Erlöse uns von dem Bösen

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"Also er ist verlobt."
"Ja."
"Mit der Tochter des Bürgermeisters.
"Ja."
"Um Gottes Willen."

Ich und Angelina saßen beide auf meinem Bett. Ich hatte uns "Tee" gemacht. Heißes Wasser mit Pfefferminzblättern beschreibt es besser.

"Und warum macht er nicht einfach Schluss?"
"Der Bürgermeister Würde ihn töten lassen."
Das würde er vielleicht wirklich. Als Bürgermeister befehligte er die Friedenswächter, solange das Kapitol keine Anderen Befehle gab.

"Und wie habt ihr euch kennen gelernt?"
"Ethan und mein Bruder arbeiten zusammen im Sägewerk. Ich hab ihn getroffen, als ich Randy sein Essen gebracht hab'."
"Und wie soll das weiter gehen?"
Sie warf die Hände in die Luft.
"Ich weiß es nicht. Er will sie ja gar nicht mehr heiraten."
"Ich muss dann später nochmal auf die Krankenstation. Du kannst ja mitkommen und ihn besuchen, wenn du magst."

"Hey, Ford."
"N' Abend. Im ersten Stock haben wir nen' Grippefall. Schau' mal nach dem."
"Okay." Ford ging an uns vorbei.
"Also, Ethan ist im Erdgeschoss. Drittes Bett links."
"Danke."

Angelina blieb noch die ganze Nacht bei Ethan. Als ich die beiden beobachtete, musste ich unwillkürlich an Aiden denken.
Konnte er schlafen?
War er alleine?
Hatte er Alpträume?
Ich vertrieb ihn aus meinen Gedanken. Was kümmerte er mich überhaupt? Sicher hatte er keinen Gedanken an mich verschwendet, seit er entlassen wurde. Warum war er überhaupt einfach so gegangen? Er hätte sich ja wenigstens verabschieden können. Immerhin bin ich wegen ihm da geblieben. So ein Idiot.
Ich räumte die Heilkräuter von Milly wieder in die richtigen Schubladen. Und überhaupt, was wollte er eigentlich?
Er war Sieger. Am Geld lag es wohl nicht. Warum hatte er sein bequemes Leben aufgegeben?
Ich schloss den letzten Schub. Ich wollte Angelina und Ethan nicht stören. Also ging ich einfach nach Hause. Als ich über die Straße gehen wollte, hielt mich plötzlich wer am Arm fest. In der Erwartung, dass es Angelina war drehte ich mich um.
Aber es war nicht Angelina; sondern ein Friedenswächter.
"Ich darf hier draußen sein, ich hab' ne Bescheinigung."
"Okay."
Den Mann interessierte meine Bescheinigung nicht.
Er war einfach betrunken.
"Lass mich los."
Der Mann grinste.
Ich überlegte ob ich ihn schonmal wo gesehen hatte. Nichts.
"Komm jetzt, lass mich."
Ich zerrte an meinem Arm.
Aber der Friedenswächter gab nicht nach.
Für wen hält der sich eigentlich?
Soll er doch zum Rathausplatz. Nicht, dass ich es gut fände, was da passiert.
Langsam, aber bestimmt, zerrte er mich hinter sich her.
Obwohl ich mit Leibeskräften versuchte, mich von ihm los zu machen, zuckte er nicht mal mit der Wimper.
Ich verfluchte meine nicht vorhandenen Muskeln, die von Unterernährung rührten.

Na schön. Dann würde ich eben schreien. Noch bevor ich richtig anfangen konnte, schlug mir der Friedenswächter die Hand vor den Mund. Widerspenstig Biss ich zu. Er fluchte laut. Das war meine Chance, aber als ich mich umdrehte, hatte er sich schon wieder gefangen und packte meinen Arm noch fester als eben. "Aua!"
"Halt's Maul, Schlampe!"
Wütend wollte ich ihm gerade eine Beleidigung an den Kopf werfen, als seine Hand niedersauste und meine Wange anfing zu brennen.
"Geht's noch?"
Mein Knie schoss nach oben, aber der Friedenswächter parierte den Schlag mit einem abfälligen Grinsen.
Der machte mich noch irre. Als ich meine Hand zum Gegenschlag hob, packte er mein Handgelenk und presste es gegen die Hauswand einer Baracke.
Obwohl es sich anfühlte als würde er sämtliches Blut aus meiner Hand quetschen wollen, verzog ich keine Mine.
Ich stemmte mich gegen den unnachgiebigen Körperpanzer.
Nichts.
Ich wurde immer frustrierter.
Er hatte mich zu dem Barackenblock gezerrt.
Würde ich jetzt schreien, schadete ich mir eher selbst als ihm.
Der Friedenswächter war natürlich nicht dumm. Ihm war klar, dass mir jetzt nur noch Gott helfen konnte.
Er presste seine Lippen auf meine.
Sie waren spröde und gierig.
Langsam wurde es mir zu bunt.
Ich biss ihm in die Lippe.
Fest.
"Ah! Miststück!!"
Obwohl ich es hätte ahnen müssen, kam der nächste Schlag unvorbereitet.
Ich schmeckte Blut.
Ob es meins oder seins war, konnte ich nicht unterscheiden.
Plötzlich griff er zwischen meine Beine.
Alarmiert schlug ich um mich.
Der Friedenswächter lachte bloß.
Die Wut ließ mich klarer denken.
Ich schlug ihm mit meiner freien Hand flach gegen das linke Ohr.
"Scheiße!"
Er rammte mit seine Faust in die Magengrube.
"Ah!"
Ich sackte zusammen. Noch nie hatte mich jemand so fest geschlagen.
Der Friedenswächter trat mir gegen die Rippen.
Jetzt hatte ich ihn wütend gemacht.
"Ah!"
Obwohl ich nicht schreien wollte, konnte ich nicht anders. Irgendwas hatte geknackst.
Er packte den Kragen meiner Jacke und presste mich wieder gegen die Wand.
Ich wimmerte. Das wars mit meiner Tapferkeit. Noch nie hatte ich so schlimme Schmerzen gehabt. Mein Brustkorb und mein Bauch pochten und brannten um die Wette.
Er küsste mich noch mal.
Seine Hände wanderten unter mein Oberteil.
Ein letztes Mal versuchte ich mich von ihm weg zu stoßen, woraufhin mein Oberkörper nur noch mehr schmerzte.

