*Sugawaras Sicht*
Kiryu war in den letzten Wochen immer wieder zum Abendessen bei uns gewesen. Ehrlich gesagt fand ich es sogar merkwürdig, wenn sie nicht da war und ich dann alleine das aufgewärmte Essen aß. Was hieß allein? Meinte Mutter setzte sich schon zu mir.
Obwohl das noch vor kurzer Zeit völlig normal für mich war, passte es nun nicht mehr in meine Routine. Manchmal kam Kiryu noch zum Ende des Trainings. Letzten Mittwoch war sie für die letzte halbe Stunde da. Heute am Freitag hatte sie es nicht geschafft.
Es war nicht so, dass ich darauf wartete, dass sie ihren Kopf durch die Tür der Turnhalle steckte. Doch die Fragen meiner Mannschaftskameraden schürten auch meine Neugierde. Nachdem wir aufgeräumt hatten, verließen wir erledigt und verschwitzt die Halle. Ukai hatte uns heute mal wieder richtig gedrillt.
"Koshi?"
Reflexartig reagierte ich auf meinen Namen. Kiryu lief die letzten Meter zu mir: "Tut mir leid! Ich bin zu spät."
Grinsend zog ich sie in eine Umarmung: "Ach keine Sorge.", brüderlich wuschelte ich ihr durchs Haar "Aber warum bist du überhaupt noch hergekommen?"
Leicht besorgt sah ich sie an. Die Dämmerung war schon weit fortgeschritten, bald war es dunkel. Eigentlich gar nicht mehr die Zeit, zu der Kiryu noch unterwegs war.
Lachend drückte sie sich weg: "Du bist verschwitzt! Geh dich umziehen. Deine Mutter wartet schon."
Sanft drückte ich ihre Schulter: "Ich beeil mich ja. In fünf Minuten sind wir unterwegs, versprochen."
"Okay, ich schreib ihr."
Für drei Schritte wurde ich langsamer. Hatte ich das gerade richtig gehört? Sie //schrieb// meiner Mutter? Kopfschüttelnd setzte ich meinen Weg fort. natürlich empfingen die Jungs mich wieder mit ihren Fragen: "Na? Habt ihr wieder ein Date?"
Scherzhaft boxte ich Tanaka in die Seite: "Wie oft noch? Wir sind Freunde und meine Mutter hat sie zum Essen eingeladen."
Hinata grinste direkt neben mir: "Dafür hat sie uns aber schon oft besucht."
Mit den Augen rollend stopfte ich meine Sachen in die Tasche: "Bis Morgen!" und verschwand.
Kiryu stand unter einer Lampe, direkt an die Wand gepresst. Den Blick fest auf den Boden gerichtet, so als könnte nichts passieren, wenn sie niemanden sah.
"Hey."
Panisch sprang sie zur Seite. In ihren aufgerissenen Augen stand Angst, sie atmete so heftig, dass sich ihr Brustkorb deutlich hob und senkte: "Verdammt Koshi!"
Halb im Ernst schlug sie mir auf den Arm. Darüber lachend zog ich sie wieder in meine Arme, meine Wange gegen ihre gelehnt flüsterte ich nah an ihrem Ohr: "Tut mir leid. Nächstes Mal häng ich mir ein Glöckchen um."
"Blödmann!", lachte sie und schlug mir wieder auf den Arm.
Mit Leichtigkeit drehte sie sich aus der Umarmung und sah in Richtung Schultor. Vorsichtig legte ich meine Hand in ihren Rücken: "Na los, wir gehen gemeinsam zu mir."
Wie üblich bot ich ihr meinen Arm an. Inzwischen wusste ich, wie schlimm die Dunkelheit für sie war. Es war allerdings leichter, wenn sie nicht alleine war. Sobald sie sich untergehakt hatte, gingen wir los.
"Deine Mutter meinte, dass wir uns keinen Stress machen sollen. Dein Vater ist schon zuhause, die beiden haben gegessen. Aber sie hält uns was warm."
Ungläubig sah ich sie an. Nicht nur dass sie die Nummer meiner Mutter hatte und mit ihr schrieb (wann hatte Mama das überhaupt gelernt?), sie schienen sich immer besser miteinander zu verstehen. Es hatte schon fast den Anschein, dass meine Mutter Kiryu adoptiert hatte.
"Kann ich dich mal was fragen, Kiryu?"
"Sicher."
"Wann hast du meiner Mutter beigebracht mit ihrem Handy mehr zu machen, als zu telefonieren?"
Sie zuckte mit den Schultern: "Sie hat mir einige Tipps und Kniffe fürs Kochen gegeben, dafür hab ich ihr gezeigt, was ein Smartphone so alles kann. Ich meine... hast du dir schon mal die Worte für ein Telefonat zurecht gelegt?"
"Ähm nein...?", warum auch?
"Tja, ich schon. Weil für mich ist das nicht so leicht, weißt du? Und wenn die Person am anderen Ende sich dann nicht ans Skript hält, ist das alles andere als leicht. Meistens weiß ich nicht wirklich, wie ich reagieren soll. Beim Schreiben kann man sich die Worte zurechtlegen. Jedes Mal hat man wieder Zeit sich etwas zu überlegen, man kann Wörter löschen und neu schreiben, bevor man sie absendet. Das gibt mir Sicherheit und es fällt mir einfach leichter. Deswegen schreibe ich lieber mit anderen."
Inzwischen hatte ich gelernt, dass Kiryu ihr eigenes Tempo hatte, wenn sie sich öffnen wollte, dann tat sie das. Manchmal erzählte sie einfach frei von sich, um hinterher auszuweichen und alles runter zu spielen.
Wenn man allerdings versuchte vorzupreschen, warf sie das umso weiter zurück und letztendlich machte sie dicht. Ich tat alles um das zu verhindern. Mir gefiel es Zeit mit ihr zu verbringen, sie kennen zu lernen, sie lachen zu hören und sie glücklich zu sehen. Das alles machte mich glücklich.
Um die nächste Ecke gebogen, krallte sie sich mit beiden Händen in meinen Oberarm, drückte sich regelrecht an mich. Aufmerksam sah ich mich um. Aber ich konnte nichts entdecken. Die Straße war leer, kein Auto, keine anderen Menschen. Doch als ich sie gerade fragen wollte, was los ist sah ich ihren starren Blick.
Ohne sich zu bewegen fixierte sie einen kleinen Busch am Straßenrand.
"Hast du Angst?"
"Ich?", obwohl sie leise sprach, hörte man eine leichte Hysterie in ihrer Stimme "Nein! Ich bin völlig verspannt und habe diesen dämlichen Gesichtsausdruck, weil ich so viel Spaß habe!"
Eine Katze sprang aus dem Gebüsch, sobald wir weiter gingen.
Sanft streichelte ich über ihre Hand, ich sollte sie am besten ablenken: "Hat Mama gesagt, was es zu essen gibt?"
Ihr Körper entspannte sich: "Oh. Ich hab da gar nicht nach gefragt..."
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Nach dem Essen setzten wir uns in mein Zimmer. Wie immer nahm ich auf dem Bett platz, Kiryu am Schreibtisch. Normalerweise würden wir jetzt mit den Hausaufgaben anfangen. Doch heute war Freitag und wir hatten das ganze Wochenende dazu Zeit. Also sah ich die Schwarzhaarige an. Ihre Haare waren wieder in einem hohen Zopf zusammengebunden. Mit dieser Frisur sah man ihr Gesicht viel besser und ihr wundervolles Lächeln kam viel besser zur Geltung. Auch wenn ich jetzt nur ihr Profil sah, da sie in ihrer Tasche wühlte.
"Erzählst du mir, warum du vorhin so... naja... was los war?"
Langsam fast wie in Zeitlupe hob sie den Kopf, gleichzeitig sank ihre Tasche zu Boden. In ihren Augen lag so viel Schmerz, dass sich mein Herz zusammenzog. Man konnte ihren Schmerz fühlen.
"Du wirst dir wünschen, dass du mich das niemals gefragt hättest."
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Ich habe fast ein schlechtes Gewissen, weil dieses Kapitel schon wieder so kurz ist :(
Hoffentlich könnt ihr mir verzeihen >.<
*Cupcakes mit Erdbeeren drauf hinstell*Vielen Dank an Apriliyuu deine Kommentare sind einfach unglaublich :oo
Und ein dickes Danke geht auch an Akina_jade <3 vielen vielen Dank für dein Kommentar.
Ihr motiviert mich!
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My guardian Angel
RandomLiebe Substantiv, feminin [die] 1a. [ohne Plural] starkes Gefühl des Hingezogenseins; starke, im Gefühl begründete Zuneigung zu einem [nahestehenden] Menschen "mütterliche, kindliche, reine, innige Liebe" 1b. [ohne Plural] auf starker körperlicher...