"Elladan...Elladan, wach auf."
Der braunhaarige Elb stöhnte leise und öffnete seine Augen. Elrohir saß neben ihm und betrachtete angespannt seine Umgebung.
"Wo sind wir?", fragte Elladan leise. Nun wandte sich sein Bruder zu ihm und zeigte vor sich.
"So wie es aussieht in einem Goblinbau mitten im Gebirge."
Um sie herum war alles mit hellen Fackeln erleuchtete. Eine riesige Halle und vielerlei Gänge waren in den Stein geschlagen worden. Das Konzept erinnerte die Zwillinge ein bisschen an Thranduils Hallen und dennoch war es gleichzeitig komplett anders. Die Wege hier waren grob ausgeschlagen, keiner hatte sich dabei sonderlich Mühe gegeben. Während die Ebenen in den Hallen des Elbenkönigs noch ein bisschen von natürlichem Licht erhellt wurde, lagen hier zwischen ihnen und den Sonnenstrahlen vermutlich mehrere Tonnen Gestein. Die Luft hier drinnen war stickig und es stank. Nach den Abfällen der Goblins und nach diesen selber. Während man die Heimat der Waldelben als Palast bezeichnen konnte, war das hier einfach nur ein überdimensionales dreckiges Loch. Die Brüder schämten sich dafür, auch nur einen Gedanken daran verschwendet zu haben, die Orte miteinander zu vergleichen.
Sie selber befanden sich in einer Art Käfig, aufgehängt mehrere Meter über dem Boden. Sie trugen keine Waffen mehr bei sich, ansonsten schienen die Goblins sie aber nicht weiter angerührt zu haben.
"Wie sind wir hierher gekommen?"
Elrohir versuchte weiterhin ihre genaue Situation festzustellen, während er antwortete: "Wir sind vor der Menschenarmee in die Berge geflohen. Erinnerst du dich?"
Elladan nickte langsam. Jetzt, wo sein Bruder es erwähnte, kamen seine Erinnerungen zurück. Sie hatten gegen die Menschen gekämpft, selbst Rawgwilith hatte sich immer wieder auf die feindlichen Reiter gestürzt, sie abgelenkt oder sogar die Augen ausgepickt. Irgendwann hatten die Brüder aber ihre Position auf den eigenen Pferden aufgegeben und stattdessen die Männer direkt auf deren Tiere angegriffen. Sie waren zwar haushoch was Zahlen anging unterlegen gewesen, doch das hatte auch bedeutet, dass nie alle Menschen gleichzeitig hatten angreifen können. Zudem hatten sie so ein viel schwierigeres Ziel dargestellt. Und auch wenn es dann bereits dunkel geworden war und die Elbenbrüder dank ihrer besseren Sicht einen weiteren Vorteil gehabt hätten, hatten sie gewusst, dass es keinen Sinn gemacht hätte, alle Menschen hier abzuschlachten. Deshalb waren sie in die Nebelberge geflohen, wohin die feindlichen Reiter ihnen nicht gefolgt waren. Aus gutem Grund. Nachts erwachten die Steinriesen in den Bergen und böse Kreaturen krochen aus ihren Löchern. Auch die Zwillinge hatten ziemlich schnell riesige Probleme bekommen, im wahrsten Sinne des Wortes. Hätten sie nicht ihre angeborenen Reflexe gehabt, wären sie vermutlich mehrmals von fliegenden Steinbrocken zerquetscht worden. Letztendlich hatten sie sich in einer Höhle in Sicherheit bringen können, doch dort hatte bereits die nächste Gefahr auf sie gelauert. Die beiden Brüder hatten keine Chance gegen die schiere Masse an Goblins in dem enge Raum gehabt und es hatte nicht lange gedauert, bis die hässlichen Wesen sie überwältigt hatten. Sie waren bewusstlos geschlagen worden und dann schließlich hier in dem Käfig wieder aufgewacht.
"Warum sie uns wohl am Leben gelassen haben?", überlegte der ältere Zwilling laut, worauf Elrohir nur mit den Schultern zucken.
"Das werden wir vermutlich noch früher erfahren, als uns lieb ist."
Die Geschwister schwiegen eine Weile, bis Elladan die mitgenommene Kleidung seines Bruders auffiel.
"Wie geht es dir eigentlich. In all der Hektik konnten wir uns nicht einmal unsere Verletzungen anschauen."
Elrohir inspizierte sich selber. Das meiste waren einfach nur tiefere Kratzer, doch einer der menschlichen Männer hatte ihn ziemlich stark am rechten Oberarm erwischt. Elladan hatte es bereits ebenfalls entdeckt und schob vorsichtig den zerschlissenen Stoff beiseite.
"Es scheint sich nicht entzündet zu haben, aber wir sollten trotzdem schleunigst hier raus und es auswaschen. Spürst du, ob die Klinge vergiftet war?"
Elrohir schüttelte den Kopf.
"Ich glaube nicht. Aber wo wir gerade dabei sind, hast du dich eigentlich in eine Schwerterwand reingeschmissen und warum sieht dein Oberkörperschutz so beschissen aus?"
Elladan sah überrascht an sich herunter und bemerkte erst jetzt, wie das Leder seiner leichten Rüstung kaum noch zusammenhielt. Sein Untergewand hatte bereits eine rotbraune Farbe von dem getrockneten Blut angenommen.
"Immerhin werde ich keine Probleme was Laufen angeht haben."
Er deutete auf Elrohirs rechte Wade, über die sich ein langer tiefer Schnitt zog. Und obwohl seine Stimmlage einen neckischen Unterton hatte, machte er sich ernsthafte Sorgen um die Gesundheit seines Bruders.
"Wie hast du es mit diesem Bein überhaupt bis in die Höhle geschafft?"
Vorsichtig untersuchte er die Verletzung. Elrohir hatte anscheinend sein Bein trotz des Schnittes weiterhin stark belastet, sodass die Blutung länger nicht gestoppt hatte. Der komplette Hosenstoff in diesem Bereich hatte sich mit dem Blut vollgesogen und durch die unfreiwillige Ruhe bis gerade eben war er nun größtenteils auf der Wunde getrocknet. Einerseits war es gut, da dadurch der Schnitt vorerst verschlossen war und kein Dreck von außen herein konnte, andererseits war der Schmutz, der sich bereits in der Wunde befunden hatte, nun eingeschlossen und konnte ungehindert diese entzünden. Außerdem würde die komplette Verletzung wieder aufgerissen werden, würde er den Stoff später entfernen wollen. Und das musste er tun, ansonsten würde dieser mehr Schaden anrichten als Gutes tun.
"Unsere höchste Priorität ist erstmal eine Weg hier raus zu finden."
Elrohir nickte.
"Da stimme ich dir voll und ganz zu. Und sieh mal. Da kommt auch schon unsere Eskorte, die uns aus dem Käfig befreien wird."
Tatsächlich kamen gerade acht Goblinsoldaten mit langen Speeren ausgerüstet um die Ecke. Einer von ihnen ließ den Käfig herunter, woraufhin die beiden Elben aufstanden. Erst jetzt bemerkten sie den vollen Ausmaß ihrer Wunden und beide zuckten innerlich zusammen. Nach außen hin ließen sie sich allerdings nichts anmerken und folgten brav den übel riechenden Kreaturen. Alles andere wäre in dieser Situation auch mehr als unklug gewesen. Während die Laute der unbeholfenen Schritte ihrer Häscher in dem ausgehöhlten Stein widerhallten, berührten die Füße der Elben lautlos den Boden. Je weiter sie sich durch den Berg bewegten, desto mehr bestätigte sich der Eindruck der Brüder, dass hier nicht mit sehr viel Bedacht gearbeitet worden war. Sie selber hatten kein Problem die unbefestigten Wege und wackligen Holzbrücken zu überqueren, selbst Elrohir mit seinem verwundeten Bein nicht. Doch Elladan schätzte, würde hier, aus welchem Grund auch immer, eine Horde Zwerge durchkommen, würde alles hier einstürzen. Schließlich wurden die beiden auf eine relativ große Steinplattform geführt, auf der sich ein großer Steinthron befand. Und in diesem befand sich wohl die hässlichste und grauenvollste Kreatur, die die beiden seit langem gesehen haben. Sie war mindestens zehnmal so groß wie die restlichen Goblins und bei jeder kleinsten Bewegung wackelten die langen überschüssigen Hautstreifen mit. Der Witz einer Krone auf dem Kopf dieses Wesen erklärte auch sofort, vor wem sich die Zwillinge nun befanden: Sie standen vor dem König der Goblins.
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The Cage
FanfictionLegolas und Thranduil freuen sich sehr, als Elrond und seine Zwillingssöhne sie besuchen. Alles schien auf eine schöne Zeit zu deuten, doch als der Prinz des Düsterwalds eines Tages entführt wird, machen sich Elladan und Elrohir sofort auf den Weg...