Kapitel 8

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Ich saß auf der Couch und las in einem Buch, dessen Seiten mit goldenem Rand verziert waren. Es war ein Buch, das ich vor langer Zeit entworfen hatte. Fasziniert blätterte ich um, verblüfft darüber, was ich alles vergessen oder vielleicht eher verdrängt hatte. Einerseits fühlte es sich gut an, andererseits wusste ich nicht, ob das wirklich so gut war. Plötzlich hörte ich, wie Dan nach Hause kam. Ich klappte das Buch hastig zu und schob es unter das Kissen. Ich wollte nicht, dass er es sah. Schließlich wollte ich ihm keine falschen Hoffnungen machen. Dan wünschte sich, dass ich wieder die Hexe wurde, die ich war, als er mich kennengelernt hatte. Aber ich war mir selbst nicht sicher, ob ich das wirklich wieder wollte.
"Wie war dein Arbeitstag, Liebling?" begrüßte ich ihn mit einem Kuss, als er sich neben mich setzte.
"Sehr gut, und wie war dein Tag, mein Engel?" fragte er mich.
"Ruhig, also gut", antwortete ich knapp. Es war nichts Besonderes passiert, also gab es auch nichts zu erzählen.
"Sag mal... kannst du dich inzwischen erinnern, was vor zwei Wochen passiert ist?" fragte er plötzlich.
"Wie kommst du denn darauf?" entgegnete ich überrascht.
"Nun ja, es beschäftigt mich schon. Schließlich ist es merkwürdig, dass du verletzt nach Hause kommst, dich aber nicht erinnern kannst, warum."
"Ja, das stimmt schon, aber vielleicht kommt das ja noch... oder so."
Mir fiel ein, dass Ravenna ein ähnliches Problem mit ihren Gedächtnislücken hatte. Vielleicht konnte ich uns beiden helfen, wenn ich etwas fand.
"Ja, vielleicht... ich gehe mal unter die Dusche" meinte er und stand auf.
"Mach das."
Dan gab mir erneut einen Kuss auf die Stirn und verließ den Raum. Ich wartete ein paar Minuten, bis ich das Wasser laufen hörte, und holte dann das Buch wieder heraus. Ich blätterte erneut darin, diesmal auf der Suche nach etwas Bestimmtem. Nach ein paar Minuten fand ich tatsächlich etwas und las es flüsternd vor, um zu testen, ob ich das Lateinische noch beherrschte. Ohne Probleme las ich flüssig, bis ich an einem schwierigen und langen Wort hängenblieb.
"Sicut squamae."
Ich erschrak, als Dan plötzlich hinter mir auftauchte, und ließ das Buch fallen, das dann mit einem lauten Knall auf den Boden landete.
"Erschreck mich doch nicht so!" sagte ich empört und hob das Buch auf.
"Sorry, Süße. Ich wollte dir nur helfen. Was machst du da überhaupt?" fragte er und schaute auf mein Buch. Seine Haare waren noch leicht nass, und er setzte sich wieder neben mich.
"Ich lese nur." sagte ich und hoffte, dass er es dabei belassen würde. Doch ich kannte ihn.
"Nur lesen? Ausgerechnet in deinem Buch der Schatten? Mach mir nichts vor."
"Ja, nur lesen... ich suche etwas für Ravenna" gab ich schließlich zu.
"Aber mach dir keine Hoffnungen, das wird das Einzige sein. Danach verschließe ich das Buch wieder."
"Aber warum, mein Engel? Ich habe doch gleich gemerkt, als ich nach Hause kam, dass du froh warst." erwiderte er.
"Es waren ja auch großartige Jahre... aber es liegt in der Vergangenheit."
Ja, früher war es wirklich schön. Die Magie in meinen Händen zu spüren, war ein wundervolles Gefühl, doch das brachte auch eine große Verantwortung mit sich, die ich nicht mehr wollte. Ich war doch auch ohne Magie glücklich. Oder...?
"Ach, Süße, es spricht doch nichts dagegen, sie wieder zu entflammen, wortwörtlich." sagte er.

Ich schwieg, denn ich wollte nicht, dass er merkte, wie sehr mich das Thema tatsächlich beschäftigte.
"Komm schon, sag mir, was dagegenspricht." forderte er mich auf.
Ich seufzte.
"Es ist zu gefährlich. Es braucht nur einen Fehler, und dann sitzen wir wieder hier."
"Dann passen wir einfach auf. Du darfst keine Angst davor haben." versuchte er mich zu überzeugen.
"Du verstehst das einfach nicht... hast du jemals einen bösen Geist in dir gehabt? Dann reden wir nochmal darüber."
Ich stand auf und ließ ihn allein. Natürlich verstand er es nicht, wie sollte er auch? Doch in einem Punkt hatte er recht. Es machte mich glücklich, das Buch wieder in meinen Händen zu halten und darin zu lesen. Ich legte es in die Schublade meines Nachtschränkchens und zog mich um.
"Ich gehe an die frische Luft." sagte ich, bevor ich die Wohnung verließ.
Draußen atmete ich tief ein und ließ die kühle Abendluft durch meine Lungen strömen. Ich fühlte mich hin- und hergerissen zwischen den Erinnerungen an die Vergangenheit und der Realität der Gegenwart. Die Magie war ein Teil von mir gewesen, aber sie hatte auch viel Schmerz und Verantwortung mit sich gebracht. Ich wusste nicht, ob ich bereit war, diesen Teil meines Lebens wieder aufleben zu lassen.
Während ich durch die Straßen ging, dachte ich an Ravenna und ihre Bitte um Hilfe. Der Zauber den ich gefunden hatte erfordert sehr viel Magie, da es nun etwas auflösen sollte, was vor zwei, drei Jahren war. Würde Ravena es alleine schaffen?

Das Leben ist Magisch ~EntscheidungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt