3.3 - H E A T H E R - D U E L I E R E N

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«Guten Morgen allerseits.» hiess uns Damian Brown am Freitag willkommen. Wir befanden uns in einem kleineren Probesaal, das hauptsächlich mit 12 Stühlen, einer kleinen Bühne und einem kleinen Beamer seitlich davon ausgerüstet war. Diese Räume dienten hauptsächlich für Theorie- oder Methodikletionen. Nach seinen etlichen Verwarnungen, sass ich heute sogar ausgeschlafen und überpünktlich in der Klasse.

«Obwohl ihr euch besonders in eurem ersten Jahr an der Academy für ein vertieftes Grundwissen stark mit der Theorie der Schauspielerei auseinandergesetzt habt, möchte ich heute mit euch die Grundzüge des Character Acting und Methodic Acting repetieren. Wie ihr wisst, wird nächste Woche das Vorsprechen für das Semesterstück stattfinden, ergreift diese Übungseinheit als eine Chance zur optimalen Vorbereitung darauf.»

Damian Brown trug eine helle Cordhose in Kombination mit einem dünnen, blauen Pulli, der sich über seinen Oberkörper spannte. Seine wuscheligen Haare hatten fast denselben goldbraunen Ton, wie seine Augen. Er tigerte langsam hin und her, gestikulierte hin und wieder mit seinen kräftigen Händen, liess jedoch nie die Klasse aus seinem Blickfeld.

«Character und Methodic Acting sind, wie ihr bereits wisst, die beiden relevanten Kompasse der Schauspielerei, die dem Schauspieler ermöglichen sollen, nicht nur intuitiv sondern auch bewusst eine Rolle zu verstehen und zu verkörpern.»

Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, verschränkte dir Arme unter der Brust und legte den Kopf etwas schief.

«Das Character Acting findet seinen Ursprung bei Conrad Ekhof, dem bedeutendsten deutschen Schauspieler, des 18. Jahrhunderts. Er vertritt die Kunst des Nachahmens. Es geht hierbei um die natürliche Vorstellungskraft und dem Versuch das Vorgestellte so glaubwürdig wie möglich nachzuahmen. Einfacher ausgedrückt, bleibt man sich hierbei treu und spielt die Rolle als eine Art Zweitcharakter. Dies ist eine extrem bewusste Art der Schauspielkunst.»

Damian hatte eine tiefe, ruhige Stimme, die laut durch den Raum schallte. Auch wenn ich ihn nicht leiden konnte, musste ich zugeben, dass er sich bisher nicht als ein schlechter Dozent erwiesen hatte.

«Method Acting basiert auf dem Stanislawski-System, das wir letzte Woche behandelt haben und findet seinen Ursprung ebenfalls im 18. Jahrhundert, jedoch in der Sowjetischen Union. Wie ihr bereits wisst, vertritt Stanislawski die Kunst des Erlebens. Das System veranlasst den Schauspieler dazu bereits erlebte Gefühle, die analog zu den Gefühlen der Rolle sind, aufzurufen. Im Vergleich zum Character Acting wird der eigene Charakter, durch die Rolle ersetzt. Man wird zu eins mit der Rolle.»

Nach seinem Monolog blieb er stehen und liess seine Adleraugen durch die Klasse wandern: «Welche Methode ist für welche Rollen auf der Bühne besser geeignet?» Seine braunen Auge trafen auf meine. Er nahm meinen Blick in Besitz und dachte gar nicht daran, sich von mir abzuwenden: «Heather?»

Sein durchbohrender Blick verriet mir nur, dass er darauf wartete mich zu zerfleischen. Doch ich liess mich nicht davon beirren. Ich kannte mich mit den Theorien der Schauspieler extrem gut aus und das Method Acting gehörte zu meinen absoluten Lieblingstechniken.

«Die Theorie besagt zwar, dass das Method Acting für realitätsnahe Charaktere am geeignetsten ist, da es hier einfacher ist, bereits erlebte Emotionen wieder hervorzurufen. Das Character Acting wird hingegen für exzentrischere Rollen, die schwierig zu nachvollziehen sind empfohlen.»

«Aber?» unterbrach mich Damian, mit einer hochgezogenen Augenbraue. Sein herausfordernden Augen verunsicherten mich, doch ich biss meine Zähne zusammen und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Ich hielt seinem Blick stand. Meine Stimme klang fest und sicher.

«Jedoch würde ich behaupten, dass das Method Acting durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Charakter, vor allem mit ihrer Vergangenheit, in jedem Fall die bessere Wahl ist – insbesondere bei exzessiven Rollen.»

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