Der weiße Löwe

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Als sie das nächste mal die augen öffnete, lag sie mitten im kalten Wald.
Es war still. Sehr still.
Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können. Diese Stille hatte aber auch etwas Unheimliches an sich. Ja, fast schon etwas Mystisches.

Plötzlich ein Schuss.

Direkt hinter ihr. Er hallte noch lange in der Nacht nach, während ein Stechender Schmerz den Kopf des Mädchens durchdrang.
Sie fiel auf die Knie und wartete verzweifelt auf das Blut, jedoch kam da nichts.

Schließlich konnte man das Brechen von Knochen höre, doch wieder kein Schmerz. Ein Stückchen Knochen flog an ihr Bein, weshalb sie sich erschrocken umdrehte.

Direkt vor ihren Füßen lag eine verletzte junge Frau. Sie hatte wunderschöne rote Haare, welche trotz des Blutes, das sie verklebte, immer noch feurig rot erstrahlten. Die blasse Frau hatte die Augen ihres zierlichen Gesichts geschlossen. Sie lag so friedlich am Boden. Weit und breit war keiner zu sehen.

Ein knacken hinter der Brünetten lies sie aufhorchen. Es war ein großer, gut gebauter Mann. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, da er eine Kapuze trug.  Auf dem Namenschild seines weißen Arztkittels stand: Dr. Black.

„Tyler?... Tyler! Hey, diese Frau braucht ärztliche Hilfe.“
Er würdigte sie keines Blickes.  Verzweifelt versuchte das Mädchen seine Aufmerksamkeit zu bekommen, doch er stand nur da.

Er kniete sich langsam hin und hob die verletzte Frau vorsichtig hoch.

Wer war der Unbekannte? War das der Arzt Tyler Black?
Dieser Mann schien etwas größer. Oder waren es nur die Schuhe die das ausmachten...

Er sagte etwas, zu leise, um es zu verstehen. Mit diesen Worten rannte er los. Er rannte immer weiter, bis die Dunkelheit beide verschlang.

Zurück blieb nur das Junge Mädchen welche sich nun wie aus stein fühlte. Sie war regungslos. Bewegungsunfähig.
Star.
„Hilfe! Ich kann mich nicht bewegen! Doktor Black, kommen sie bitte zurück!“
Sie war wie eingefroren. Allein. Im kalten Wald. Und langsam wurde ihr schwarz vor Augen. Das Letzte was sie sah, war ein weißer Löwe, welcher hinter einem Baum hervor kam und ihr tief in die Augen schaute.

Sie wachte letztendlich wieder in ihrem Bett auf.
Es dauerte nicht lange, da klopfte es schon.

Lydia betrat das Zimmer. „Ich habe gehört, dass du wach bist.“ „So? Wie denn?“ fragte das Mädchen verdutzt. „Du hast etwas von einer verletzten Frau gerufen. Und dass du eingefroren bist… Ich wollte nur schauen, was los ist. Ist denn alles ok?“,fragte sie mit besorgter Miene. „Ja alles bestens….Glaube ich.“ „Es war sicher nur ein Alptraum.“ „Ja…“

War es denn nur ein Albtraum oder doch eine Warnung. War es vielleicht eine Erinnerung oder eine Vision. Träume können viel bedeuten, es ist nicht immer klar, was sie bedeuten, aber wenn ein traum so viel Aufmerksamkeit braucht, dann sollte man ihn nicht einfach tatenlos beiseite legen und vergessen.

„Willst du darüber reden?“  Lydia sah besorgt und erfreut zugleich aus. Man konnte nicht sagen, ob es Schadenfreude war oder einfach nur ein nettes lächeln. „Lieber nicht“ wehrte das Mädchen sie zögerlich ab. „Nagut vielleicht ein anderes Mal… Ich bin immer für dich da. Ich habe keine speziellen Termine…“ Den letzten Satz sagte sie mit einem verächtlichen Unterton.

Ein peinliches Schweigen entstand.

„Willst du jetzt Duschen gehen?“, unterbrach sie schließlich die Stille. „Ich habe einen Rollstuhl vor der Tür und einen Schutz für deinen Gips am Bein.“

„Ja gerne.“, antwortete sie mit einem unsicheren Zittern in der Stimme, auf welches Lydia aber nicht weiter einging.

Die Krankenschwester ging zur Tür und schob den Rollstuhl hinein. Ganz vorsichtig half sie der 18 Jährigen in den Stuhl und schob sie ohne ein Wort los.

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