6. Der Platz gehört ihm

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KAPITEL 6

Was?"

Mein Chef, welcher übrigens Louis hieß, verdrehte die Augen. „Du hast mich schon richtig verstanden. Enzo hat sich den Arm verdreht - er kann heute nicht kommen."

Nach nur einen Probetag, sollte ich die Theke alleine übernehmen? Wie hatten die sich das vorgestellt? Die paar Dinge, die ich gestern von Enzo gelernt hatte, würden mich doch niemals durch die Nacht bringen.

Ich hatte heute nämlich „die Schicht". So nannten sie es. Die Neue durfte bis zum Schluss bleiben - und überall beim aufräumen helfen. Ich atmete tief durch bei dem Gedanken, dass ich nur mit Louis, Estelle und Fabio den Laden schmeissen sollte. Estelle war ein hübsche Blondine, die für die Tische auf der rechten Seite verantwortlich war. Fabio übernahm die dementsprechend die linke Seite.

Und ich war alleine hinter der Theke.

Ich schmeckte etwas metallisches und ließ daher meine Lippe los. Ich hatte zu fest gebissen. „Also", begann ich nervös. „werden Sie mir beistehen hinter der Theke?", fragte ich hoffnungsvoll.

Louis sah mich entgeistert an. „Spinnst du" er zündete sich eine Zigarette an, zog kurz dran und blies mir den Rauch entgegen.

Ich hielt den Atem angewidert an.

„Ich bin der Chef - ich stell mich doch nicht hinter die Theke." Mit diesen Worten war mein Schicksal besiegelt. Er musterte mich kurz. „Sieh jetzt zu, dass du dich umziehst. Es wird gleich voller."

Und er hatte recht. Es wurde voller. Es wurde so voll, dass ich den Druck, der auf mir lastete, irgendwann gar nicht mehr spürte. Ich hatte keine Zeit gehabt mich dem Stress hinzugeben.

Stattdessen verteilte ich Drink über Drink an jeden der mich an der Theke drum bat. Und ich war ein Glückspilz gewesen. Gott hatte meine Gebete erhört; keiner beschwerte sich.

****

Ich horchte auf als ich selbst durch die dröhnenden Töne ein Pfeifen hörte. Estelle wurde wohl grade von einer Horde Männer angemacht. Ich beobachtete das Geschehen intensiv und hörte unbewusst auf, den Drink in meiner Hand zu mixen.

Doch anders als erwartet verhielt sich Estelle sehr professionell. Sie wusste mit solchen Männern umzugehen und schnell wurde aus der unangenehmen Anmache, eine Humorvolle Show. Sie lachten alle.

Ich musste grinsen als ich sah wie Estelle dann graziös ihre Hüfte hin und her schwing, als sie zu dem nächsten Kunden rüberlief.

Bewundernswert.

Ich fragte mich, ob ich auch so reagieren könnte. Grade war ich dabei kopfschüttelnd, jedoch lachend, den Drink fertigzubekommen als mein Grinsen erlosch.

Ich hielt inne und fiel in eine Starre, als ich den stechenden Blick eines Herren wahrnahm. Er saß an einem Tisch für Zwei, war jedoch alleine. Seine Ellbogen hatte er auf den Tisch gestützt, während er seine Hände ineinander faltete und mich anstarrte.

Es war Valentin. Ich konnte selbst in dieser dunklen Bar, seine Attraktivität erkennen. Seine dunklen Augen waren von seinen dichten Wimpern umrandet. Eine Gänsehaut durchfuhr mich, als ich an dem Tag zurückdachte, wo er mir geholfen hatte.

Ihn jetzt wieder zu sehen war wie eine Flut von komischen Gefühlen. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper, der wie aus dem Nichts nervös wurde.

Das Glas in meiner Hand kippte um. Der Inhalt verbreitete sich auf der Theke und ergoss sich teils zu Boden. Die unangenehme Situation zwang mich den Blick abzuwenden. Ich fluchte leise vor mich hin.

ValentinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt