V01CH01- Aalborg, November 1879

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„Papa, ich fühl mich gar nicht gut.“

„Ich habe schon den Arzt rufen lassen. Er wird bald ankommen.“ Hektisch blickte er sich um. Derzeit ging eine grausige Grippewelle um, und die Menschen auf der Straße starben wie Fliegen.

Trotz all der nie dagewesenen technischen Möglichkeiten, die wir heutzutage haben, können wir nicht einmal eine banale Krankheit wie Grippe stoppen dachte sich Masako.

Seine kleine Akira war vor ein paar Tagen noch freudig herumgesprungen und hatte ihn bei seiner Arbeit gestört. Damals hatte er sich gewünscht, sie wäre etwas weniger lebendig. Jetzt bereute er diesen Wunsch.

Seit seine Frau vor ein paar Jahren verstorben war, hatte er nichts mehr außer seine kleine Tochter. „Licht“ bedeutete ihr Name in seiner Muttersprache. Trotz dem Protest seiner Frau hatte er ihr einen ausländischen Namen gegeben. Ihr hätte Anette oder Margaret gefallen, aber Masako hatte sich durchsetzen können.

Wütend stand er auf. Wo blieb dieser verdammte Arzt? Er hatte schon vor gut einer Stunde eine Magd damit beauftragt, den nächstbesten Arzt aufzusuchen, und ihn wenn nötig herzuschleifen.

Sie hatte sich wahrscheinlich verlaufen oder war womöglich auf dem Weg zum Arzt überfallen worden.

Masako trat fest gegen den Stuhl, auf dem er vorhin noch gesessen hatte. Warum musste sie gerade jetzt krank werden? Er war gerade mitten unter einem wichtigen Projekt, das sich sicher gut verkaufen ließ. Damit könnte er seinen Ruf als Hobby-Erfinder endlich ablegen und würde endlich in Fachkreisen ernst genommen.

Krankheit bedeutete- zwar nicht mehr immer, aber noch viel zu häufig- Tod.

Seine Frau war auch vor einigen Jahren von einer Epidemie dahingerafft worden. Sie war der Grund, warum er sein Heimatland verlassen hatte und ans andere Ende der Welt gereist war, mit nichts als einem kleinen Koffer mit Andenken.

Fünf gemeinsame Jahre und eine Tochter hatte sie ihm geschenkt. Oft hatte er daran gedacht, wieder zurück zu reisen mit seiner Tochter und in seiner Heimat abermals von vorne zu beginnen.

Doch der letzte Wunsch von Catherin war es gewesen, dass sie hier, im kalten Dänemark aufwachsen sollte.

Normalerweise war Masako niemand, der sich um solche Wünsche kümmerte. Die Toten kümmerte es nicht, was die Hinterbliebenen anstellten, und die Hinterbliebenen hatten ein Leben, das weiterging.

Doch seine Tochter war noch ein Kind gewesen, gerade alt genug, um ihre ersten Worte zu sagen und gehen zu lernen. Er konnte sie nicht einfach mitnehmen auf eine lange Reise, zu groß war das Risiko, auf dem Weg an einer Krankheit zu sterben. Außerdem war da noch das Haus.

Sein Schwiegervater war ein Händler gewesen, der sich nicht zu schade gewesen war, Afrika zu umschiffen und mit den Indern Handel zu treiben.

Er war damals einer der ersten, ein Pionier auf dem Sektor der neuen Seefahrt, der in ein Dampfschiff investiert hatte, und dann damit in See gestochen war.

Inspiriert von den wunderschönen seidenen Stoffen, die aus China nach Dänemark kamen, wollte auch er Geschäfte mit den Asiaten machen. Doch würde er chinesische Seide anbieten, wäre er nur einer unter vielen.

Er wäre damit durchaus einer der reichsten Händler in der Gegend gewesen, aber Sander Gustavson war ein ambitionierter Mann. Er wollte etwas nie dagewesenes vorstellen und versprach sich um einiges mehr Gewinn, als seine Händlerkollegen jemals erwirtschaften könnten.

Deshalb nahm er sich vor, die Küste von Asien zu bereisen und sich in den größten Häfen die heimischen Stoffe und Erzeugnisse anzusehen. Gerüchteweise hatte er etwas von thailändischer Seide gehört, die viel farbenprächtiger als die chinesische war.

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