06. Februar 2019

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06. Februar 2019, 21.15 Uhr, Poetry Slam


Isaac wirkte angespannt. Ich war gerade dabei, mich bei all seinen Freunden unbeliebt zu machen und mir ziemlich sicher, dass Isaac einer dieser Menschen war, der mich jetzt nie wieder irgendwelchen Freunden vorstellen würde. Aber er sollte dankbar sein, dass ich bis jetzt gewartet hatte, weil ich schon zweimal fast aufgestanden wäre, um eine sehr viel offensivere Szene zu machen.


Ich hatte heute meine zweite (und letzte Klausur geschrieben) und ihn aus einer Laune heraus angerufen, weil ich immer noch nicht wieder ganz auf der Höhe war und gedacht hatte, vielleicht feiere ich einfach mal auf eine andere Art und Isaac war ja definitiv anders. Isaac hatte mir (vermutlich aus purer Höflichkeit) angeboten, zu seinen Freunden und ihm zu stoßen, die gerade noch essen waren (ich ging nie essen, das war ja einfach nur Geldverschwendung) und dann zu einem Poetry Slam gehen würden.


Da war ich natürlich dabei. Ich war gerade wieder in der Laune Gewohnheiten zu brechen und bin auch seit Lorenz nicht mehr auf Poetry Slams gewesen (weil man nach drei Slams ja dann irgendwie auch alle Texte kennt, aber ich hab hier jetzt einfach auf kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und England gesetzt). Isaac hatte meine Begeisterung spürbar pikiert zur Kenntnis genommen und deswegen stand ich jetzt in der Pause mit ihm und den anderen (vielleicht reflektier ich diese kuriose Zusammensetzung noch mal, mit der Truppe kann man ganze Studien durchführen) draußen, rauchte und beschimpfte den Moderator. Der hatte es nämlich geschafft, innerhalb seiner fünf Minuten Redezeit dreimal offen sexistisch zu sein und seine Co-Moderatorin genauso oft zu unterbrechen. Eine Quote von einer Slammerin auf acht Slammer erschien mir auch alles andere als zeitgemäß.


"It's not that big a deal", sagte Derek, während der Rest einfach betreten seine Füße betrachtete. Ich sah ihn wütend an.

"I mean, nobody forces you to be here, but it's his show", redete Derek weiter und ich spürte Isaacs Seitenblick, hatte aber keine Ahnung, ob er neugierig war oder mich zu irgendwas auffordern wollte.

"Have you heard of feminism?", presste ich hervor, peinlich darauf fokussiert nicht laut zu werden, weil das das Mittel der Populisten war, "and it's not his show, Helen is a great co-host and super funny, if he wouldn't interrupt her every ten seconds. Seriously Derek, rethink your attitude." Ich ließ meine Zigarette fallen und stampfte frustriert darauf herum.

"Then just leave", schlug Derek vor.

"Yeah, I thought, I would confront the guy a bit before leaving", überlegte ich und war fast neugierig zu sehen, was da jetzt die allgemeine Meinung zu war.

"Please don't", murmelte Nathalie, die eigentlich ein kluges Köpfchen zu sein schien, aber wohl nicht für Ideale einstehen wollte.


"Come on guys, she's got a fair point. Derek, I'll lend you We should all be feminists by Adichie", sagte Isaac.

„What?", fragte Derek und sah jetzt doch ein bisschen überfordert aus.

„Yeah. I mean, no need to make a scene, I'm having a nervous breakdown just thinking about it, but I agree, that he is unbearable. We can write an angry letter together and just leave."

„I paid for this, I'm not leaving", hielt Derek fest.

„Yes mate, I know, I was talking to Tara and I'll see you guys around and who knows, maybe you'll boo a bit, when he talks shit the next time. Milady?", er hielt mir seinen Arm hin, ich verdrehte in einem letzten Ansatz von Feminismus die Augen, hakte mich dann bei ihm unter, tippte mir zum Abschied an die Stirn und spazierte einfach mit Isaac davon. Cooler Abgang. Ich erwartete fast, dass hinter uns etwas explodieren würde.


„Were you serious?", fragte ich als die Tube in Sicht kam.

„Absolutely. I hate making scenes and I'm quite bad at it, but I completely got you. That dude sucked." Schwer beeindruckend.

„You keep surprising me. And... thanks, I guess. I mean, I put you in a... difficult situation there. With your friends and stuff."

„That's cool. I'm still not doing it for you, even though you pushed it a little. But it's easier looking in the mirror, if you actually act on what you think."

„Quite the feminist. The world will appreciate it. And by the way, just in case Derek isn't interested in the book, I would take it."

„Borrow it", korrigierte er sofort. Ich feixte.

„That's what I meant." Er verdrehte die Augen, war aber sichtlich zufrieden mit sich selbst. Das war irgendwie niedlich. Ich meine... die ganze Szene war... sehr gut gewesen. Das war viel mehr gewesen, als ich mir von jemandem wie Isaac erhofft hatte, was jetzt sehr viel über mein Schubladendenken aussagte. Und was für ein tödliches Duo wir sein könnten. Ich mit meiner konfrontativen Art und Isaac, der dann einfach passende Quellen hinterherschob und alles ein bisschen seriöser machte.


„You know, Tara, having ruined a nice night out with my friends, I could do for a joint about now. I don't know whether the beer you got me is enough to equal this damned Tequila." Ich musste lachen. Sein feministischer Einsatz schien für ordentlich Dopamin gesorgt zu haben.

„We can go to my place, because originally when I thought about spending the evening with you and your friends, getting stoned didn't seem like an option." Isaac zuckte mit den Schultern, was ich als Zustimmung nahm. Gut, dass wir aufgeräumt hatten, verglichen mit seiner Bude war die WG auch aufgeräumt schäbig genug. Isaac ließ sich auf einen Doppelplatz fallen, ich setzte mich gegenüber und machte das, was ich am besten konnte. Vor mich hin brabbeln, bis ich irgendwas Dummes sagte.


„And I really do owe you. Not only for the amazing Tequila but for having my back. You're constantly surprising me. In a good way, of course. You really keep your most loveable parts hidden. Like... character parts. Not body parts. Huh, I mean, no offence, just... you're really cool but you pretend not to be, you know?"

„That sounds rude, Tara."

„Right, sorry. Just be you, you're cool. Is that better?"

„Only slightly. Where are you living again?"

„You visited two days ago."

„And I got super drunk. Sorry by the way about the thing with Lizzie, Lexie told me, that you weren't too happy about all that, just walking away wasn't very polite of me."

„Ha! You call her Lizzie. Lexie acted as if I had fraternized with the enemy."

„I dated her for over a year, it is hard not to call her Lizzie. I'm just used to it."

„No, listen I'm sorry, I should at least have tried to cheer you up a bit, so let's just forget about her and just look forward to getting high as a kite."

„Sounds dope."

„Funny, Isaac, really funny."

„Yeah, I'm hilarious." Ich musste doch lachen. Isaac grinste verschmitzt.

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