Tag 2 - Ich bleibe

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Die Sonne erschien langsam über den Häusern der Colorado Avenue und erhellte den Horizont. Strahlen, die die Dunkelheit vertrieben und Sterne in den Hintergrund fielen. Im Universum verloren erschienen.

Ich wusste nicht, wann die Sonne genau aufgegangen war. Ein Blick zum Truck meines Vaters, der in McKenzies Auffahrt zum Stehen kam, besagte, dass ich vermutlich schon bald zur Schule musste.
Das Fenster wurde herunter gekurbelt. Leider besaßen meine Eltern nicht die nötigen Geldmittel, um uns das neueste Range Rover Modell anzubieten. Mich störte es wenig, genauso wie McKenzie. Sie war nicht der Typ, der Menschen nach Status beurteilte. Sie sah die Person an sich und schenkte jedem dasselbe aufrichtige Lächeln.

"Sag mir nicht, du hast die ganze Nacht vor ihrer Tür verbracht?"

Das Gesicht meines Bruders verzog sich bei meinem Anblick. Seufzend trat er aus dem Truck und setzte sich ohne weiteres zu mir, als ich niedergeschlagen auf die Pflastersteine blickte. Ich schämte mich. Nicht für meine Gefühle, die meinem Mädchen galten, sondern über mein schlechte Vorbildfunktion. Wenn ich ehrlich war, bot er den perfekten Freund an. Der Gedanke daran, dass McKenzie auf jemanden wie Joshua treffen könnte, ließ mich aufbrummen. Sie würde niemanden anderen treffen. Dafür würde ich schon sorgen.

"Also doch", vernahm ich Joshuas Stimme neben mir. Warum hätte ich auf einer offensichtlichen Aussage antworten sollen? Mit meinem schmuddeligen Hemd, meiner umgedrehten, auf dem Kopf platzierten Kappe und den ausgewaschenen Jeans und den weißen Sneakers, die unbedingt eine Wäsche benötigten, sollte man draufkommen, dass ich die Nacht hier verbracht hatte. Allein.

Meine Hände fielen auf meine Kappe und fummelten an den Enden meiner Haare, die meinen Nacken überdeckten. Ich war einfach nur fertig, aber gleichzeitig traute ich nicht, meine Augen zu schließen.


Ich befürchtete, ich würde meine Freundin dadurch schneller verlieren, auch wenn meine Augen vor Müdigkeit brannten.

"Du liebst sie, was."


Ein langes Seufzend entfloh meiner Kehle.
"Ist das nicht eindeutig, wenn ich die Nacht vor ihrer Tür verbracht hatte?"
Meine Stimme klang kratzig und rau.

McKenzie war meine erste Liebe. Dank ihr wusste ich, was es hieß, jemanden zu lieben.
"Muss ja schlimm sein, wenn du dabei zu heulen beginnst", witzelte mein Bruder und ich konnte nicht anders als einstimmen.
"Wo heule ich?" schlug ich ihn brüderlich in seinen Bizeps.

Wir wussten beide genau, wie ich innerlich zerbrach und den Tränen wieder einmal Nahe stand.

"Sie liebt dich auch."
"Ich weiß."
Meine Augen fielen an die Erinnerung, wie glücklich sie meine drei Wörter erwidert hatte. Dieses Gefühl beengte meine Brust. Ich musste sie sehen. Zumindest sehen.

"Joshua?" Meine Augen schossen auf. Mein Bruder sprang förmlich zu seiner Freundin, McKenzies jüngere Schwester Nathalie.
Sie sah genauso fertig aus, wie ich mich fühlte.
"Baby."
"Hör auf damit Joshua." Seine Arme blieben in der Luft hängen, als Nathalie heraustrat und ich das als Chance sah ins Haus zu stürmen, solange mein Bruder ihre Schwester ablenkte.

"Noah, nein." Doch ich gehorchte nicht und quetschte mich durch die Tür. Ich wusste, dass ihre Eltern Ärzte waren und kaum anwesend schienen und ich wusste ganz genau, wo sich McKenzies Zimmer befand.

Meine Beine trieben mich automatisch die Treppen hoch, doch blieb ich an der letzten oberen Stufe stehen. McKenzie trat aus dem Badezimmer. Rote Augen, blasser Teint, ein Frottee Bademantel, das ihr bis zu den Schenkeln reichte, nasse Haare, die platt herabfielen.


Das war ich. Ich hatte ihr das zugefügt.

"McKenzie", wollte ich herausbringen, doch nur ein Krächzen meiner Stimmbänder entstand. Ihr Kopf schoss in meine Richtung, als sie versuchte, ihren Bademantel um ihre Hotpants und Tank Top Pyjama zu schwingen. Es tat weh. Vor allem, da sie ihren Körper vor mir versteckte, dabei hatten wir schon so oft miteinander geschlafen. Ich hoffte, es lag an meinem plötzlichen Erscheinen.

"Noah?" Sie war verwirrt, doch dem Geschrei von Nathalie nach, verstand sie mehr, als sie wissen wollte.
"Babe."
Ihr Blick veränderte sich. Ich wusste, ich musste handeln, also tat ich das, worin ich gut war. Rennen.


Ich rannte zu ihr und konnte sie in meine Arme nehmen.

"Verschwinde endlich. Geh und breche jemand anderem das Herz."
Auch wenn sie es nicht sah, schwenkte ich meinen Kopf. Niemals gäbe es für mich eine andere. Das war einmal.

"McKenzie. Ich bleibe. Ob du es willst oder nicht willst." 

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