Nach dem Mittagessen, Lachsfilet, Ofenkartoffeln mit Zaziki und einem gemischten Salat, räumte ich noch ein wenig in meinem Schlafzimmer auf und brachte mein Kopfkissen und die Decke runter. Sie stanken beide ziemlich nach dem Spray, daher musste ich neue Bezüge holen und die alten in die Wäsche tun. Ich trug außerdem alle Klamotten aus meinem Kleiderschrank ins Nebenzimmer, bevor diese auch noch nach dem Spray stinken würden. Ich hätte vielleicht vorher daran denken sollen, alles aus Stoff aus dem Zimmer zu holen. Ich öffnete alle Fenster und schloss die Tür wieder. Nachdem ich im Schlafzimmer alle Textilien evakuiert hatte, wurde mein Kopf langsam wieder frei für neue Gedanken. War dies alles nur ein Zufall? Es musste einer sein, offenbar hatte ich im Halbschlaf die Spinne deutlich zu groß eingeschätzt und jeder stößt sich doch mal den Zeh am Tisch an.
Ich machte mich wieder auf den Weg ins Wohnzimmer, irgendwie hatte ich das Bedürfnis, das Buch auf die Probe zu stellen. Noch zweifelte ich daran, dass es wirklich irgendwelche magischen Kräfte hatte, oder zu anderen Dingen in der Lage war. Ich schlug das Regelwerk nochmal auf und nahm mir vor, jede Regel zu brechen, die ich jetzt brechen konnte. Man darf das Buch nicht beschädigen oder ändern. Was genau mit dem Ändern gemeint ist, war mir jetzt nicht klar, aber beschädigen dürfte ja kein Problem sein. Ich kann ja einfach eine Seite rausreißen. Ich nahm eine Seite zwischen die Finger und zog mit einem kräftigen Ruck dran. Nicht einen Augenblick später verspürte ich ein starkes Brennen an meinen Fingern, ich hatte mir beide Finger am Papier aufgeschnitten, das Blut floss aus meiner Hand und tröpfelte auf das Buch, den Boden und den Sessel. Ich rannte sofort zum Waschbecken in der Küche und versuchte dabei, möglichst wenig auf den Boden zu tropfen. Am Waschbecken angekommen wickelte ich ein Handtuch um meine Hand und ging danach oben ins Bad, um mir Pflaster zu holen.
Im Bad angekommen sah ich mir die Schnitte etwas genauer an, ein Pflaster war sogar schon etwas zu klein dafür. Ich nahm daher den Verbandskasten und wickelte den weißen Stoff sorgfältig um meine Hand, etwas Salbe sollte der Wunde helfen, schneller zu heilen. Nachdem ich mich nun selbst verarztet hatte und die Schmerzen etwas nachließen lief ich wieder herunter. Ich hatte glücklicherweise einen Fliesenboden, bei einem Teppich wäre dies eine Sauerei gewesen. Nur auf den Wohnzimmerteppich hatte ich ein wenig getropft, das Buch würde bestimmt auch einiges abbekommen haben. Es lag auf dem Boden, als ich ins Wohnzimmer hereinlief. Ich hob es auf und stellte entgegen meiner Erwartungen fest, dass auch nur eine einzige Seite des Buches mit Blut beschmiert war. Wie konnte das sein? Auf dem Sessel war Blut, auf dem Teppich ebenso, aber auf dem Buch nicht ein einziger Tropfen.
Noch war dies kein Beweis, ich wollte es weiter testen. Lesen lassen konnte ich es gerade niemanden, also konnte ich ja ein paar Seiten überspringen. Noch besser, ich konnte einfach das Ende des Buches lesen. Ich blätterte also bis zum Ende durch und fing an, zu lesen. „Meine Kopfschmerzen werden immer stärker, sie... sie hören nicht mehr auf. Seit Wochen dröhnt mir der Schädel, ich kann nicht mehr klar denken ich... ich werde verrückt. Aarrghh, meine Augen brennen! Ist das... ist das Blut?! Meine Augen!! Arrgh!". Mich schauderte es. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass mein Opa vor seinem Tod aus seinen Augen geblutet hatte. Ich hielt einen Moment inne, es herrschte absolute Stille, ich hörte kein einziges Geräusch. Irgendwie hatte ich Angst, Angst vor dem Unbekannten. Was würde passieren? Würde etwas passieren? Die Stille wurde durchbrochen von einem Plätschern, ein leicht gedämpftes Plätschern.
Das Blut floss aus meiner Hand durch den Verband auf den Teppich, es floss wortwörtlich. Der Verband war komplett rot und mit Blut durchtränkt, der Anblick machte mich schwindelig. Ich musste hoch ins Bad und einen Druckverband anlegen, blutete schon fast so stark, als läge meine Pulsader offen. Ich lief die Treppen so schnell ich konnte hoch und hatte das Gefühl zu sterben. Ich konnte kaum mehr atmen, mein kompletter Arm fühlte sich tot an, ich konnte ihn nicht mehr bewegen. Mit dem linken Arm versuchte ich daher, einen Druckverband um den Rechten zu legen. Mit meinen Zähnen hielt ich den Verband fest, der mir allerdings immer wieder abrutschte. Das Blut floss immer weiter und mir wurde ständig schwindliger.
Ich riss den Verband von meiner Hand und legte den Arm in die Badewanne, ich wusste nicht mehr genau, was ich tat, ich tat es einfach. Mit dem linken Arm versuchte ich, mir selbst die Blutzufuhr zum rechten Arm abzudrücken. Kaum tat ich dies, färbte sich mein rechter Arm schnell sehr blass. Das Blut lief komplett aus dem Arm und ließ nur ein langsam auskühlendes Stück Fleisch und Knochen zurück. Wieso hatte ich noch keinen Notarzt gerufen? Ich musste wieder runter in die Küche, hier oben hatte ich kein Telefon. Ich wollte aufstehen, allerdings fehlte mir die Kraft dazu.Hoffnungslos und langsam ausblutend saß ich nun neben der Badewanne, ich fühlte mich von Sekunde zu Sekunde schwächer, mein Körper wurde immer schwerer, der Schweiß perlte mir von der Stirn, mein Kopf fing an zu schmerzen. War es das jetzt? Würde ich so sterben? Mein Kopf kippte mir in den Nacken, ich konnte ihn nicht mehr hochheben. Ich fing an, Blut zu husten, es lief mir aus den Mundwinkeln am Nacken entlang den Rücken herunter. Ich kippte nach hinten um und zog dabei den Arm mit aus der Badewanne, welcher auf meiner Brust landete. Der Arm war bereits bleich und kalt geworden, ich konnte nicht mehr wirklich scharf sehen. Alles um mich herum wurde so trüb und schwammig, das Licht am Wandschrank wurde so grell, ein leises Piepen kam im Hintergrund auf. War das der Tod? Das Piepen kam immer näher und wurde dabei stetig lauter. Bei geschlossenen Augen war alles schwarz, öffnete ich sie, wurde es blendend grell. Ich hustete erneut Blut, welches mir ins Gesicht spritzte. Ich hörte Schritte, langsame schwere Schritte, die immer näher... kamen... Jeder Schritt hallte... wie ein Paukenschlag... Bamm... Bamm... Stille.
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Chained
TerrorDiese Geschichte fesselt dich an einen Fluch. Du wirst lesen, wie die letzte Person vor dir das Buch gelesen hat, nicht auf dieses gehört hat und deswegen einen qualvollen Tod erleiden musste. Gehorche daher lieber dem Buch, um einen ähnlich qualvol...