Tag 3 - Ich weiß es nicht

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Sie war nicht hier. Weder in der Schule noch bei sich daheim oder gar bei ihrem Nebenjob, dem angeblichen Italiener am Ende der Straße.

Ich vermisste sie zu sehr. Ständig dachte ich an ihr braves Lächeln und ihre nervige Art an ihre Haaren zu ziehen, wenn sie lernte.
Mein Herz füllte sich auf, bei dem Gedanken an meine Hoodies, die sie getragen hatte. Wie auch den, den ich nun trug.
"Ist sie bei dir?"
Dakota antwortete nicht gleich, sondern ließ einen mürrischen Blick an mir herabgleiten. Es nervte. Dieser Blick, den die beste Freundin meiner Freundin drauf hatte, wenn ihr etwas nicht gefiel, was sie zu Gesicht bekam.
"Ist sie es?" Sie seufzte und schmiss ihre geflochtenen Haare zurück, die ihr überraschenderweise echt gut standen.
"Ja, aber sie will dich nicht sehen."
Mein Kopf fiel zurück.

Erleichtert atmete ich aus. Alle Szenarien, wo sie irgendwo allein unterwegs waren, fielen ineinander.
"Du solltest gehen, Noah", holte mich ihre Freundin zurück. Irgendwie hatte ich den Drang, mich bei ihr zu bedanken.
"Danke. Kümmere dich um sie."


Ich verstand den Hype dieser Party nicht. Alle hatten Neon Sachen an und es war stockdunkel in jedem Zimmer.
"Hey", ich traf auf Kelly, eines der Typ Mädchen, die auf gut tun, aber im Endeffekt immer dasselbe wollen. Einen Badboy, der ihre Herzen zerbrach.
"Scheinst nicht gut gelaunt zu sein", kicherte sie ziemlich angeheitert.
Ich war nicht hier, um Smalltalk zu führen, sondern eher wegen dem gratis angebotenen Alkohol. Also schob ich sie wortkarg zur Seite. Es war ein kleiner Schubser, dennoch protestierte sie und sie fauchte zurück, doch interessierte es mich sehr wenig.

"Hey", diesmal grüßte ich zurück. Es war mein Kumpel Malec, ein Austauschschüler aus Deutschland.
"Alles klar?" Er hatte einen Akzent, aber es störte mich ziemlich wenig. Er sprach Sachen einfach manchmal anders aus, ein bisschen schräg. Viele mieden ihn aus diesem Grund. Ich aber nicht. Mit ihm konnte man reden. Er verstand einen und das schätzte ich.

"Schau ich gut aus?" gab ich sarkastisch zurück. Ich sah definitiv nicht gut aus, aber ich schätze mal, man sah es mir durch das schwache Licht nicht.
"Bin ich schwul?" schnalzte er zurück und ließ mich kurz mit meinen Mundwinkel zucken. Eher dieses Zucken, wo die Mundwinkel nach unten gerieten. So in etwa 'Weiß ich das?'. Malec schwenkte nur seinen Kopf und begab sich zu seinem Bier.
"Spuck es aus." Ich seufzte und nahm neben ihm an der Bar Platz, eigentlich ein umfunktionierter Küchentresen.

"McKenzie hat von der Wette erfahren." Ohne zu fragen, zog ich eine Vodka Flasche zu mir rüber und entleerte einen Teil in meine Kehle.
Angewidert verzog ich mein Gesicht und wischte mit dem Handrücken über meinen Lippen. Vodka schmeckte mir nicht wirklich, aber es machte mich am schnellsten fett.
"Scheiße", nippte Malec wieder an seinem Bier.
"Was läuft bei dir?"
"Chelsy will keine Fernbeziehung eingehen und in 2 Wochen werde ich wieder zurückreisen." Baff blinzelte ich Malec rüber.

Chelsy war selbst eine Austauschschülerin aus Australien. Dass sie nicht darauf einging, machte mich echt stutzig.
"Ich glaube ihr nicht, dass es an der Ferne liegt."
Nun exte er sein Bier runter und gönnte sich eine zweite Flasche, während ich einfach nur "Alles Scheiße", murmeln konnte.

Drei Stunden und wer weiß wie viele Flaschen Vodka später fand ich nicht so ganz alles Scheiße. Mir gefiel die Musik und mir gefiel ein Mädchen, das gerade auf mich zu eilte, als ich von Malec aufgefangen wurde.
"Wie viel hat er schon intus?"
"Wer weiß das schon?"


Verwirrt blinzelte ich im gedimmten Sonnenlicht. Mein Kopf dröhnte. Ein bitterer Geschmack lag auf meiner tauben Zunge, während ich langsam realisierte. Ich hatte mit Malec auf einer Party getrunken und jetzt?
Wache ich irgendwo auf. Mein Kopf schoss zur Seite und sah Rosé bezogene Kopfkissen und auf dessen Flips lag McKenzies Plüschhase. Erleichtert, dass ich mein Mädchen doch nicht betrogen hatte und in ihrem Zimmer aufgewacht bin, schnellte mein Kopf zur anderen Seite, wo ich auf eine mürrisch blickende McKenzie anstieß. Sie hatte es sich auf ihrem pinken Stuhl gemütlich gemacht und trug meinen gestrigen Hoodie. Ich verfluchte mich. Wie konnte ich diese Erinnerung verpassen?

"Wie viel war es diesmal, Noah?"
"Ich weiß es nicht."
Aber ich schätzte es einmal, es war ziemlich viel . 

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