Aliya
Gemeinsam mit Cloe setze ich mich an einen leeren Tisch in der Cafeteria. Weil es Mittwochs immer den ekelhaften Kartoffelbrei gibt, sind mehr Tische frei, als sonst.
„Mrs. Michaels kann mich mal, ich versteh echt nicht, wieso ich auf meinen Vortrag eine scheiß drei bekommen habe, ich war doch tausend Mal besser als Tom und er hat trotzdem eine bessere Note!", regt sich Cloe noch immer über unsere Englisch Lehrerin auf und packt ihren Joghurt aus.
„Ich versteh es auch nicht, du hättest mindestens eine zwei verdient", schließe ich mich ihr an und beiße in meinen Apfel. Ein wenig sehe ich mich um und erkenne unsere Klassenkameraden an den anderen Tischen. Irgendwie waren Cloe und ich schon immer ein wenig die Außenseiter. Nicht weil uns die anderen nicht mochten, oder wir sie nicht mögen, sondern weil wir einfach gerne unter uns sind.
„Nick hat mich übrigens gefragt ob wir am Freitag zum Skatepark gehen wollen", mit großen Augen sieht sie mich an und nimmt einen Löffel von ihrem Erdbeerjoghurt.
„Hä wie geil! Du musst unbedingt hin!", gebe ich ihr direkt zurück. Ich hoffe sie hat ihm schon zugesagt, sie wäre dumm, wenn sie da nicht hingehen würde.
„Bist du dumm, er meint nicht nur mich, er will das wir beide kommen", lacht Cloe und verwundert mich ein wenig. Die wollen das ich nochmal komme? Ich? Also ich weiß ja nicht.
„Echt? Ich weiß nicht...", ein Skatepark, nur mit den Jungs?
„Ach komm schon Ali, nur für mich, bitte! Die anderen werden auch da sein und die schienen dich echt zu mögen, komm schon", bettelt sie mich ein wenig an. Irgendwie könnte ich es auch nicht bringen, nicht mit ihr zu gehen. Ich weiß wie sehr es sie freuen würde, Nick wieder zu sehen.
„Hm, okay, aber nur für dich, dieser Noah hat mich dezent abgefucked", lache ich und verdrehe meine Augen, wodurch auch Cloe lachen muss: „Ich weiß, aber danke! Ich bin dir was schuldig", total glücklich isst sie weiter ihren Joghurt und als es kurz still ist, fällt mir etwas auf. „Ist dieser Josh dann eigentlich auch wieder dabei?", frage ich sie ein wenig ernster.
„Ich weiß nicht, sobald ich das verstanden habe, sind Nick und Josh so gut wie beste Freunde. Also denk ich mal schon, wieso?", mit einem sauberen Wurf, entsorgt sie ihren Becher und trifft die Mülltonne, die circa vier Meter von uns entfernt steht. Ich verstehe bis heute nicht, wie man so zielsicher werfen kann.
„Ich bin mir nicht sicher, aber kann es sein, dass er auf der ganzen Party kein einziges Wortgesagt hat? Abgesehen davon, dass er mich ausgelacht hat", skeptisch sehe ich Cloe an und sehe ihr an, wie sie den Abend in ihren Gedanken nochmal durchspielt.
„Hä, ja man, du hast vollrecht. Aber jetzt wo du es erwähnst, irgendwie hab ich ihn noch nie viel reden hören", Cloe muss lachen, obwohl ich das irgendwie nicht komisch finde.
„Redet er nicht, oder was?", als ob er nicht redet. So wie er sich mir gegenüber verhalten hat, schien er, als hätte er ein ziemlich großes Maul.
„Kein Plan, Nick hat irgendwann nebenbei erwähnt, dass er früher ganz anders war. Anscheinend soll Josh mal lustig und gesprächig gewesen sein. Dann ist anscheinend irgendwas passiert und 'er war danach nie wieder der Selbe'", sie betont den letzten Teil, als würde sie es aus einer Geschichte vorlesen und ich lache kurz gespielt auf. Bisschen komisch find ich das schon. Was soll denn bitte passiert sein, dass ihn so verändert hat?
„Uh er scheint dich ja ganz schön zu interessieren", schmunzelt Cloe mit einem schmierigen Lächeln und hebt ihre Augenbrauen. Typisch Cloe, versucht mich immer mit jedem zu verkuppeln.
„Ha-ha-ha, nein. Ich fand sein Verhalten nur komisch. Ich mein wer geht auf eine Party und sagt den ganzen Abend kein einziges Wort?", ich überspiele die Situation mit einem Lachen und bin froh, dass die Schulglocke unsere kurze Mittagspause beendet.
„Jetzt noch nh Doppelstunde Mathe...gar kein Bock", beschwert sich Cloe wie immer über die Schule und verdreht genervt ihre Augen. Ich lache über ihr Verhalten, an dass ich mich nach zwölf Jahren gewöhnt habe und suche mit ihr unseren Matheraum auf. Nach dem Matheunterricht, verlassen Cloe und ich die Schule und machen uns auf den Weg nach Hause. Ein kurzes Stück laufen wir gemeinsam, bis sich unsere Weg trennen. Zuhause angekommen gehe ich direkt auf mein Zimmer und lege meine Sachen auf meinem Tisch ab. Das Haus ist leer, so wie immer wenn ich von der Schule komme. Meine Eltern arbeiten von morgens bis abends und Geschwister habe ich keine. Deshalb genieße ich den größten Teil meiner Tage allein Zuhause. Naja, außer wenn ich Cloe mit zu mir nehme. Sie hat nämlich so keine Ruhe Zuhause. Das ist aber auch schwer mit einem kleinen Bruder und einer älteren Schwester, von denen einer immer Daheim ist.
Sofort mache ich mich auf den Weg in unsere Küche, weil ich kurz vorm verhungern bin. Während mein Essen in der Mikrowelle auftaut, greife ich zum Telefon und rufe meine Mutter auf dem Büro an. Nur weil ich alleine Zuhause bin, heißt es nicht, dass ich nicht jeden Tag meine Eltern anrufen muss, um ihnen zu versichern das ich Zuhause bin und spontan etwas unternehme. Meine Eltern sind nämlich gegen alles, dass auf irgendeine Art und Weise spontan ist. Immer müssen sie alles im Voraus wissen und sicher machen, dass sie 24/7 wissen wo ich bin.
„Cathrine Anderson, wie kann ich ihnen weiter helfen?", höre ich ihre ernste Stimme, als sieden Anruf annimmt.
„Hi Mom", gebe ich ziemlich monoton von mir und hole mein Essen aus der Mikrowelle.
„Ach Hallo, wie war dein Tag?", fragt sie mich, als würde es sie wirklich interessieren.
„Ganz gut, ich wollte nur Bescheid geben, dass ich Zuhause bin", gebe ich schnell die Informationen, die sie benötigt.
„Okay, dein Vater und ich sind heute bis sechs im Büro, dann kommen wir wieder", sagt sie wie jeden Tag und ich nehme mir die Freiheit und beende die Konversation darauf mit einer Verabschiedung und lege danach auf. Mit dem Essen, dass ich mir von gestern aufgewärmt habe, setze ich mich an den großen Esstisch und schalte Netflix auf meinem Handy ein. Entspannt esse ich auf, räume alles in die Spülmaschine und gehe dann in mein Zimmer um Hausaufgaben zu machen. Mit einer ruhigen Musik, die von meinem Plattenspieler kommt, beschäftige ich mich einige Stunden mit Schulsachen und schreibe zwischendurch noch mit Cloe. Danach greife ich wie oft einfach nach meiner Ukulele und spiele einige Lieder, die ich mag und bringe mir danach noch ein neues bei. Pünktlich um sechs sind meine Eltern wieder da und rufen durchs Haus, dass sie angekommen sind. Ohne mir die Mühe zu machen nach unten zu gehen, rufe ich zurück und bleibe noch eine ganze Zeit in meinem Zimmer. Erst zum Abendessen, verlasse ich mein Zimmer und setze mich an den fertig gemachten Esstisch.
Ich führe das gleiche Gespräch mit meinen Eltern, wie immer und erwähne nebenbei das ich für Freitag Pläne habe.
„Was hast du denn vor?", fragt meine Mutter. Sie war schon immer die strengere von den beiden.
„Ich treffe mich für ein Schulprojekt mit Cloe", niemals würde ich auf die Idee kommen,meinen Eltern die Wahrheit zu sagen. Wenn sie wüssten, dass ich zueinem Skaterpark gehe und den ganzen Tag mit Jungs chille, die kiffenund die sie nicht kennen, könnte ich mich gleich von meiner„Freiheit" verabschieden.
„Welches Thema hab ihr denn?", hakt meine Mutter nach.
„Zellvorgänge in Bio",erfinde ich einfach spontan und steche in meinem Essen herum.
„Wieso trefft ihr euch denn nicht hier, hier habt ihr viel mehr Ruhe", ich wusste, dass meine Mutter dieses Argument bringen würde und bin stolz auf mich, weil ich so ein gutes Thema gewählt habe.
„Weil Cloes Schwester Bio Leistungskurs hat und uns hilft", so bringe ich meine Mutter dazu keine Gegenfragen mehr zu stellen und mich einfach gehen zu lassen. Mein Vater zeigt wie immer nicht viel Reaktion darauf. Ihn interessiert es eigentlich nicht wo ich mich auftreibe und was ich mit wem unternehme. Würde er die Hosen in der Ehe anhaben, könnte ich meine Jugend vielleicht auch ein bisschen mehr ausleben.
Sehr viel länger bleibe ich dann auch nicht mehr am Esstisch und stehe auf. Nachdem ich eine Stunde später geduscht habe und mich fertig gemacht habe, schaue ich noch ein wenig Netflix und lege mich dann schlafen.
Ich freue mich eigentlich auf Freitag. Dabei weiß ich gar nicht wieso. Es ist nicht so, als wären die Jungs der Typ Mensch, mit dem ich normalerweise meine Zeitverbringe. Dennoch schienen mir Nick und Daniel ziemlich sympathisch. Noah und Josh werde ich schon aushalten können. Für Cloe würde ich eh jeden aushalten.

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Teaching how to live
RomanceEs ist kurz vor den Sommerferien und Aliya freut sich darüber, dass sie sich endlich keinen Kopf mehr um die Schule machen muss. Jedoch werden ihre Gedanken jetzt von etwas ganz anderem eingenommen. Oder besser gesagt jemand anderem? Über ihre beste...