Part 2

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Yoongi p.o.v.

Der nächste Tag ist fast genauso verschneit, wie der Tag zuvor, mit Ausnahme von der Sonne, die sich im Laufe des heutigen Tages nun deutlich häufiger den Weg durch die Wolken gebahnt hat, als gestern.
Allerdings hatte das keine spürbaren Auswirkungen auf die Temperatur, wie ich feststellen muss, als ich nach meiner täglichen Session im Musikstudio wieder den Heimweg antrete.

Im Gegenteil, sowohl mein Gefühl, als auch die Wetteranzeige meines Handys sagen mir, dass die Temperaturen erneut gefallen sind, was bedeutet, dass ich meinen Plan, eine Stunde nach Hause zu laufen, heute erneut verwerfen werde und mich stattdessen zu den Leuten in der Straßenbahn gesellen werde.
Was für ein Vergnügen...

Seufzend und mit bereits zitternden Fingern, stecke ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und drücke ohne groß zu überlegen auf einen Musiktitel, ehe ich mein Handy in die Tasche meines hellbraunen Mantels fallen lasse. Meine Hände verstaue ich gleich mit in dem warmen Stoff, während ich den alltbekannten Weg zur Haltestelle der Straßenbahn antrete.

Wie auch gestern schon schneit es, jedoch nicht ganz so viel, wie gestern Abend, weshalb der Schnee tatsächlich schon ein wenig an einigen Stellen abgetaut ist. Als ich die Kreuzung überquere, sehe ich, wie die Straßenbahn bereits an der Haltestelle eintrifft.
Eigentlich bin ich partout gegen das Rennen, vor allem im Winter, wo man sich jede Sekunde auf dem Boden wieder finden kann, doch irgendetwas in mir zieht mich wie an einer Schnur vorwärts, weshalb ich mein Handy in der Jackentasche festhalte und losrenne.

Das warnende Piepen der sich schließenden Tür ertönt, als ich auch schon ins Innere in der Bahn husche.

Mein Herz flattert in der Brust und die warme Luft dringt in meine Lungen, während ich einmal durchatme und mich auf den nächstbesten Platz, etwas versteckt von der Menge, ans Fenster setze.
Ich richte noch ein wenig meine Mütze, sowie mein Haar, welches ich ein wenig von meinen Augen wegstreiche, als ich auch schon das Ruckeln der Bahn bemerke.

Meine Kopfhörer sind trotz des Rennens erstaunlicherweise nicht verrutscht, weshalb ich mich im Sitz ein wenig entspanne und meinen Blick dabei zu dem Fenster neben mir wandern lasse.

...

Die Stimme der automatischen Ansage, die nun zum neunten Mal den Namen der Station verkündet, höre ich wegen meiner Musik nicht, allerdings erkenne ich die Umgebung und damit auch die Haltestelle, die für mich Endstation bedeutet.

Vorsichtig stehe ich auf und versuche mich so gut es geht an der älteren Frau neben mir vorbei zu quetschen, ohne gleich ausversehen auf ihrem Schoß zu sitzen. Die Dame hebt den Kopf und macht mir mit einem entschuldigendem Lächeln Platz, woraufhin ich mich schnell bedanke und bevor sie noch anfängt ihre Einkaufstüten hochzuheben, steige ich flink mit einem Schritt über die Tüten am Boden und stelle mich zu der handvoll Leuten an der Tür.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie die ältere Frau die Einkaufstüten auf dem Sitz verteilt, auf dem ich ebend noch gesessen habe, doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, öffnen sich die Türen der Bahn und ich wende den Blick ab, um ebenfalls auszusteigen.

Das Erste was mir auffällt ist, dass die Schneeflocken sich scheinbar verdoppelt haben. Ich ziehe etwas den Kopf ein und stelle den Kragen meines Mantels hoch, ehe ich mit schnellen Schritten die Straße überquere und mich unter die Leute auf dem Gehweg mische.

Die Pflastersteine sind mit Streusalz bestreut worden und ich kann spüren, wie die winzigen Körner unter meinen Schuhen knirschen, als ich mich um die Leute herum schlängel.

Mein Weg führt, wie immer, vorbei an den flackernden Buchstaben des Spielzeugladens, einem Supermarkt und dem 24h-Kiosk, dessen Besitzerin mich bereits sehr gut vom fast täglichen Zigarettenkauf kennt.

Ein kleines Lächeln bildet sich auf meinem Gesicht, als ich am Kioskfenster vorbeikomme und ich nicke einmal freundlich der älteren Dame im Inneren zu, die mir ebenfalls ein strahlendes Lächeln schenkt, ehe sie wieder anfängt das Fach mit den Bierdosen im Regal aufzufüllen.

Das Lächeln bleibt für weitere Sekunden auf meinem Gesicht, während ich an die Male denke, wo ich der älteren Frau beim Einsortieren behilflich war oder aber mich einfach mit ihr unterhalten habe, doch mein Blick senkt sich und das Lächeln verschwindet unter meinem Schal, als sich die Erinnerung der anderen Besuche bei ihr ins Gedächtnis schleichen.

Ich habe die etwas zerbrechliche und leise, aber dennoch sehr herzliche Stimme noch im Kopf, wie sie mir jedes Mal ihren ehrlichen, von Herzen kommenden Dank ausgesprochen hat.

"Ich danke dir, Yoongi. Vielen Dank, dass du mir mit den Kisten geholfen hast."

"Vielen Dank Yoongi, das Einräumen der Flaschen wäre heute sehr auf meinen Rücken gegangen"

"Oh Yoongi du bist wirklich ein so lieber junger Mann. Komm doch gerne noch einmal vorbei, nächstes Mal kann ich dir bestimmt einen Kaffee aufs Haus geben...diesen Monat sind die Einnahmen leider zu knapp. Entschuldige."

Das faltige Gesicht zu einem entschuldigenden, fast schon traurigen Lächeln verzogen, jedoch lieb winkend, als ich den Kiosk mit einem Fertigbrötchen und einem Kaffee, sowie den Zigaretten in meiner Jackentasche verlassen habe.

Das selbstgemachte Brötchen, sowie der heiße Kaffee, beide von mir bezahlt, während die Zigaretten nicht so dringend notwendig sind, um sie von meinem geringen Gehalt zu bezahlen, aber auch zu verlockend, um die Gelegenheit, die sich mir hin und wieder bietet, wann immer die Dame in den hinteren Teil des Ladens verschwindet, nicht zu nutzen.

Ich hebe den Kopf, als eine eiskalte Windböe mich erwischt und drehe mein Gesicht genau in den Wind.
Die Kälte durchdringt meinen Schal und mein Kiefer spannt sich bereits nach wenigen Augenblicken an. Ich kann spüren, wie meine Zähne leicht aufeinander schlagen und betrachte ruhig, wie die Leute um mich herum ihre Köpfe einziehen und ihr Gesicht weiter unter dem Schal verschwinden lassen, während sie eilig weiterlaufen, um schnell ins Warme zu kommen.

Auch ich setze meinen Weg fort, allerdings verspüre ich keinerlei Eile oder Drang schneller zu gehen, denn trotz der Tatsache, dass ich meine Nase nicht mehr wirklich spüren kann und meine Finger sich in den Taschen ein wenig verkrampft anfühlen, erfüllt mich das Gefühl der Kälte mit einer Ruhe, die ich mehr genieße, als sie zu verabscheuen.

Als der Wind schließlich wenige Sekunden später wieder abflaut, drehe ich mein Gesicht wieder nach vorne und senke den Blick um die Pflastersteine zu betrachten, als mich ein Schweif aus blau roten Farben im Augenwinkel wieder aufsehen lässt.

Augenblick durchströmt Wärme meine Brust, angenehm und voller Leichtigkeit.
Die Welt um mich herum scheint langsamer zu werden, bis sie vollkommen stehen bleibt.

Selbst die Musik in meinen Ohren scheint leiser zu werden und plötzlich nehme ich nichts anderes mehr wahr, als den süßlichen Duft eines Parfüms, dass in mir ein Kribbeln auslöst, während gleichzeitig das Gefühl einer tiefgehenden Entspannung durch meine Adern läuft.

Ich blinzel einmal und bleibe stehen, ehe ich mich ein wenig umdrehe und über die Schulter nach hinten schaue.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, einem Menschen zweimal an der gleichen Stelle zu begegnen...?

Stumm betrachte ich den jungen Mann, der sich mit jedem Schritt mehr von mir entfernt und schließlich in der Menschenmenge verschwunden ist. Ich schaue ihm nach.

Orangene Haare, rot-blauer Schal, dunkler Mantel.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein fremder Mensch...einen so fühlen lassen kann...?

Fated || Yoonmin (Short Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt