Kapitel 17

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Ein Schrei. Nicht besonders laut, vermutlich hatte er nicht einmal den Raum verlassen doch in ihren Gedanken hallte er wieder und wieder nach. Wie ein Echo, das immer deutlicher wurde. Er kam direkt aus ihrem Herzen und verkörperte damit ihren sehnlichsten Wunsch. Ihren einzigen Wunsch. Freiheit.

Sie wollte hier raus und wenn sie nicht anstrebte dem Tod baldmöglichst ins Auge zu sehen, musste sie das sogar. Das wurde ihr mit jeder Minute die sie länger an diesem Ort verbrachte klar. Nur ihr Körper spielte nicht mit. Er gehorchte ihr nicht mehr. Sie war schwach, wusste nicht einmal mehr ob sie sich überhaupt auf den Beinen halten konnte. Ihre Gedanken schweiften ab. Sie sah sich selbst als kleines Mädchen auf einer wunderschönen Blumenwiese laufen, konnte beinah den Duft riechen. Tulpen, Rosen, Nelken, so frisch und frei hatte sie sich damals gefühlt. Ihr Lachen hallte noch in ihren Ohren nach. Das unschuldige Lachen eines Kindes, welches sich wie Blätter im Wind ausbreitete. Wann war sie das letzte Mal gelaufen? Sie erinnerte sich nicht daran. Alles verschwamm, Sekunden wurden zu Stunden, Stunden zu Tagen.

Doch der Schrei, wenn man ihn als solches bezeichnen konnte, brachte ihr Hoffnung. Seit Tagen, oder waren es Monate?, hatte sie ihre eigene Stimme nicht mehr gehört und dann, war sie plötzlich wieder da. Sie musste daran festhalten, musste an sich glauben. Wenn es nur einen günstigen Moment gäbe um zu entkommen, durfte sie nicht zögern.

Ihr Leben war ganz gewiss nicht so verlaufen wie sie es gehofft hatte. Sie hatte eine Reihe falscher Entscheidungen getroffen, unschuldigen Menschen Schaden zugefügt und sich viel zu lange hinter ihrem grausamen Mann versteckt. Doch noch lebte sie und sollte sie es jemals hier raus schaffen, würde sie versuchen einen Teil dieser Schuld wieder gut zu machen. Es war ihr Leben und das sollte ihr durch niemand anderen genommen werden!

***
Christian sah sie mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck an.  Sie glaubte Trauer darin zu entdecken, doch gleichzeitig sah sie auch so etwas wie Genugtuung und Glück. Dabei hatte sie noch kein Wort gesagt. "Dann reden wir." meinte er plötzlich und deutete mit dem Finger auf den kleinen Esstisch. Hermione ging unsicher hinüber. Irgendwas an seinem Verhalten verwirrte sie. War ihm bewusst was sie vorhatte?

"Ist alles okay?" fragte sie anstatt mit ihm über ihre Gefühle zu sprechen. Christian nickte knapp. "Gut..." meinte sie dann ausweichend und fing damit an ihre Finger zu kneten. Warum kam es ihr nur so vor als würde hier etwas nicht stimmen? Sollte sie ihren Entschluss doch noch einmal überdenken? Handelte sie unüberlegt?

War es ihre Schuld dass sie sich Neuerdings von einander entfernt hatten? Immerhin war sie es, die wieder damit anfing so viel Zeit mit Malfoy zu verbringen. Auch wenn sie lange versucht hatte sich einzureden, dass es nicht daran lag, dass alte Gefühl wieder ihren Weg an die Oberfläche fanden. Sie verheimlichte Dinge vor Christian. Verdammt, sie hatte ihn sogar betrogen. Sie war wohl das Musterbeispiel für eine wirklich schlechte Freundin. Und dafür gab es keine Ausreden. Sie musste anfangen ehrlich zu ihm zu sein!

Aus einem Impuls heraus, griff sie nach dem Schlüssel zu Christians Büro, den sie heimlich kopiert hatte. Sie wand ihn zwei Mal in ihrer Hand, dann schmiss sie ihm diesen zu. Erstaunen trat auf sein Gesicht. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. "Woher hast du den?" fragte er plötzlich ruppig und funkelte sie wütend an. "Warst du in meinem Büro?"

Sie antwortete nicht. Sie wusste das es nicht okay war derart in seine Privatsphäre einzudringen. Ihn auf diese Weiße zu hintergehen. Doch da war noch etwas anderes das sie davon abhielt den Mund aufzumachen. Irgendwas an seinem Verhalten brachte sie dazu zu glauben, dass das was sie dort gefunden hatten, wohl nicht gefunden werden sollte. "Warst du in meinem Büro?" fragte er diesmal noch lauter. Auf seine Stirn legte sich eine tiefe Zornesfalte und seine Hände waren zu zwei Fäusten geballt. Die Stimmung in dem Raum änderte sich, plötzlich kam es Hermione so vor als würde das Zimmer von einer Dunkelheit belegt werden. Schwer und düster war sie, wie die kalten, grausigen Schatten der Nacht. Sie starrte ihm in die Augen, das Ticken der Wanduhr wurde lauter und lauter und gleichzeitig, spürte sie mit jedem Mal als sich der Zeiger bewegte, wie ihr Herz härter gegen ihre Brust hämmerte.

Dramione - Stay with meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt