Samstagmorgen und Lara stellte beim Einräumen der Pakete fest, dass sie für Becker's ein Paket auszuliefern hatte. Lara ärgerte sich. Dem Etikett und dem Scanner war klar zu entnehmen, dass es sich um ein Prio Paket handelte. Amazon. Da mussten Becker's doch wissen, dass das heute ankam. Und dann hatten die ausgerechnet heute zu. Mitnehmen musste Lara das Paket trotzdem. Klar, sie konnte es dann benachrichtigen. Oder verschieben. Aber nicht vor der Auslieferung. Frühestens dann, wenn sie beim Kunden niemanden angetroffen hatte.
Seufzend verräumte sie das Paket ganz vorn auf der Ladefläche. Sie wusste ja noch nicht einmal, wo Becker's ihren Briefkasten hatten. Sie war bisher immer in die Tankstelle, zum kleinen Tisch beim Büro gegangen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob Becker's überhaupt einen Briefkasten hatten. Dann würde sie das Paket eben auf Montag verschieben. Mit Zustellhindernis im System hinterlegen. Irgendetwas würde schon funktionieren.
Lara schloss die Seitentür kraftvoll. Sie hätte heute an der Tankstelle vorbeifahren können. Das waren gute 30 bis 40 Sekunden, die sie einsparte. Immerhin war Samstag, da wollte jeder so schnell wie möglich ins Wochenende starten. So aber musste sie direkt fünf Minuten einplanen, weil sie gegebenenfalls nach einem Briefkasten und einer Hintertür mit Klingel suchen musste. Nur Ärger mit den Becker's, dachte sie. Nur Ärger.
Lara schaltete den Motor aus und beugte sich über die vorsortierte Post. Sie hatte sich beim Ziehen der Post heute morgen dazu entschlossen, Becker's Briefe mitzunehmen. Auch wenn die Chance gering war, jemanden anzutreffen. Aber sie musste für das Paket ja sowieso anhalten. Sie griff nach der Post, öffnete die Fahrertür und stieg aus. Die Tankstelle war eindeutig geschlossen. Normalerweise standen immer Getränkekisten, Autozubehör und Brennholz vor der Tür. Heute nicht. Lara unternahm trotzdem einen Versuch und rüttelte an der Tür. Abgeschlossen. Lara drehte sich um und zog die Schiebetür auf der Beifahrerseite auf. Sie nahm das Paket und steckte es sich unter den Arm. Mit der freien Hand schloss sie die Tür wieder und begab sich auf ihre Suche nach einer möglichen Wohnungstür. Sie umrundete das Gebäude und fand nichts. Nicht einmal einen Briefkasten. Genervt ging sie zum Auto zurück. Alles umsonst. Vergeudete Zeit, wie sie es heute morgen vorhergesagt hatte. Lara zog die Schiebetür erneut auf. Dabei fiel ihr Blick auf die Waschanlage nebenan. Die Tür zum Lager stand offen. War von den Becker's doch jemand da? Lara seufzte. Sie hatte keine große Lust noch mehr Zeit zu verschwenden, aber direkt das erste Paket des Tages zu benachrichtigen war meistens ein schlechtes Omen. Nicht wirklich, aber gut fühlte es sich trotzdem nicht an. Lara schloss die Schiebetür ein zweites Mal und stapfte ums Auto herum, um den Zündschlüssel abzuziehen. Bei der Distanz, die sie jetzt gleich zwischen sich und das Auto brachte, musste sie das Fahrzeug verriegeln. Better safe than sorry, dachte sie und zog den Schlüssel ab. Sie ließ die Fahrertür zufallen, drückte auf den richtigen Knopf und das Fahrzeug verriegelte sich.
Lara setze sich in Bewegung und stapfte zur Waschanlage. Dort angekommen blieb sie vor der offenen Tür stehen. Sie wollte nicht hineingehen. Das Lager war schlecht beleuchtet und wirkte nass und unfreundlich.
<< Hallo? >> rief Lara hinein.
<< Herr Becker? >>
Sie streckte ihren Kopf nach vorn, um sicher zu gehen, dass tatsächlich niemand da war.
Wie aus dem Nichts griff eine Hand von links nach ihrem Kragen und zog sie ins Lager hinein. Lara wollte schreien, doch da hatte sich bereits eine weitere Hand über ihren Mund gelegt. Sie ließ Post und Paket fallen und versuchte sich loszureißen. Mit ihren Händen schlug sie wild um sich.
<< Sei still! >> zischte es von hinten.
Lara erkannte die Stimme sofort. Junior! Sie hatte sich also nicht getäuscht!
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Lara
Short StoryDie Weihnachtszeit ist stressig. Besonders, wenn man Post- und Paketzusteller ist. Genervt und überarbeitet reagiert Lara bei einem Kunden ungehalten und bekommt bald darauf die Konsequenzen ihres Handels zu spüren. Es ist zu beachten, dass der Inha...