Chapter 6

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Charly

Kaum hatte Greg aufgelegt, lächelte er mich entschuldigend an. „Sorry, Charly, aber du weißt ja, er meldet sich nicht oft, und wenn ich dann da bin, will ich ihn schon sprechen.“ Wieso entschuldigt er sich? Es ist mir doch sowas von egal, was diese gewisse Person macht, wir haben im Streit unsere Freundschaft beendet, ich hindere den an nichts, soll der doch machen was er will. „Ist doch okay, ihr seid Brüder, dafür musst du dich nicht entschuldigen.“ Bevor er wieder mit einen dieser langweiligen und irgendwie sinnlosen Gesprächen anfangen konnte, schlug ich das Geschichtsbuch, welches vor uns lag, auf und deutete auf den Zeitstrahl. „Also, willst du weiter versuchen, mir irgendwas beizubringen oder über den reden, dann geh ich nämlich lieber, ich will nicht darüber reden.“  Undeutlich nickte er und widmete sich dem Text daneben. „Okay, was weißt du zur französischen Revolution?“ Aufmunternd lächelte er mich an und ich dachte scharf nach, ich wusste, dass wir darüber einen Test geschrieben hatten. „Also, da wurden viele Leite geköpft und da war so n Schloss bei dem so ne Schlacht war und Napoleon war da auch noch irgendwie mit drin und ich glaub das waren die Bauern, die den Aufstand begonnen haben.“  Zufrieden nickte er und schob mir das Buch zu. „Gut, du erinnerst dich zumindest an etwas, das freut mich ja schon mal, denn das werden wir am Anfang noch einmal wiederholen und einzelne Sachen genauer analysieren, und ich verlange schon Mitarbeit von dir, nichts da mit Faulenzen, verstanden, Charly?“

Seufzend nickte ich und las mir den Text durch. „Gut, ich weiß  nämlich, dass du schlauer und deutlich intelligenter bist, als dein Zeugnis das momentan über dich aussagst, du konntest doch früher die perfekten Lügen und Ausreden erfinden, wenn wir alle scheiße gebaut hatten, weißt du noch? Wie du Mom und deine Eltern damit beschwichtigt hast, während wir beide nur stumm neben dir standen und insgeheim dafür dankbar waren, dass du selbst mit Druck die Wahrheit etwas ausschmücken konntest. Und deine Geschichten, wenn wir etwas verloren hatten, du kannst was, Charly, wieso zeigst du es nicht?“ Schulterzuckend sah ich ihn an, ich wollte ihm nicht sagen, wieso ich keine Hausaufgaben mehr machte und des  Öfteren die Mitarbeit verweigerte. „Du weißt es, und ich will dir helfen, also wieso sagst du es mir nicht?“ Ist doch alles nur, um meinen Eltern zu Trost, der YouTube – Chanel, das Sprayen, die Gang, einfach alles, solange ich noch die Möglichkeit hab, irgendwas in meinem Leben selbst zu bestimmen, dann mach ich es auch, sei es hinter ihrem Rücken, meine Zukunft ist ja schon bestimmt, da kann ich nichts ändern, dann zumindest jetzt. „Dann rennst du doch eh zu meinen Eltern und erzählst denen alles, nein danke, darauf kann ich verzichten.“ Die Arme verschränkte ich vor meiner Brust und er seufzte leise. „Ich sag ihnen nichts, versprochen, ich will dir nur helfen, das mit dem Essen ist die eine Sache, aber das mit der Schule ne komplett andere und auch wenn es niemanden davor gestört hat, ich kann das nicht mitansehen.“

Auch wenn ich ihm eigentlich nicht glauben wollte, ich wusste, dass er es ernst meinte, vor allem, als er unser altes Schwurritual machte und mich leicht anlächelte. „Okay, okay, komm runter. Denkst du, meine Eltern lassen überhaupt was zu, was ich will? Nein, also ist die einizige Möglichkeit, es hinter ihrem Rücken zu machen, das mit der Schule sollte eigentlich mal so ne Art Hilferuf werden, aber die Lehrer lügen sie ja an, dass sich die Balken biegen, und das mit dem Essen ist irgendwie entstanden, nachdem meine Mutter mich angemeckert hat, wenn ich weiter so essen würde, würde ich bald noch fetter sein, und dann würden mir die Kleider noch weniger stehen, danach hab ich mir gesagt, wenn sie meint, das sagen zu müssen, brauch ich ja gar nichts mehr essen.“ Erneut zuckte ich mit den Schultern und er schüttelte fassungslos den Kopf. „Man müsste ihnen schon längst das Sorgerecht für dich entzogen haben, das geht so doch nicht, Charly!“ Aufgebracht sprang er auf und ich hielt ihm an Arm fest. „Lass es, bitte, tu das nicht, für mich, dann werden sie mich nur noch mehr hassen, weil ich ja so weich sei und nicht einmal was für mich behalten kann, was in der Familie bleiben sollte, und außerdem, zu wem soll ich dann bitte? Bitte, bitte, bitte, Greg, du darfst das nicht machen, ich komm damit klar, man gewöhnt sich daran, wirklich.“ Flehend sah ich ihn an, er durfte da nicht hingehen!

„Aber Charly, ich muss es tun, das sind doch keine Eltern!“ Er war wütend, das merkte ich, aber ich konnte jetzt nicht aufgeben, es hätte zu große Auswirkungen auf alles. „Bitte, tu es nicht, ich flehe dich an, Greg, ich komm damit wirklich klar, und wenn das Jugendamt vorbeikommt, tun sie eh auf die perfekte Familie, und ich muss mitspielen, das zieht dann nur nach sich, dass du gefeuert wirst, und ich will nicht, dass es meinetwegen passiert.“ Zögernd blieb er stehen und sah mich prüfend an. „Das muss ich auf mich nehmen, ich kann nicht zulassen, dass du weiter so behandelt wirst!“ Noch immer der selbe Sturkopf wie früher. „Greg, ich hab keine Kontrolle über meine Zukunft, sie haben alles für mich entschieden, sie wollen in ihrer Sicht nur das beste für mich, sie kennen es doch auch gar nicht anders, sie sind beide genauso erzogen worden, nur dass ich anders denke als sie und vermutlich meine gesamte Familie, ich gehöre nicht in ihre Welt rein, aber sie sehen es nicht ein, ich bin ihre einzige Tochter, sie sind beide unfruchtbar, ich bin ihre einzige Hoffnung, dass die Firma im Familienbesitz bleibt, ich tu es nur für sie, damit sie zumindest etwas haben, weshalb sie auf mich stolz sein können,  jetzt hab ich zumindest die Kontrolle über die Dinge, die ich hinter ihrem Rücken tu, um sie nicht zu enttäuschen, und das würdest du alles mit dem Gespräch runinieren, schlaf die Nacht drüber, ich bitte dich.“

No Control [Book 1/1D FF]Where stories live. Discover now