Vielleicht geht es ja schnell.

Mit einem Ruck wurde der Friedenswächter nach hinten gerissen. Jetzt, da er mich nicht mehr an die Wand pinnte, sank ich wieder zu Boden. Ein anderer Friedenswächter schlug auf ihn ein. Irgendwann konnte ich den einen nicht mehr vom Anderen unterscheiden. Ich tastete auf Boden herum. Schließlich schlossen sich meine Finger um einen Spitzen Stein.

Als ich wieder aufsah, kam einer der beiden auf mich zu. Der Andere lag regungslos am Boden. Als er sich zu mir hinkniete Strecke er seine Hand nach mir aus.
Ich schlug sie weg. "Fass mich nicht an." Meine Stimme wackelte.
Warum wackelte meine Stimme??
"Erkennst du mich nicht?"
Es hätte mich im Moment nicht weniger kümmern können, wer sich da unter den Helm versteckte.
"Ihr seht doch alle gleich aus."
Der Friedenswächter nahm seinen Helm ab.
Die grünen Augen durchbohrten mich.

Aiden.

Er hatte mich gerettet. Ob es mir nun passte oder nicht.
Ganz langsam steckte er seine Hand nach meinem Gesicht aus. Kurz bevor er mich berührte stoppte er. Ich könnte sie ganz einfach von mir weg stoßen. Aber ich rühre mich nicht. Stattdessen versuchte ich mein krampfhaftes Zittern unter Kontrolle zu kriegen.

Er wischte mir das Blut, das aus einer Wunde in meiner Wange floss weg.
Ganz behutsam.
"Soll ich dich in die Krankenstation bringen?"
Auch seine Stimme war sanft.
Ich nickte und ließ den Stein fallen, den ich in meiner Hand gehalten hatte. Er sagte nichts. Er half mir bloß hoch.
Ich war froh, dass er nicht darauf bestand mich zu tragen.
Soviel Körperkontakt zu einem Mann, hätte ich im Augenblick nicht aushalten können.

Obwohl mir nicht kalt war, zitterte ich immer stärker.
Ich kam mir so blöd vor. Bestimmt merkte Aiden es.
Das Adrenalin war weg und hatte all meinen Kampfgeist mitgenommen. Ich schleifte mich mit Aidens Hilfe zu Ford.

Zum Glück starrte er mich nicht an. Hätte er mich bemitleidet, wäre ich vermutlich in Tränen ausgebrochen.

Ford war total aufgebracht, als er mich sah und ging sofort auf Aiden los.
"Was hast du elender Bastard mit ihr gemacht?" Ford war ein kleiner, stämmiger Mann, aber im Moment schien er doppelt so groß zu sein wie sonst.
"Ford, bitte."
Augenblicklich ließ er von Aiden ab.
"Oh, kleines. Komm her." Er zog mich rüber auf ein Krankenbett.
"Was hat er gemacht?"
Er warf Aiden einen giftigen Blick zu, der an abgrundtiefem Hass grenzte.
"Er wars nicht."
Es tat weh zu sprechen.
Aiden schaute ihn an.
"Ford, ist Angelina noch da?"
Er nickte schnell und sprang auf. Bevor er das Zimmer verließ, sah er Aiden ein letztes Mal warnend an.

"Aiden?"
Er kniete sich zu mir. "Ja?"
Seine Stimme war wieder ganz weich.
"Danke schön."
Mir kamen die Tränen.
Warum jetzt? Warum gerade jetzt??
"Schhh."
Er strich mich durchs Haar.
Ich dachte daran, wie ich ihn auch beruhigt hatte, als er Alpträume hatte.
"Hast du ihn umgebracht?"
"Nein.
Frag mich nicht wie, aber er hat's überlebt."
Er schaute mich durchdringend an.
Mir war klar, dass er wissen wollte, was er gemacht hatte.

Wir hörten Schritte.
Aiden stand wieder auf und trat einen Schritt zurück.
"Piper!"
Angelina stürzte ins Zimmer. Ich hätte mich gerne aufgesetzt um ihr zu zeigen, dass es mir gar nicht so schlecht ging, aber es tat zu sehr weh.
Sie nahm gleich meine Hand.
"Wer war das? Warum hast du nicht gewartet?"
"Irgendein Friedenswächter."
Ihr Blick schnellte nach oben zu Aiden.
"Nicht er."
"Er hat dich aber nicht-"
Aiden hatte sein Kinn ein bisschen gehoben und schaute mich an."
"Er hat mich angefasst."
Angelinas Augen wurden wässrig. Aiden spannte sich an und Ford sah auch aus, als würde er am liebsten anfangen zu weinen.

Hunger Games ~ PompejiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt