11 Tage zuvor

7 0 0
                                    

Am nächsten Tag hörte ich nichts von Alec. Ich bekam keine Nachricht und angerufen hatte er auch nicht. Auch auf meine Nachrichten kamen keine Antworten. Es war merkwürdig. Ich hatte Angst um ihn, dass ihm etwas schlimmes passiert sein könnte.
Als er heute auch nicht zu Schule kam, beschloss ich am Nachmittag bei ihm vorbeizuschauen, um sicher zu gehen, dass es ihm gut ging.
Ich steuerte also nach der letzten Stunde den Weg zu seinem Haus an.
Ich stand vor einem dunklen, leeren Haus. Keine Autos standen da, alle Umzugkartons, die noch am Wochenende da standen, waren weg. Ich ging zur Haustüre und wollte klingeln. Doch niemand öffnete. Ich wagte einen Blick durch ein Fenster zu werfen, aber auch dort konnte ich nicht viel sehen. Nur viele Umzugskartons und lose Möbel die mitten im Zimmer rumstanden.     Ich versuchte Alec noch einmal telefonisch zu erreichen, jedoch erfolglos. Ich beschloss also noch eine Runde spazieren zu gehen und auf dem Heimweg nochmal zu schauen, ob er vielleicht schon zuhause war.                                                                                                                                        In Gedanken verloren und mit Musik in den Ohren ging ich durch die Stadt. Als ich das nächste mal einen Blick auf mein Handy warf, war es bereits 2 Stunden später, die Zeit verging wie im Flug. Ich machte mich auf den Weg zu Alecs Haus, um nach ihm zu schauen, doch plötzlich bekam ich einen Anruf von ihm:"Maja? Alles gut bei dir? Wieso hast du mich angerufen?".             Ich hörte die Besorgnis in seiner Stimme. "Ja Alec, mir gehts gut. Ich wollte mich nur nach dir erkundigen, nachdem du nicht in der Schule warst. Ich bin an deinem Haus vorbeigegangen, doch es war niemand zuhause". Ich holte tief Luft und war erleichtert zu hören, dass es Alec gut ging. "Ähm, ja", begann er den Satz mit einer langen Pause," es tut mir leid, vielleicht hätte ich dir bescheid sagen sollen. Wenn du möchtest, können wir uns treffen, dann erzähl ich dir alles." Er klang ein bisschen unsicher, aber ich war zu besorgt, um ihn jetzt alleine zu lassen. Ich sagte Alec, dass ich in ein paar Minuten bei ihm sein werde. Als ich um die Ecke zu Alecs Haus abbog, sah ich ihn schon vor der Tür auf mich warten. Als er mich entdeckte, stand er sofort auf und kam auf mich zu. Er nahm mich in den Arm, drückte mich ganz fest. Ich war ein wenig verwirrt, umarmte ihn dann jedoch auch. Ich weiß nicht warum, aber in diesem Moment fühlte ich mich unglaublich wohl in Alecs Armen. Als wir uns voneinander lösten, fragte er mich, ob ich mit zu ihm in sein Zimmer kommen wollte, wo er mir alles erzählen möchte. Ich sagte nicht nein und wir gingen zu ihm. Alec machte die Haustüre auf und ich sah das, was ich bereits durch das Fenster erspähen konnte. Er führte mich in sein Zimmer. Ich war überrascht, als ich sah, dass es bereits voll eingerichtet ist. Ich entdeckte ein Sofa, auf dem ich Platz nahm. Alec verließ das Zimmer, um uns etwas zu trinken zu holen. Ich hatte also einen Moment Zeit, mir das Zimmer genauer anzuschauen. Es war nichts besonderes. Doch das, was mir als erstes auffiel, war ein Bilderrahmen. Ein Foto darin, ich konnte aber nicht sofort erkennen, wer darauf abgebildet war. Also beschloss ich aufzustehen und es mir genauer anzusehen. Ich nahm den Rahmen in die Hand. Es waren zwei kleine Jungen darauf, spielend im Sandkasten mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Die Qualität des Bildes nach zu urteilen, musste es schon ein wenig älter gewesen sein.  Ich erschrak, als die Tür plötzlich aufging. Mit dem Bilderrahmen in der Hand blickte ich völlig verwirrt Richtung Tür. Alec guckte mich an. "Alec, es tut mir leid, ich wollte nicht...".        "Schon gut", beruhigte er mich," das ist David, mein Bruder". Ich warf noch einmal einen Blick auf das Foto, ehe ich Alec antworten konnte. "Das sieht man. Ihr schaut euch wirklich sehr ähnlich."                                                                                                                                                                                    Wir setzten uns gemeinsam auf das Sofa, jeder ein Glas Eistee in der Hand und schwiegen uns eine Weile an. 

