1. Kapitel

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Das Mädchen lag im Krankenhaus und starrte an die Decke. An die schneeweisse Decke, die so nach Krankheit und Verletzung roch, wie alles in diesem Gebäude.

Das Mädchen war zusammengeschlagen worden, schon wieder. Erneut in der Schule und erneut von der Clique. Weil es jemanden verteidigte, von dem sie nicht wollte, dass er verletzt würde. Und nun war es selbst verletzt. Nein, es war erneut verletzt worden, verletzt war es schon lange gewesen.

Und es starrte stumm an diese weisse Decke, man hörte nur seinen leisen Atem. Es hatte blaue Flecken und Schrammen, sein Arm war geprellt und zwei Rippen waren gebrochen. Und es war vorallem zu schwach. Zu schwach um zu gehen, zu essen, zu handeln, zu schlafen. Zu schwach um zu leben.

Das eisige Herz, vom nachtschwarzen Feuer umhüllt, wuchs ein kleines Stück, ein kleines Stück voller Frost. Und im Inneren Kern zerbrach es dafür, es zersplitterte und blieb darin liegen. Es war verbrochen durch die unerwiderte Liebe und den Schmerz, den es empfand und nirgends loswerden konnte, durch den Schmerz, den dumme Kommentare und sein Körper selbst erzeugten.

Und das Mädchen ritzte einen Schnitt in seinen Arm, mit der zerbrochenen Füllfeder in seinen Händen. Er war klein und sorgsam ausgewählt worden. Etwas weiter unten als der Ellenbogen, auf der Oberseite seines Unterarms. Schräg von rechts unten nach links oben, knapp zwei Zentimeter lang.

Und das Herz im Inneren des Mädchens speiste wenige, kleine Tröpfchen Blut, die durch das Eis sickerten und in das kalte Feuer flossen. Diese Stellen färbten sich blutrot und fingen an hoch zu züngeln, doch niemals eine der dunklen Flammen zu ersticken. Es war eine blutrote Brunst der Liebe, die mit so viel Schmerz verbunden war, und doch niemals enden konnte. Ein blutroter Brand des Schmerzens, der durch die Liebe erloderte und doch nur von ihr hätte gestillt werden können.

Das Mädchen betrachtete den einen Schnitt und lächelte, dann zog sie ihren Ärmel darüber.

Die Stille zwischen all den WortenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt