18.3 Elyons Albtraum

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Nevin trug sie mit leisen Schritten durch die Schlucht hindurch. Je weiter er ging, desto mehr ging sein Gang in ein Schleichen über und seine Ohren zuckten immer wieder, als würden sie auf ein Geräusch warten. Dann begann ein lautes Knurren, dass durch die Schlucht echote. Laut und voll. Das kam nicht nur von einem Tier. Elyon schätzte mindestens zehn.

»Hinter der Biegung dort vorne, sind die schwarzen Drachen. Sie haben nichts Menschliches mehr an sich und sind extrem aggressiv.«

Ihr Herzschlag bebte in ihrer Brust. Doch nicht vor Angst. Es die Aufregung, die Elyon half ihre Sinne zu schärfen und sich ganz auf die Tiere zu konzentrieren. Diese Drachen konnten nicht so gefährlich sein wie der, dem sie in der Höhle begegnet war. Schnell schob Elyon die Bilder, die sich ihr aufdrängten zur Seite und sah voller Neugierde nach vorne, als hinter einer Biegung ein weiterer Steinkessel lag. Doch hier gab es kein Wasser und kaum Sand. Nur eine dünne Körnerschicht bedeckte den dunkelgrauen Boden. Die hohen Steinmauern, die sie einkesselten, waren ausgehöhlt und vor den Halbhöhlen, standen dicke Gitter, die in die Felswand übergingen. Ein grollender Chord schwoll an und brachte den Sand auf dem Boden zum Zittern.

Gelbe Augen blitzten zwischen den Gitterstäben. Üblicherweise, glichen die Augen der Drache fast ihrer menschlichen Form. Doch diese, erinnerten sie an die Augen von Füchsen, Adlern und Schlangen. Das musste sie sich merken und später irgendwo aufschreiben.

Nevin hielt mitten auf dem steinernen Platz an und bückte sich, damit Elyon absteigen konnte. Als sie neben ihm stand, bemerkte sie seine angespannten Lippen. Ein kleines Stück von seinem Reißzahn tauchte unter Nevins Maul hervor.

»Geh zum Ausgang«, befahl sie, während sie der Reihe nach die schwarzen Drachen musterte. Ihr Fell stand ihnen zu Berge. Die Ohren waren nach hinten gedrückt. Alle zeigten das Weiße in ihren Augen.

»Was? Nein, sonst werden sie noch aggressiver.«
»Nicht aggressiv. Ängstlich. Du bist für sie ranghohes Tier. Geh zurück, zeige nicht deine Zähne. Lockere Körperhaltung. So zeigen, dass du nicht angreifen willst.«

Elyon achtete nicht darauf, ob er ihren Anweisungen folgte, da sie weiterhin die anderen Drachen beobachtete. An einem von ihnen, bemerkte sie frische Bissspuren am Vorderbein. Da er alleine eingesperrt war, konnten sie nur von ihm selbst stammen. Ein anderer Drache knurrte, doch drückte er gleichzeitig den Kopf an die Wand, direkt neben den Gitterstäben. Zwei Drachen, die sich eine Zelle teilten, zuckten mit den Augen hin und her, als wären sie vom Wahnsinn überfallen.

Elyons Herz verkrampfte sich in ihrer Brust. Hätte sie nichts von dem Fluch gewusst, sie hätte gedacht, alle Tiere wären von der Tollwut überfallen. Doch das hier war etwas anderes. Der gleiche Gestank, den sie auch schon in der schrecklichen Höhle gerochen hatte, und der immer noch an ihrem Körper hing, hing in der Luft und kam eindeutig von den Tieren. Sie würde Traumtod brauchen. Eine ganze Menge davon. Als Elyon gerade darüber nachdachte, ob sie noch andere Pflanzen einsetzen konnte, die beruhigend wirkten, sprach Nevin sie an.

»Die beiden da vorne, die sich eine Zelle teilen«, begann Nevin und seine Stimme zitterte, »sind mein Ziehvater Jesko und meine Ziehtante Ilka.«

Elyon näherte sich den Drachen mit vorsichtigen Schritten. Der größere, war wahrscheinlich Jesko. Er starrte sie mit großen, blutunterlaufenen Augen an und fletschte seine Zähne. Daneben stand die kleinere Drachin. Ilkas schwarzer Kopf war etwas zierlicher. Statt Elyon zu drohen, riss sie nur erschrocken ihre Augen auf und winselte.

Aus Gewohnheit griff Elyon nach ihrem Gürtel. Doch der Beutel hing nicht dort. Sie unterdrückte ein Seufzen und drehte sich zu Nevin um, der mit nach unten hängenden Lippen auf die zwei Drachen sah.

Elyons Fluch | Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt