Die Woche ging viel zu langsam vorbei. Jeden Tag saß ich gelangweilt in der Schule, der Nachmittag war geprägt von lernen, lernen und lernen. Die Klausurenphase stresste mich jedes mal aufs Neue.
Am Samstag nahm ich mir allerdings einen freien Tag, um mich ganz auf mich zu konzentrieren. Doch lange ging das nicht. Als ich aus der Dusche kam, hatte ich 5 verpasste Anrufe von Alec. Ich fragte mich, was er wohl wollte. Als ich mich fertig gemacht hatte, versuchte ich ihn zurück zurufen, jedoch vergeblich. Es ging immer nur die Mailbox ran.
Einige Minuten später bekam ich eine Nachricht von ihm.
"Maja. Ich brauche dich. Bitte komm so schnell wie möglich zu mir. Ich warte vor der Haustür auf dich. Beeil dich..."
Das war, was ich lesen konnte. Es strömten mir tausende Gedanken durch den Kopf. Ist was passiert? Ging es ihm gut?
So schnell es ging, machte ich mich auf den Weg zu ihm, er hörte sich nämlich wirklich wichtig an.
Als ich vor seinem Haus stand, konnte ich ihn bereits auf der Treppe sitzen sehen. Er sah mich an, blieb noch einige Sekunden sitzen, bis er schließlich zu mir kam.
"Maja, schön dich zu sehen. Ich brauche dich jetzt". "Alec was ist denn..." Doch er fiel mir ins Wort und bat mich, irgendwohin zu gehen, wo wir ungestört waren. Ich führte ihn in ein ruhiges Stadtviertel, dort setzten wir uns auf eine Bank. Den ganzen Weg hörte ich nicht ein Wort von ihm, nur sein lautes Atmen. Ich versuchte vorsichtig nachzufragen, was los sei.
Dann fing er an zu sprechen. Er erzählte von seiner Vergangenheit:"Maja, ich bitte dich, das was ich dir jetzt sage, niemandem weiter zu geben, egal wie anders du von mir denken würdest ok?" Ich nickte zustimmend und wartete, bis er anfing weiter zu reden.
"Ich habe dir erzählt, dass meine Eltern sich getrennt haben, dass es besser so ist und dass meine Vergangenheit spannend ist. Genau das möchte ich dir erklären.
Ich hatte einen Bruder. Er ist bei einem Autounfall gestorben. Aber es war nicht irgendein Auto. Es war das, das ich gefahren habe. Als ich meinen Führerschein bekam, schlug er sofort vor, eine Spritztour zu drehen. Genau das machten wir dann auch."
Ich bekam Gänsehaut, gerne hätte ich etwas gesagt, aber ich traute mich nicht, Alec zu unterbrechen.
"Wir fuhren auf einer Landstraße, auf der normalerweise nicht viele Autos fahren. Vielleicht fuhren wir auch ein wenig zu schnell. Aber es kam wie es kommen musste. Als ich um die Kurve gefahren war, kam uns ein Auto entgegen. Auch das war viel zu schnell unterwegs. Ehe ich schauen konnte, wurde mir schwarz vor Augen. Als ich zu mir kam, sah ich Licht. Überall war Blaulicht, viele Menschen um mich herum. Sanitäter, Ärzte, Feuerwehrmänner und schließlich auch die Polizei. Ich konnte nicht sprechen, ich war zu geschockt und überfordert. Ich machte meine Augen wieder zu. Ich wollte das alles nicht sehen. Doch sie wollten nicht zubleiben. Ich machte sie wieder auf und schon hörte ich alle durcheinander. Sie haben angefangen zu schreien, dass ich wach sei. Einer nach dem anderen. Ein Arzt half mir auf die Beine. Es war besser, dass er mich nicht gleich losgelassen hatte, denn meine Knie haben gezittert."
So, das ist die Geschichte meines Bruders, der viel zu früh von uns gegangen ist."
Ich war überwältigt, wusste überhaupt nicht, was ich sagen sollte.
"Alec, es tut mir so leid für dich", war alles was mir in diesem Moment einfiel. Ich legte meine Hand auf seine und konnte spüren, wie er zitterte. Er nahm meine Hand in seine, ohne mich anzusehen.
"Meine Mutter hörte nie auf, mir Vorwürfe zu machen. Sie sagte oft, dass ich an allem Schuld sei. Sie konnte einfach nicht darüber hinweg kommen. Jeden Tag zu jeder Mahlzeit, stand ein Teller für ihn auf seinem Platz. Mein Vater hatte oft versucht mich zu verteidigen, aber sie hörte nie damit auf. Vor ein paar Wochen wurde es meinem Vater zu viel und er sagte ihr, dass wir ausziehen werden. Auch er hielt es nicht mehr damit aus.
In dieser Zeit wurde nichts mehr normal. Ich versuchte mich abzulenken und kam früher oder später in die falschen Kreise. Es fing an mit Alkohol, Rauchen. Doch irgendwann wurden es stärkere Drogen, mit denen ich versuchte, mein Gewissen zu beruhigen. Und das ist der Grund für mein plötzliches Auftauchen, für meine Verschlossenheit, für all das, was ich bin."
Jetzt musste ich etwas sagen. Alec erzählte mir von seinen schlimmsten Erlebnissen, dabei konnte ich nicht einfach meinen Mund halten. "Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich bin überrascht, dass du mir alles anvertraut hast. Das hättest du nicht machen müssen. Ich kann mir nur vorstellen, wie du dich in dieser Zeit gefühlt hast und wie du es jetzt tuen musst. Vielleicht war es wirklich die richtige Entscheidung, weg zuziehen und ein neues Leben anzufangen". Alec war anzusehen, wie erleichtert er war, sich das von der Seele zu reden.
"Maja...Du bist der einzige Mensch hier, dem ich diese Geschichte erzählen wollte. Ich wusste, dass du mich verstehst, dass du mich nicht verurteilen würdest"
Wir saßen noch lange auf der Bank und redeten miteinander. Lange über die Geschichte seines Bruders.
Als die Sonne anfing unterzugehen, sagte ich ihm, dass ich nachhause müsse. Alec machte mir das Angebot, mich heim zubringen, welches ich nach diesem Treffen nicht abschlagen wollte. Vor meinem Haus angelangt, sah ich meine Eltern im Garten stehen, sie grillten.
Mein Vater rief nach mir:"Maja! Schön dich zusehen!", meine Mutter musste mich natürlich sofort blamieren:"Wer is denn der hübsche Junge an deiner Seite? Dein Freund?"
Ich sah beschämt zu Alec hoch, als er es bemerkte entdeckte ich nur ein Grinsen auf seinem Gesicht. "Hallo, ich bin Alec und ich habe ihre Tochter nachhause begleitet."
Mein Vater fragte ihn, ob er denn mit uns zu Abend essen möchte.
Es war mir unangenehm, dass er gerade jetzt, als er mir von seiner kaputten Familie erzählt hatte, meine lebensfrohen Eltern sehen musste.
Er nahm die Einladung aber an. Ich vermutete, dass ihm Ablenkung jetzt ganz gut tuen würde. Ich fragte ihn, ob er seinen Vater anrufen möchte, dass er nicht zum Essen heimkommen wird. Aber Alec verneinte es. Er sei heute mit seinem Kegelverein unterwegs und wird selbst nicht zu früh heimkommen.
Wir vier saßen gemeinsam am Tisch, jeder ein Steak vor sich. Wir redeten und lachten viel. Es war schön zusehen, dass Alec wieder lachen konnte. Er sah wirklich glücklich aus.
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Der Tag an dem ich lebte
Fiksi Remaja26 Tage die Majas Leben völlig verändern werden. 26 Tage in denen sich Maja entscheiden muss, ob diese Veränderung positiv oder negativ ist.