Doch lange hielt ich diese unangenehme Stille nicht mehr aus. Ich sah zu Alec, doch noch wusste ich nicht, was ich sagen hätte sollen.                                                                                                                              "Du und dein Bruder...", fing ich an, nach dem ich einmal tief Luft geholte hatte, "hattet ihr ein gutes Verhältnis zueinander?"  Er schaute mich an und grinste, während er zum geöffneten Fenster blickte "Ja Maja. Ja das hatten wir. Wir waren mehr als nur Brüder, wir waren die besten Freunde". "Wow", dachte ich mir. Ich hatte nie eine Schwester oder einen Bruder, sodass ich dieses Gefühl nur ansatzweise hätte nachvollziehen können.                                                                               Nach ein paar Sekunden, in denen keiner von uns wusste, was jetzt passiert, fragte er           mich:" Möchtest du ein wenig Musik hören?" Ich stimmte ihm zu und er stand auf. Alec öffnete einen Schrank.                                                                                                                                                                        Er öffnete die Tür ganz langsam, als ob er Angst davor hätte, was sich darin befindet.                         Ich beobachtete ihn gespannt dabei, aber das was sich darin befand, damit hätte ich nicht gerechnet. Kassetten. Kassetten über Kassetten, nebeneinander aufgereiht und gestapelt.                   Ich guckte ihn an. Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung zwischen Glücklichkeit und ein wenig Trauer. Sofort dachte ich an sein Tattoo. Das konnte doch kein Zufall sein, es muss einen Zusammenhang geben. Ich überlegte Alec zu fragen, doch entschied mich dagegen.                           Er nahm eine dieser Kassetten in die Hand, so gezielt, als ob er sich die letzten Tage über nichts anderes Gedanken gemacht hätte. Er legte sie ein und die Musik fing an, während er sich wieder zu mir aufs Sofa setzte. Wir fingen an zu reden, aber die Frage, welche Verbindung es gab, lies mich nicht in Ruhe. Ich holte in einer Gesprächspause einmal tief Luft und nahm all meinen Mut zusammen. "Alec...", fing ich an, "Die Kassetten und dein Tattoo...". Ich stotterte, sah ihn an. "Ich wusste, dass diese Frage irgendwann kommen würde. Niemand außer meinen Eltern kennt die Bedeutung dahinter." Ich versicherte ihm sofort, dass er es mir natürlich nicht sagen hätte müssen, falls er nicht wollte. Mit einem Lächeln im Gesicht teilte er mir allerdings mit, dass er mir gerne davon erzählt. "Ich vertrau dir Maja. Mehr als je einem anderen Mädchen in meinem Leben."                            

     Ich merkte, wie ich rot wurde, es war mir sichtlich unangenehm.                                                                   "Weißt du, für viele sind Kassetten nur alte Dinger, die Musik spielen, aber für mich steckt viel mehr dahinter. Das Lied, das du gerade hören kannst, war das Letzte, das ich mit David im Auto hörte, bevor der Unfall passierte. Es bedeutet mir alles."

"Wow", mehr bekam ich nicht aus meinem Mund. Ich war total überfordert mit dieser Nachricht. Gleichzeitig freute ich mich, dass er mir diese sehr persönliche Geschichte erzählte.                           Wir redeten weiter, über die Geschichte seines Bruders, aber auch über so viel anderes. Ich hatte mich lange nicht mehr so wohl bei jemandem gefühlt.

Ich erschrak, als ich auf die Uhr sah, es war viel zu spät. Ich verabschiedete mich von Alec und machte mich auf den Weg nachhause.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: May 22, 2021 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Der Tag an dem ich lebteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt