XXII. Bekenntnisse - Teil II

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Alecs Pov

"Und du musst Izzys Simon sein?", begrüßt Mom meinen Hintermann freundlich.
Es tut mir schon etwas leid, dass Simon zu diesem Essen genötigt wurde, aber früher oder später hätte er meine Eltern ohnehin kennen gelernt, wenn es ihm mit Izzy wirklich ernst ist.

"Izzys Simon? Äh... ja, das bin ich", stottert er perplex und reicht meiner Mutter höflich die Hand. Ich hoffe, er fängt sich wieder, bevor er meinem Dad gegenübertritt.
"Freut mich sehr", setzt Simon nach.
"Mich auch. Das Glück ihrer Kinder ist für eine Mutter das Größte."

Es berührt mich, diese Worte aus dem Mund meiner eigenen Mom zu hören.
Ihr warmherziger Blick ist wie immer aufrichtig und lässt mich Hoffnung schöpfen. Hoffnung, Akzeptanz und Verständnis auch von meinem Vater zu bekommen. Er ist kein schlechter Mensch, jedoch gibt es tief verankerte Überzeugungen in ihm, gegen die niemand ankommt.

"Kommt erstmal rein, das Essen ist auch gleich fertig."
"Wo ist Izzy?", erkundige ich mich beiläufig.

"Die macht sich noch kurz fertig."
Der Reihe nach betreten wir mein Elternhaus und ich erinnere mich daran, in welchem Zustand ich es verlassen habe. Noch vor wenigen Wochen war ich ein völlig anderer Mensch. Mein bester Freund hatte jeglichen Kontakt zu mir abgebrochen und ist an einen mir unbekannten Ort gezogen.

Die High School hatte ich durchschnittlich gut abgeschlossen, dennoch stand ich auf der Warteliste für ein naturwissenschaftliches Studium. Ich wollte einfach nur noch hier weg und alles hinter mir lassen. Nochmal neu anfangen, es besser machen.

Wenn ich zurückblicke, habe ich einen enormen Weg zurückgelegt. Meine inneren Dämonen konnte ich mit Magnus' Hilfe im Zaum halten. Der Zorn, der mein ständiger Begleiter war, wich einem viel stärkeren Gefühl: Liebe. Eine Liebe, die so kraftvoll und rein ist, dass sie mein Innerstes zum Leuchten bringt. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass mir einmal so viel Glück widerfährt.

Es ist seltsam für mich, jetzt wieder zu Hause zu sein und daran erinnert zu werden, was für ein Mensch ich noch vor kurzem war. Der Blick in die Vergangenheit bringt mich nicht nach vorn, im Gegenteil. Er hindert mich daran, voranzuschreiten.

Ich lasse mir Zeit, Mantel und Schuhe auszuziehen. Magnus spürt meine Unsicherheit und greift nach meiner Hand, drückt sie fest. Er hat wie immer eine beruhigende Wirkung auf mich.

Auch vorhin auf dem Rastplatz. Für einen Moment lief ich Gefahr, wieder in alte Verhaltensmuster zurück zu fallen und mich in einem tiefen dunklen Abgrund zu verlieren. Die plötzliche Konfrontation mit Rebecca hat mich völlig unvorbereitet aus der Bahn geworfen.

Immer wenn ich an diesen Abend zurückdenke, halte ich mir vor Augen, was ich beinahe verloren hätte. Jetzt wo ich IHN gerade erst gefunden habe.
Ich bewundere Magnus für seine innere Stärke. Er hat die Hölle auf Erden durchlebt und steht jetzt trotzdem zuversichtlich an meiner Seite, mit diesem hinreißenden Lächeln.

Wir geben uns beide Kraft und Halt, bewahren einander vor dem Ertrinken.
"Wollen wir?", fragt mich Magnus vorsichtig.
Ein tiefer Atemzug durchströmt meine Lungen, meine Finger verschränken sich mit seinen und ich nicke zustimmend.
Schluss mit Weglaufen.

Kurz bevor wir allesamt das Esszimmer erreichen, vernehme ich laute Schritte auf der Treppe im Hausflur und halte abrupt inne.
"Alec!", ruft mir Izzy zu und poltert lautstark die Stufen herunter.
Überschwänglich rennt sie mir in die Arme.
Überfordert mit ihrer stürmischen Begrüßung, erwidere ich ihre Geste nur zaghaft, aber liebevoll.

Unser Verhältnis ist wieder vertrauter, fast wie früher. Wir teilen unsere Sorgen zum größten Teil miteinander, sprechen über unsere Gefühle. Vor allem mir fiel das in den vergangenen Monaten besonders schwer. Eine innere Blockade hielt mich immer etwas auf Distanz zu meinen Mitmenschen. Die Angst vor Enttäuschung war einfach zu groß.

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