und.... Ach. Es ist doch vergeblich. Ich habe eigentlich niemanden gefunden. Was hätte ich machen sollen? Sie in einen Zeitenwandler verwandeln? So wie ein Vampir, Menschen verwandelt? Diese Möglichkeit gibt es nicht und wir hätten es beide nicht gewollt. Ich möchte niemals das jemand so lebt wie ich, wollte sie aber auch nicht verlieren.

Sie starb bei einem Autounfall mit einen paar von ihren Freunden. Sie war auf dem Weg zu einer Party und hatte mir versprochen pünktlich zu Hause zu sein, weil wir noch zusammen Pizza backen und einfach den Abend genießen wollten. Doch dazu kam es nie. Herausgefunden habe ich es nicht durch meine Fähigkeit. Ich bin zwar ein Zeitenwandler, kann aber nur zwischen Vergangenheit und Gegenwart reisen, nicht in die Zukunft. Wenigstens etwas was mir erspart geblieben ist. Nein, die Polizei teilte es mir mit. Sofort nachdem ich es erfuhr, stieg ich in mein Auto und machte mich auf den Weg ins Krankenhaus. Wenigstens ist sie nicht tot dachte ich immer und immer wieder um mich zu beruhigen. Als ich am Krankenhaus ankam, sofort zu ihrem Zimmer sprintete und die Tür öffnete, sah ich sie. Angeschlossen an die verschiedensten Maschinen, ihr halbes Gesicht eingewickelt in einen Verband. Sie muss sich auch das Bein gebrochen haben, denn auch das war eingegipst. Ich näherte mich ihrem Bett, holte mir einen Stuhl und setzte mich neben sie. Ich hielt ihre Hand. Sie wusste nicht das ich da bin, denn sie lag im Koma. Ich habe mal gehört, dass Menschen einen trotzdem wahrnehmen, auch wenn sie im Koma liegen, also habe ich Tage und Nächte bei ihr am Bett verbracht, mit ihr geredet, ihr gesagt dass alles wieder gut werde und wir bald wieder nach Hause könnten. Es war der schlimmste Anblick den ich jemals in meinem Leben sah. Ob sie mich wahrnimmt oder nicht, ich musste nach 3 Tagen und Nächten halten einer total starren Hand und gepiepe der Herz-Lungen-Maschine einfach den Raum verlassen. Ich hielt es einfach nicht mehr aus. Mir kamen die Tränen. Geweint habe ich schon lange nicht mehr, aber in diesem Moment, hat es sich gut angefühlt. Ich weinte und wusste einfach nicht mehr weiter. Ich wollte nicht mehr so weitermachen. Raus aus dem Zyklus, Raus aus dem Leben. Jetzt gibt es eh nichts mehr wozu es sich zu leben lohnt. Oh man, ja. Ich habe bereits mit ihr abgeschlossen und ich mache mir bis heute Vorwürfe. Mein totaler Optimismus hat sie ins Grab gebracht. Warum kann ich nicht einmal in meinem Leben Positiv denken?!

Als ich zurück in ihr Zimmer ging, setzte ich mich wieder auf den Stuhl neben ihr, küsste ihr zärtlich die Hand und flüsterte ihr, dass ich gleich wieder da wäre. Ich stand auf und rannte zu dem nächsten Blumenladen. Wenn sie wieder aufwacht, dachte ich, dann soll das erste was sie sieht ein schöner Blumenstrauß, statt Maschinen sein.. und der Beweis das ich da war, sollte sie wach werden wenn ich grade nicht im Raum bin. Ich lief die Straße runter und ging in einen Blumenladen Namens "Flowers & Co.". Ich musste schmunzeln, weil ich den Namen einfach so einfallslos fand. Ich kaufte ihr einen bunten Strauß Blumen, mit einer schönen roten Rose in der Mitte. Diese möchte ich ihr übergeben wenn sie wieder wach wird. Einen Heiratsantrag möchte ich ihr machen, damit unsere Liebe auf ewig währt. Die Ringe habe ich bereits vor einer Woche besorgt, da ich ihr demnächst so oder so einen Antrag gemacht hätte, nur hat DAMIT keiner gerechnet.

Als ich wieder im Krankenhaus ankam, begrüßte mich eine junge Frau in blauer Arbeitskleidung. Eine der Krankenschwestern die Jennifer betreut. Sie ist etwas kleiner als ich, so um die 1,60 hat kurze blonde Haare, ein ziemlich rundes Gesicht und ist generell ganz hübsch, nur ihr etwas zu groß geratener Leberfleck, direkt neben der Nase, bringt mich immer wieder zum schmunzeln. Sie machte keinen besonders freundlichen Eindruck, den machte sie noch nie, aber dieses Mal war er besonders auffällig. Sie sagte ich solle ihr Folgen, ganz langsam, sie hätte mir etwas zu sagen. Plötzlich spürte ich Glücksgefühle und Adrenalin, so viel hatte ich bei meinem ersten Treffen mit Jennifer! Ich war voller Hoffnung, war fest der Überzeugung Jennifer wäre aufgewacht, ist gesund und muss sich nur noch erholen, würde mich gleich wirklich wahrnehmen und könnte mir erzählen, dass sie die ganze Zeit meine Anwesenheit spürte! Ich malte mir jegliches Szenario aus, wurde aber aus meiner Traumwelt gerissen, als die Krankenschwester sich vor mich stellte, zwang mich anzuhalten. Wir standen genau vor Jennifer's Tür. Die Krankenschwester nahm meine Hände, sah mich bedrückt an und teilte mir mit, dass Jennifer gestorben wäre. Herzstillstand. Sie hat das Koma nicht überlebt. Die Krankenschwester hat noch weiter geredet doch alles ging nurnoch an mir vorbei, ich hörte sie gar nicht mehr. Ich war wie in Trance. Jennifer ist tot? Einfach so? Das kann doch nicht sein! Ich war nicht Herr meiner Sinne. Ich schob die Krankenschwester zur Seite, öffnete die Tür und rannte auf Jennifer's Bett zu, als ich 2 weitere Krankenschwestern sah, welche sie auf eine andere Liege legten. Die Decke über ihren Kopf gezogen. Ich lief zu ihr und zog ihr die Decke vom Kopf und erstarrte. Ihr Gesicht. Weiß wie Schnee. Ihre Haut kalt wie Eis. Die Leichenstarre machte ihren Körper unbeweglich und ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich weinte, weinte noch mehr als je zuvor. Ich war wie gelähmt. Die Krankenschwestern fragten mich ob ich noch eine Weile bei ihr bleiben möchte und ich nickte nur stumpf. Ich konnte nicht mehr reden. Ich sah sie unglaubwürdig an. Die ganze Zeit. Ich wollte nicht das es jetzt einfach so endet.. Ich wollte nicht das es überhaupt endet und ich hätte ihr ein so viel schöneres Leben bescherrt und sie längst geheiratet hätte ich davon gewusst. Gewusst das sie sterben würde. Ich beugte mich über sie, meine Tränen liefen über meine Wange und tropften auf ihren starren, kalten Leichnam. Ich küsste sie auf den Mund, so fest ich konnte, so lange ich konnte. Ich sagte ihr noch mehrmals das ich sie liebe, was ich vorhatte, das ich sie heiraten wollte und vorallem, dass ich sie immer lieben werde. Für immer. Nach 15 Minuten, welche sich anfühlten wie 2 Sekunden, kamen dann die Krankenschwestern und brachten Jennifer in den Leichenkeller. Ich, noch immer wie gelähmt, ging aus dem Raum, mit dem Fahrstuhl in das Erdgeschoss. Ich wollte nurnoch nach Hause. Ich habe mit niemanden mehr geredet an diesem Tag. Ich kam einfach nicht mit dem Gedanken klar, dass ich Jennifer nie wieder sehen werde. Kurz bevor ich ins Bett gehen wollte rufte mich die Krankenschwester an und entschuldigte sich für alles was passiert wäre und wünscht mir Kraft und das Gott uns beschütze, fragte aber gleich darauf was mit Jennifer nun Geschehen soll. Ich wusste was sie damit meint und ich habe mir Jennifer nie darüber geredet. Ich weiß aber trotzdem, dass sie eingeäschert werden möchte und nicht als ganzes in einem Sarg dort unten von Würmern aufgefressen werden möchte. So wäre mein Gedanke auch. Bevor die Krankenschwester mir die Möglichkeiten nannte, entfuhr mir ein schnelles "Lasst sie bitte einäschern." Sie stimmte nur kurz zu und wünschte mir noch einen schönen Abend und gute Besserung. Schönen Abend. Ich weiß sie wollte nur freundlich sein, aber einen schönen Abend werde ich lange nicht mehr haben.

Die Tage vergingen und die Beerdigung rückte immer näher. Ich wollte nicht mehr. Seit dem Tag ihres Todes habe ich eine neue Erkenntnis: 

Die Zeit ist unser Feind und stetiger Verfolger, man sollte jeden Tag leben als wäre es der letzte. Das weiß ich jetzt.

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