Waldspaziergang

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In den nächsten sieben Tagen sah ich Donovan hin und wieder bei den Anderen Friedenswächtern. Er begrüßte mich nicht, also sah ich mich nicht Veranlasst den ersten Schritt zu machen.

Ich kniete am Waldboden und pflanzte eine junge Tanne. Viele glauben, dass wir in Distrikt 7 bloß Bäume Fällen, aber das stimmt nicht. Meine Freundin Angelina setzte sich neben mich und half mir die Wurzeln mit Erde zu zuschütten. "Wie wars gestern im Krankenhaus?" Sie sprach leise. Eigentlich war Reden während der Arbeit verboten. Friedenswächter standen ein paar Meter von uns weg. "Meinst du den Mann, der ausgepeitscht wurde?" Sie nickte. "Geht's ihm gut?"
"Nicht besonders. Er hat heute früh, als ich gegangen bin, Fieber gekriegt."
Sie biss sich auf die Lippe.
"Wie schlimm ist es?"
Ich beobachtete sie. Es konnte doch nicht sein dass-
"Ich kenne ihn, weißt du? Ich mag ihn irgendwie. Er ist-"
"Seit ihr zusammen?"
"Keine Ahnung. Schon irgendwie."
"Und das erzählst du mir jetzt??"
Sie ignorierte das geflissentlich.
"Das Problem ist, er ist verlobt."
Ich starrte die an.
"Gestern ist kein Mädchen aufgetaucht, das nach ihm gesehen hätte."
Ihre Augen weiteten sich.
"Nein?"
"Nein."

Wir wurden von einem Dumpfen Geräusch unterbrochen. Ich drehte mich in die Richtung, aus der es gekommen war und ich sah einen Friedenswächter, der auf dem Boden lag. Alarmiert liefen seine Kollegen auf ihn zu und rissen ihm seinen Helm vom Kopf. "Atmet er noch?" Wollte jemand wissen. Langsam Stand ich auf und ging auf die Friedenswächter zu. "He, macht Platz! Ich kenn' das Mädchen, sie ist Krankenschwester." Ich kannte die Stimme, aber da der Sichtschutz des Friedenswächters unten war, wusste ich nicht, wer er war. Als ich mich über den Mann beugte, der umgekippt war, erkannte ich ihn gleich. Da lag Aiden.

Ich konnte mir nicht erklären warum er das Bewusstsein verloren hatte. Seine Pulsader an deinem Hals pochte gleichmäßig und er war nicht verletzt. Die Blicke der Friedenswächter waren auf mich gerichtet. Ich sollte sie anweisen.
"Ähm." Ich räusperte mich. "Bringt ihn in die Krankenstation." Sofort sprangen sie auf und hievten ihn hoch. Ich drehte mich zu Angelina.
"Worauf wartest du? Hinterher!"
Zuerst langsam, dann immer schneller lief ich ihnen nach. Als ich sie eingeholt hatte, waren sie schon fast da.

"Okay. Legt ihn auf das Bett da." Sie taten wie ihnen geheißen. Es fühlte sich komisch an Anweisungen zu geben und noch komischer war es, dass sie befolgt wurden.

Sie traten einen Schritt zurück, damit ich zu ihm konnte. Ich stich ihm behutsam über die Stirn. Er fieberte nicht. Allerdings hatte er dunkle Ringe unter den Augen und er zitterte.
Ich berührte seinen Brustpanzer. Ich hatte keine Ahnung wie der aufgehen sollte.

"Könnt ihr, ihm den Panzer abnehmen?" Der Friedenswächter, der mich wieder erkannt hatte, trat vor und fummelte an den Schnallen rum. Nach ein paar Sekunden hörte ich ein Metallisches Klicken und er nahm ihm den Panzer ab. Ich konnte nur erahnen, wie schwer der war. Aiden lag jetzt nur noch in einem weißen T-Shirt vor mir. Ich schob es hoch und tastete ihn auf Verletzungen ab. Nichts. Nichts außer Muskeln.
Ich zwang mich regelrecht dazu, meine Augen abzuwenden. Was war denn bloß los mit mir?
Ich war mit meinem Latein am Ende.
Die Friedenswächter hatten wohl erwartet, dass ich ihn dazu bringen könnte plötzlich aufzuspringen.
"Hat er sich in letzter Zeit betrunken?"
Einer der Friedenswächter schüttelte mit dem Kopf. "Schon seit fünf oder sechs Tagen nicht. Er hat auch nicht mehr-" Er unterbrach sich selbst. Aiden Donovan hatte sein Versprechen, zu dem ihn ihn mehr oder weniger gedrängt hatte, gehalten. "Also diese Mädchen am Rathausplatz. Ähm." Ich wusste nicht, ob er versuchte Taktvoll zu sein, oder ob er sich schämte.
"Hat er sich sonst irgendwie komisch verhalten?"
Ein paar Friedenswächter hatten ihre Helme abgenommen und sagen sich gegenseitig an. Sie wussten irgendwas.
"Naja, unsere Baracken stehen ja alle ziemlich nah beieinander." "Brock." Ein Anderer warf ihm einen Warnenden Blick zu. "Sie kann ihm helfen." "Aber das geht uns nichts an."
Brock ignorierte ihn. "Er schreit nachts manchmal. Wenn er alleine ist. Es ist absurd, aber manchmal denken wir, er hat ziemlich schlimme Alpträume." Es ist still. Keiner sagt ein Wort. Sie wollen, dass ich irgendwas mache, aber ich kann mit dieser Information nicht sonderlich viel anfangen. Es sei denn-
"Am nächsten Tag ist er kaum ausgeruht. Er ist immer irgendwie angespannt."
"Sie hat's kapiert, Brock. Halt die Klappe."
War er denn so dämlich? Konnte es tatsächlich sein, dass er sieben Tage lang nicht geschlafen hatte?
Schaffte er das überhaupt?
Schaffte irgendjemand das überhaupt?

"Und?" Brock schaute mich nervös an.
"Er hat nicht geschlafen oder?" Meine Frage macht sie unruhig.
"Nein, wahrscheinlich nicht."
Ein anderer Friedenswächter hat mir geantwortet.
"Dann lasst ihn schlafen."
Sie zögern kurz, dann verlassen sie die Krankenstation. Kurz bevor Brock als letzter durch die Tür will, bleibt er stehen. "Das alles hier, bleibt unter uns." Obwohl es wie ein Befehl klingen soll, höre ich das Bitten in seiner Stimme.
"Ja, natürlich."
Dann geht auch er.

Es dauert dreizehn Stunden, bis Aiden aufwacht. Hin und wieder sind ein paar Friedenswächter vorbei gekommen. Ford hat ihn einfach ignoriert.
Als er aufwacht, sieht er nicht viel besser aus. Die Ringe unter seinen Augen waren blasser, sind aber nicht verschwunden.
Kurz ist er desorientiert.
Dann sieht er mich.
"Langsam glaube ich, dass du das mit Absicht machst." Ich versuche es mit einem Witz.
Aiden grinst.
"Oh ja, du bist der Grund meiner unzähligen schlaflosen Nächte."
Ich mochte Aiden nicht besonders er war ein Mörder. Kapitolliebling. Grausam. Blutrünstig.
Trotzdem brach es mir das Herz, wie er so da lag. Viel kleiner, als ich ihn jemals gesehen hatte. Kaputt. Müde.
Mir wurde klar, wie jung er war. Neunzehn? Zwanzig?

"Schau mich nicht so an."
Ich blinzelte. "Wie soll ich doch nicht anschauen?"
"Als wäre ich ein bemitleidenswerter Junge."
Aber genau das bist du, schoss es mir durch den Kopf.

Er wollte schon wieder aufstehen. "Vergiss es." Ich drückte ihn zurück auf Bett. Er funkelte mich an. "Sag nicht, du hast's dir anders überlegt. Ich dachte ich darf keine Mädchen haben."
Ich verdrehe die Augen.
"Du bleibst hier. Und du wirst schlafen."
"Du musst dich mal entscheiden, Püppchen. Schlafen oder Trinken."
Die provozierende Art, wie er "Püppchen" sagte, regte mich auf.
"Von mir aus." Ich packte seine Uniform und drehte mich um. Die war wirklich höllisch schwer.
"Was machst du da?"
Ich hörte wie er die Decke wegschlug. Ich verstaute die Uniform in irgendeiner Schublade. Ich hoffte, sie war nicht zu schwer und das Holz würde nicht durchbrechen.
Als ich wieder zurück ging Stand Aiden im Türrahmen. Alles was er anhatte, war eine karierte Boxerschorts und das weiße T-Shirt.
"Was soll das?"
"Du kannst von mit aus gehen."
"Du hast meine Uniform versteckt."
"Ja, und?"
"Du bist schrecklich kindisch."
"Und du bist schrecklich stur."
Er schnaubte.

Hunger Games ~ PompejiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt