5. Kapitel

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"Du weißt, ich habe nur fünf Minuten, wenn ich nicht pünktlich an der Mauer bist,gehst du ohne mich, verstanden?" "Jaa, aber ich kann dich nicht alleine lassen, dann hättest du doch erst nichts davon..." entgegnte ich zweifelnd."Doch ich weiß dann, dass ich etwas Gutes getan habe."

Mein Herz klopft hektisch und das Blut rauschte laut in meinen Ohren.Die Fenstergitterstäbe sind bereits durch. Ja ich habe es geschafft, fragt nicht wie, ihr würdet es mir sowieso nicht glauben. Die Gitterstäbe waren  heraußen und lagen unbeachtet unter dem Bett, die Wäscheleine war angebungen und lag zusammengerollt am Fensterbrett wo sie auf ihren Einsatz wartete, ich wartete nur noch bis das Licht ausging. Das würde das Zeichen sein, dass das System außer Betrieb ist.Draußen war es dunkel nur einige Flutlichter erhellten das Gelände, sobald auch diese ausgeschalten wären, müsste ich los.

Plötzlich mit einem Schlag wurde es finster. Es ging los.

Ich hechtete zum Fenster stieg durch das enge Loch. Meine Zelle war im ersten Stock das heißt es waren cirka fünf Meter bis zum Boden. Die andere Wäscheleine um die Schulter gehängt stieg ich weiter ab.

Meine Finger brannten, so fest krallte ich mich in die dünne Leine.

Kurz rutschte ich ab und die Reibungswärme verbrannte meine Finger. "Fuck,!" fluchte ich leise und sprang den letzten Meter ab. Die Leine ließ ich einfach hängen, es würde unnötige Zeit kosten sie von unten los zu reißen, dafür hatte ich ja die Zweite mit.

Als würde ich gejagt, rannte ich los, immer im Schutz der Hausmauer.Aus dem Inneren hörte man Lärm und ich verspürte ein leichtes Ziehen in der Magengegend, was wenn Kris es nicht schaffen würde? Er hatte alles für unsere Flucht getan, dennoch beharrte er darauf, den Plan so auszuführen wie besprochen.

Ich sprintete die Mauer entlang zum Tor, dort würde man am leichtesten hinübersteigen können.

Mein Keuchen war verräterisch und ich bemühte mich, wieder langsamer zu atmen.

Ein kurzer Blick auf meine Uhr verriet mir dass Kris noch eine Minute hatte. Sonst würde er, ich schluckte.Sonst würde ich alleine gehen müssen. Ich wurde immer hibbeliger, dann beschloss ich die Leine schon mal anzubringen. Aus einigen, geklauten Esswerkzeugen hatte ich eine Art 'Enterhaken' gebastelt. Ich schwang das Seil ein paar Mal und ließ es dann hinauf über die Mauer zischen. Ich zog ein wenig um sicherzugehen, dass es sich gut im Stacheldraht auf der Mauer verhakt hatte.

Kris ist jetzt schon eine Minute zu spät und die Ungewissheit begann, mich von innen heraus aufzufressen.Was wenn sie ihn geschnappt hatten? Wenn ich umsonst hier wartete und so viel riskierte ?

Er ist eine Minute zu spät.

"Hey, stehenbleiben, Hände auf den Rücken und nicht bewegen,!" Schreit plötzlich eine Stimme von der  anderen Seite. Oh fuck. Adrenalin schoss durch meine Venen und im nächsten Moment ziehe ich mich schon die Mauer hinauf. Der raue Beton zerkratzt meine Schienbeine und Unterarme. Ich hörte wie hinter mir noch jemand die Mauer hinaufkletterte und bekam dabei fast einen Herzinfarkt. "Man Kris du Idiot," atmete ich aus."Ich wäre wegen dir fast hinuntergefallen."

"Stehen bleiben,sie können nicht entkommen!" "Oh doch," grinste Kris warf die Leine auf der anderen Seite der Mauer hinunter und sich gleich hinterher. Meine Finger waren taub und ebenfalls zerschunden, dennoch konnte ich mich beim Hinunterklettern noch festhalten. Das Adrenalin hemmte meine Angst.Die Polizisten kamen bereits aus dem Tor etwas weiter entfernt, gestürmt und wir fingen an zu rennen.

Hinter uns die Polizeisirenen vor uns der sichere Großstadtdschungel. Die ersten hohen Häuser erschienen und ich beschleunigte. Meine Lunge brannte höllisch und jeder Atemzug tat weh, dennoch hielt ich das Tempo."Komm," rief ich zu Kris und zog ihn mit mir. Früher hatte ich Parkour trainiert, das könnte sich jetzt als nützlich erweisen. Ich fing an eine Dachrinne hinaufzuklettern und zwar so schnell wie möglich um die Polizisten abzuhängen. Neben mir ging ein Schuss in die Wand, was mich dazu animierte, noch schneller zu klettern. Ich zog mich über die Dachkante und wartete auf Kris, der kurz darauf keuchend ankam.

Ich sah ihn ernst an, wir hatten nicht so viel Zeit wie er sich nahm.

Ich fing an zu laufen,schneller immer schneller, bis sich meine Muskeln für einen Sprung zusammenzogen und ihre Kraft dann wie gespannte Gummibänder losließen. Einen Moment lang flog ich über die dunkle Kluft zwischen zwei Häusern und landete dann auf der anderen Seite. Mich schauderte, wenn ich daran dachte wie tief der Spalt wohl war. Ein Scheppern der Ziegel kündigte Kris an. Wir liefen noch eine Weile auf den Dächern weiter, bis die Polizeisirenen verstummten. Jetzt erst gab ich mir einen Augenblick Zeit, diese atemberaubende Kulisse zu bewundern. Die Sonne war schon längst hinter den Bergen verschwunden, der Himmel dunkel und abertausende Lichter erhellten die Stadt. Die kalte, rauchige Nachtluft brannte in meinen Nasenhöhlen und der Schweiß, der auf meiner Stirn stand trug dazu bei, dass ich anfing zu zittern. "Hey Josh, da unten ist ein Altkleidercontainer," rief mir Kris aufgeregt zu. Das war es! Wir trugen immernoch die knallorangen Anzüge, die uns sofort verraten würden.

Mithilfe einer Feuerleiter gelangten wir hinunter in eine enge Gasse. Kris hatte recht. Mit einem dumpfen Scheppern landete ich von der Feuerleiter auf dem Container. Ich streckte meine Hand hinein und zog erste Kleidungsstücke heraus. Das Erste war ein hässlich, grellgelbes Trägerkleid, das Zweite eine braune Hose, die ich sogleich beiseite legte, während ich das feine Seidenkleid zurückwarf. Nach zehn Minuten Wühlerei hatte ich eben die braune Hose, einen schwarzen Pullover und eine Strickmütze. Es war kalt daher war ich dankbar als ich die Gefängniskleidung gegen die  wesentlich wärmeren Sachen ausgetauscht hatte. Es war November, es wird kalt.

Kris warf mir eine ebenfalls schwarze Jacke zu, die er gerade aus dem Container gezogen hatte.

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, Kris war wirklich nicht böse."Hände auf den Rücken und umdrehen. Langsam,!" brüllte eine Stimme von hinten. Panik durchflutete mich. Wie hatten sie uns gefunden?? Wir hatten die Flucht so lange geplant und dennoch war sie zum Scheitern verurteilt? Das würde ich nicht zulassen. Mit einer ruckartigen Bewegung bedeutete ich Kris, dass es noch nicht aussei. Er nickte vorsichtig und sein Mund formte die Worte. Drei. Zwei. Eins... Ich sprang vom Container, rollte mich am Boden ab und fing sofort an zu rennen. Immer schneller, rücksichtslos und ohne auf die Kugeln zu achten, die reihenweise hinter- oder neben mir einschlugen. Sie zielten auf meine Füße. Diese Stadt war ein einziges Gewirr aus Straßen und engen Gassen. Spontan bog ich nach rechts, dann wieder nach links. Jeder Atemzug brannte in meiner Lunge und meine Augen tränten von der kalten Nachtluft. Ich musste die Tränen wegblinzeln, dennoch konnte ich nicht verhindern, dass meine Sicht verschwamm. Kris war nur mehr ein blonder Fleck neben mir. Die Häuser hörten abrupt auf, vor mir nur noch ein Metallgeländer, dahinter der Fluss, der sich ruhig seinen Weg suchte und gemächlich dahin floss. Ohne nach zu denken, stieg ich über das Geländer, meine Finger umschlossen das eisige Metall, einen kurzen Moment spürte ich das Rauschen des Windes in meinen Ohren, die sanfte Brise streichelte mein Gesicht. Dann sprang ich.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 08, 2014 ⏰

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