OH GOTT!

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Stillschweigend saßen John und ich in der Baker Street. Mein bester Freund arbeitete wie so oft an seinem Blog, in dem ich mittlerweile eine regelmäßig, vertretene Person bin, und hatte die Augenbrauen konzentriert zusammengezogen. Das Einzige, was von ihm zu hören war, waren seine Finger, die blitzschnell über die einzelnen Tasten seines Laptop huschten.

   Ich legte meinen Kopf schräg. John war schon den ganzen Tag so still. Nur ab und zu schaute er von seiner Arbeit auf und schenkte mir ein schwaches Lächeln. Ob es daran lag, dass Sherlock Holmes nicht zuhause war?

   Augenblicklich schweiften meine Gedanken zu dem schwarzhaarigen Detektiv ab. Ich verstand nicht, was da zwischen uns war, aber es hatte sich weder weiter-, noch zurückentwickelt. Dieser anfänglicher Hass auf den Hünen war schon lange Vergangenheit. Mittlerweile fühlte ich mich sogar mehr als wohl bei ihm. Das war vermutlich auch der Grund warum ich so häufig die Baker Street besuchte. Mrs. Hudson nannte mich schon ihre dritte Untermieterin. Hoffentlich musste ich jetzt nicht auch noch Miete zahlen.

   Ich lehnte mich etwas weiter zurück, wobei das sanfte Knartschen des Ledersessels mich entspannte. Wie immer saß ich auf Sherlocks Sessel, den er mir mittlerweile tatsächlich überließ. Zumindest wenn kein Klient da war.

   Ich konnte mir das breite Grinsen nicht verkneifen, als ich daran zurückdachte, wie er vor einem guten Jahr noch an mir vorbei gestürmt war, um sich den Sessel zu sichern. Was hatte sich nur alles verändert in dieser Zeit...

   Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als das laute Aufknallen der Wohnungstüre ertönte. Mein Blick glitt zu ihr hinüber und augenblicklich klappte mir der Mund auf. Langsam schweifte mein Blick über den blutüberströmten Mann, der mit einem irren Funkeln in den Augen eine Harpune in seiner Hand anschaute.

   Ohne es zu wollen entfuhr mir ein spitzer Schrei, woraufhin er zu mir schaute. „War das ein Stress!"

   „Sherlock!", rief ich entsetzt.

   Die hölzerne Harpune überragte den Detektiv um einen guten Kopf und war, wie er, mit Blut übersäht.

   John konnte seinen Schock wesentlich besser verstecken als ich. Einzig und allein die Verblüffung war in seinem Gesicht abzulesen, als er seinen Mitbewohner genauestens musterte. „Sind Sie etwa so U-Bahn gefahren?"

   Immer noch zu entgeistert über den speziellen Aufritt von Sherlock, konnte ich nicht anders, als ihn anzustarren. Jetzt verstand ich allmählich, warum er mich nicht mitnehmen wollte. Und um ehrlich zu sein, dankte ich ihm im Stillen gerade dafür, dass er sogar noch starrköpfiger war als ich. Alles war besser, als blutüberströmt U-Bahn zu fahren.

   „Taxis wollten mich nicht mitnehmen!", fauchte Sherlock beleidigt. Mit schnellen Schritten wandte er sich von uns ab und marschierte Richtung Schlafzimmer, wo er nach wenigen Sekunden ohne Harpune, allerdings jetzt mit frischen Kleidern bewaffnet, wieder herauskam und ohne ein weiteres Wort im Badezimmer verschwand.

   Verwirrt über das, was gerade geschehen war, schüttelte ich den Kopf. Sowas konnte wirklich nur in der 221B Baker Street passieren!

   „Ist das gerade wirklich... Hast du das auch gesehen?", wollte John verstört von mir wissen.

   Langsam nickte ich. Selbst wenn man den Detektiv seit fast einem Jahr kannte, war er doch immer wieder für Überraschungen gut. Er schaffte es sogar John immer wieder aus den Socken zu hauen. Und die beiden kannten sich ja noch länger als Sherlock und ich uns.

   „Ich werde ab heute nicht mehr normal schlafen können", murmelte ich vor mich hin, als im Hintergrund das Rauschen des Wassers erklang. Sherlock duschte jetzt also.

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